Was der Tag mir zuträgt. Peter Altenberg
dich. Noch lehnst du lächelnd an dem Tor des Lebens. Ich liebe dich.
Weltenweisheit hast du – – – da du noch nichts weißt.
Pallas Athene du! Unbeirrten Auges thronst du auf dem weißen Throne deiner Kindlichkeiten! Ich liebe dich.
Ah, melde mir die Nacht, in der die grausame verzerrungsfreudige Natur zum Weib dich macht!
Dann will ich Abschied nehmen – – – von meiner Liebe.
Ich hasse dich
Ich hasse dich, Geliebte! Ich hasse deine schönen seidenen Blusen, die deines Atmens Wellenschlag mir weisen und meiner Sinne "griechisches Lächeln" zum Ernste des Barbaren zwingen. Ich hasse dich.
Ich hasse deiner Worte Willkürherrschaft, die mich erbleichen und erröten machen, krank und gesund, blöde und weise. Ich hasse dich.
Ich hasse deine Schönheit. Deine Schönheit hass' ich, die mir Ersatz für Weltenschönheit wird und so mit Blindheit schlägt mein Weltenauge.
Ich hasse deiner Stimme holden Klang, der mir Beethovens Symphonien leer macht und so mein Ohr betrügt um Welten-Klänge! Ich hasse dich!
Ich hasse dich, die meine Weltenkräfte, die zersplittern und verkommen wollen, allzu sorglich ins Dienstesbette drängt.
Vorsorglich! Gescheite! Ich hasse dich.
Ich hasse dich, "fixe Idee meiner Seele"!
Ich hasse dich, wenn du mir sagst: "Komm' wieder", ich hasse dich, wenn du mir sagst: "O bleib'". Denn ich, ich komme wieder und ich bleibe Beschränktheit meiner Schrankenlosigkeiten! Ich hasse dich!
Ich hasse deine Tugenden, die mich rühren, ich hasse deine Fehler, die mich nie verletzen.
Ich hasse dein Erröten, das mich selig und dein Erbleichen, welches mich besorgt macht. Ich hasse dich, dass ich auf diesem geliebten Antlitz die Runen schwerer Stunden ängstlich lese.
Die grenzenlosen Kräfte meiner Seele vermählen sich dem All nicht, sie treiben Ehebruch mit deinem Herzen, o Geliebte!
So hass' ich alles, was ich an dir liebe. Ich hasse dich! Weltendummheit hast du! Denn du fühlst in mir des Weltenganzen einfachen Vertreter, das Weltgebilde, das du nicht begreifst, in einem Weltextrakte, den du fassen kannst.
Ich aber bin es nicht. Ich kann es werden. Doch nicht bei dir und nicht durch dich, Geliebte! Nur durch die Weltenschönheit kann ich's werden, die mit dem Kreidewald und Farrenwald begann und weiterzieht bis zu den letzten Stunden.
Durch Weltenschönheit kann ich's werden, die ihrer Kräfte endelose Ströme durch meine heiligen Augen in mich ergösse, und ich, ich tränke sie und machte sie zu Blut, zu Geist!
Doch deine Ströme, o geliebteste Geliebte, machen mich nur zum Herren des Alltages, der zeugt und stirbt.
Ich hasse dich! Indem du mich von meinem Weltenwege ablenkst, zeigst du den kargen Weg mir, der vielleicht mir ziemt. Und weist mit deines Leibes griechischer Schönheit den kleinen Kreislauf, der dem Schwächeren frommt! Wer Ruhe sucht im Weibe, ist kein Wanderer!!
Und doch! Geliebte Reichmacherin, die du mir die Welt verarmst!
Siehe! Des fremden Kindes Lächeln muss mir teurer bleiben als meines eigenen Lachen!
Weib, verstehst du das?!!
Denn meine väterliche Liebe reicht gerade aus für alle Kinder, die da sind und die da kommen werden, wenn sie nur schön sind und der Frühling sind.
Tausendfach armselig, tausendfacher Un-Mann, wer da fühlt, dass er, um seines Herzens Vaterliebe anzubringen, sich erst ein Wesen schaffen muss dazu!!
Du aber bleibst, Geliebte und Gequälte, die heilige Jungfrau-Mutter! Und sonst nichts.
Geliebte Lügnerin, die du mich leitest zu Höhen, um mich zu deinen Höhen nur herab zu leiten! Ver-Führerin! Ich hasse dich.
Ah, melde mir den Tag, da ich dich nicht mehr liebe – – – dann will ich Abschied nehmen- – von meinem Hasse!!
Ich liebe dich
Sie: "Wie werden Blätter gelb?!"
Er: "Das grüne Chlorophyll des Blattes verwandelt sich in Gelbstoff, Xantophyll, unter dem Einflusse der Kälte."
Sie: "Wie werden Blätter rot?!"
Er: "Das grüne Chlorophyll des Blattes verwandelt sich in Rotstoff, Erythrophyll, unter dem Einflusse der Kälte."
Sie: "Und schwarz?!"
Er: "Das ist das Sterben des Blattes. Wenn es nicht mehr Kraft hat, Farben umzuwandeln, wird es schwarz."
Sie: "Und Blätter werden Erde?!"
Er: "Ja. Der Schnee zermürbt sie, präpariert sie vor."
Sie: "Lehre mich Botanik. Aber nicht wie in der Jugend, wie viele Staubgefäße jede Blume hat, wie sie lateinisch heißt, wo man sie findet. Lehre mich das Tiefe, wie sie wird und stirbt und niemals aufbegehrt und wieder wird und stirbt und wieder stirbt und dann doch auflebt – – –."
Er: "Anatomie, Physiologie der Pflanzen?!" Sie: "Ja, das."
Er: "So komm. Es ist zu kalt zum Sitzen im Freien. Und wir sind in Jahren – – –. Wir brennen Holz im Ofen und ich lehre dich, wie junge Stämme ihren Ring ansetzen. Vor allem, weißt du, wenn im ersten Frühjahr – – –."
Und sie ging schweigend, lauschend neben ihm.
Der Revolutionär hat sich eingesponnen
Kannst du dir vorstellen, mein Freund, dass ein Botaniker, mit dem "unheiligen organischen Hunger" in seinen Nerven, fähig sei, ein Gericht von Erbsen oder Blumenkohl auf sein Wesentliches zu prüfen?! Und ihr, Un-Gelehrte, mit eurem "unheiligen organischen Hunger" in den Nerven, unterfangt euch, dieses zarteste Gebilde "Weib" zu diagnostizieren?!
Elende! Von eurem Hunger aus!
Sein eigenes Leben nicht ernster nehmen als ein Stück von Shakespeare! Aber auch nicht minder ernst! Sich von dem Leben in Besitz nehmen lassen wie im Theater. Das Theater des Lebens. Der ideale Zuschauer seiner selbst sein! Ganz drin sein und dennoch aus den facheusen Komplikationen herauskommen können in die frische Nachtluft; erlebt haben, was man nicht erlebt hat, nicht erlebt haben, was man erlebt hat!
So reinigst du dich von dir selber!!
Und die "Tragödien deiner selbst" bringen dir das Lächeln – – der Weisheit!
Die tragischen Schwächungen: Essen, wenn man nicht hungrig ist. Trinken, wenn man nicht durstig ist. Sich bewegen, wenn man Ruhe-bedürftig ist. Sich begatten, wenn man Liebe-los ist.
In Weisheit führt uns die Natur! Wenn wir hungern, zum Brote. Wenn wir dürsten, zum Wasser. Wenn wir müde sind, zum Schlafe. Wenn wir Liebe-voll sind, zum Weibe.
Der Mann legt die Frauen-Seele auf das Prokrustes-Bett seiner Bedürfnisse.
Alles verzeih' ich dem Mann – – nur nicht das vergebliche Ringen! Schweigend verhülle dein Haupt, Cäsar des Lebens, wenn Brutus, das Schicksal, tödlich gegen dich stößt! Vergebliches Ringen geziemet dem Weibe, der Sklavin des Lebens! Noch, im Abgrunde schwebend, krümmt sie die Finger zum Griff!!
Das Unvermögen, sich mit einem anderen Weibe zu vereinigen als jenem, welches man mit der Seele liebt, ist – – göttliche Potenz!
Der Mann hat eine Liebe – – die Welt!
Die Frau hat eine Welt – – die Liebe!
Der vorsichtige feige Lebens-Mensch versetzt seine