Was der Tag mir zuträgt. Peter Altenberg

Was der Tag mir zuträgt - Peter Altenberg


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Vater dachte: "Geistige Arbeit ist eine Ab­lenkung. Und jedesfalls, kann es schaden?! Man wiegt die Seele ein – –. Man muss das Interesse wecken. Natürlich schläft es noch – – –."

      Er sagte: "Kapitalrechnungen! Oh, es ist interessant. Das war seinerzeit meine Force (ein Schimmer des vergangenen Kapitalrechnung-Glückes huschte über sein Antlitz). Zum Beispiel – – warte ein biss­chen – – zum Beispiel jemand kauft ein Haus.

      Hörst du zu?!"

      "Oh ja. Jemand kauft ein Haus."

      "Zum Beispiel euer Geburtshaus in Görz. (Er machte die Sache spannender, indem er geschickt Wissen­schaft und Familienverhältnisse in eine ziemlich nahe Beziehung brachte.) Es kostet 20 000 Gulden. Wie viel muss er an Zins einnehmen, damit es 5% trage?!"

      Der Engel sagte: "Das kann niemand wissen – –, Papa, kommt Onkel Viktor noch oft zu uns?!"

      "Nein, er kommt selten. Wenn er kommt, setzt er sich immer in dein leeres Zimmer. Merke auf. 20 000 Gulden. Wie viel ist 5% bei 20 000 fl.?! Nun, doch jedesfalls soviel mal 5 Gulden, als hundert in 20 000 enthalten ist!? Das ist doch einfach, nicht?!"

      "Oh ja – – –", sagte das Kind und begriff nicht, warum Onkel Viktor so selten komme.

      Der Vater sagte: "Also wie viel muss er einnehmen?! Nun, 1000 Gulden ganz einfach."

      "Ja, 1000 Gulden. Papa, raucht die große weiße Lampe im Speisezimmer noch immer beim Anzünden?!"

      "Natürlich. Also hast du jetzt eine Idee von Kapitalrechnung?!"

      "Oh ja. Aber wieso trägt Geld überhaupt Zinsen?! Es ist doch nicht wie ein Birnbaum?! Es ist doch ganz tot, Geld."

      "Dummerl – – –", sagte der Vater und dachte: "übrigens, es ist Sache des Institutes."

      Stille – – –.

      Sie sagte leise: "Ich möchte nach Hause zu euch – –."

      "No, du bist doch ein gescheites Mäderl, nicht –?!" Zwei Tränen kamen langsam die Wangen heruntergeschwommen.

      Erlösung! Tränen! Schimmernde Perlen gewordenes Heimweh!!

      Dann sagte sie lächelnd: "Papa, es sind drei kleine Mädchen im Institute. Die Älteste darf drei Buchteln essen, die jüngere nur zwei und die Jüngste eine. So diätetisch sind sie! Ob sie nächstes Jahr gesteigert werden?!"

      Der Vater lächelte: "Siehst du, wie lustig es bei euch ist?!"

      "Wieso lustig?! Uns kommt es so vor, weil es lächerlich ist. Das Lächerliche ist doch nicht das Lustige?!"

      "Kleine Philosophin – –", sagte der Vater glücklich und stolz und sah an den feuchtglänzenden Äugen seines Töchterchens, dass Philosophie und Leben zweierlei seien.

      Sie wurde rosig und bleich, bleich und rosig –. Wie ein Kampf war es auf diesem süßen Antlitz. Es stand darauf geschrieben: "Adieu, Papa, oh, adieu –."

      Ich hätte dem Vater gerne gesagt: "Herr, schauen Sie dieses Marien-Antlitz an! Sie hat ein brechendes kleines Herz! – – –."

      Er hätte mir geantwortet: "Mein Herr, c'est la vie! So ist das Leben! Es können nicht alle Menschen im Kaffeehaus sitzen und vor sich hinträumen – –."

      Der Vater sagte: "Wie weit seid ihr in Geschichte?!"

      Er dachte: "Man muss sie ablenken. Das ist mein Prinzip."

      "Wir sind in Ägypten", sagte das kleine Mädchen.

      "Oh, in Ägypten", sagte der Vater und machte, wie wenn dieses Land einen wirklich ganz ausfüllen könne. Er war geradezu erstaunt, dass man sich noch etwas anderes wünsche als Ägypten.

      "Die Pyramiden", sagte er, "die Mumien, die Könige Sesostris, Cheops! Dann kommen die Assyrer, dann die Babylonier – – –."

      Er dachte: "Je mehr ich aufmarschieren lasse, desto besser."

      "So?!", sagte das Kind. Wie wenn man sagt: "Versunkene Völker – – –!"

      "Wann habt ihr Tanzen?!", sagte der Vater. Er dachte: "Tanzen ist ein lustiges Thema."

      "Heute – –."

      "Wann?!"

      "Gleich, wenn du weggefahren sein wirst. Dann ist Tanzen, von 7-8."

      "Oh, Tanzen ist sehr gesund. Tanze nur fleißig –."

      Als der Herr sich erhob, um wegzugehen, und mich freundlich grüßte, sagte ich: "Verzeihen Sie, mein Herr, oh verzeihen Sie mir, ich habe eine große, große Bitte an Sie – – –."

      "An mich?! Was ist es?!"

      "Oh bitte, lassen Sie heute Ihr Töchterchen von der Tanzstunde dispensieren."

      Er sah mich an – – – und drückte mir die Hand. "Gewährt!"

      "Wieso verstehst du mich, fremder Mensch?!" sagte der Engel zu mir mit seinen schimmernden Augen.

      "Gehe voraus – – –", sagte der Herr zu dem Kinde.

      Dann sagte er zu mir: "Pardon, halten Sie es für ein richtiges Prinzip?!"

      "Jawohl", sagte ich, "was die Seele be­trifft, ist das einzige Prinzip, keine Prinzipien zu haben!"

      Weil Einer nicht an Typhus starb,

      war's darum bloß ein leichtes Fieber?!?

      Glauben Gnädige an eine Liebe nicht,

      weil Einer nicht daran verdarb?!?

      Verbrannt zu Asche, hebt der Phönix sich,

      verklärt durch Schmerz, in Himmelshöhen – – –

      versengst Du einem Sperling sein Gefieder,

      erhebt er sich nie wieder!

      Hernach.

      Lotte nach Werthers Tode

      Und so war ihr nun die Unruhe aus dem Wege geräumt – – – – –. Da saß sie denn oft sinnend und sinnend über das Merkwürdige, dass einer um sie gelitten und gelitten und gelitten, dem sie doch nicht hatte helfen dürfen – – – – –.

      Und Albert nahm ein Jahr lang seine geliebte Frau nicht in Besitz. Denn er fühlte es, dass sie ihm nicht ganz gehöre, nicht ganz – – –.

      Und so wartete er denn, bis Ruhe einzog, verblassendes Erinnern und des Alltages einfacher Anspruch.

      Die beiden wohlbestallten Künstler saßen im kleinen Nachtcafé und besprachen es emsig, wie brutal der Ichismus der Nebenmenschen wäre! Das Wort "Ichismus" sprachen sie so aus, wie wenn sie sagten: Die übrige Menschheit sagt nämlich "Egois­mus"!

      Da sagte das junge Fräulein: "Was redt's denn da für an Unsinn zusammen, hm?! Hat das an Sinn?! Hörts zu, meine Frau hat mich heute gepfändet! Gibt's das, eine eigenhändige Pfändung?! Das gibt's nicht! Was?!"

      "Bitte, wir sind keine Advokaten – – –."

      "Keine Advokaten?! Da schau her! Ein jeder ge­bildete Mensch muss wissen, dass es eine eigenhändige Pfändung niemals nicht gibt! Wie stellts ihr euch das vor?! Da möchte die ganze Welt nichts tun als pfän­den! Nur ein bissel nachdenken, meine Herren, ja?!"

      Die Künstler besprachen


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