Was der Tag mir zuträgt. Peter Altenberg

Was der Tag mir zuträgt - Peter Altenberg


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unbedenkliche und kühne Künstler-Mensch versetzt sie in seine eigene Brust, um ihnen nicht entrinnen zu können!

      Die Frau ist die vom Schöpfer in die Welt gesetzte göttliche Wunsch-Maid Brunhilde, der "Weib gewordene" Wunsch Gottes selbst: Mann, werde Gottgleich! Werde All-gütig, All-weise und All-mächtig, deines eigenen Alls mächtig, über dich selbst die Macht habend!

      Aber diese anderen fordern: Mann, sei Tier! Teufelinnen!

      Mann, Herr des Lebens! Wann wirst du dich endlich entschließen, dich mit dem geliebten Weibe in einen anderen Kontakt zu setzen als den, welchen du mit dem Hunde, dem Paviane und dem Schweine gemein­sam zu haben die Ehre und das Vergnügen hast?!!

      Gehört die Almwiese dem Hias'l, der sie bewirt­schaftet?!

      Sie gehört dem Wanderer, der sie empfindet!

      Der Künstler-Mensch verlangt von seinem Weibe nur eine einzige Treue – – –, dass sie ihm die Rasse nicht verschandele!

      Schönheit, Vervollkommnungen träumt er. Das ist seine Liebe!

      Aber diese anderen wollen – – – sich fortpflanzen. Ha ha ha ha – – auch eine Art, Vervollkomm­nungen zu träumen!

      Ich will ein König sein, der bettelt bei einer Königin, nicht ein Bettler, der König ist bei einer Bettlerin!!

      Die Eifersucht ist keine Leidenschaft. Sie ist eine Furcht! Die tiefste Furcht, die ewige des Lebens, die unentrinnbare organische Furcht, etwas zu verlieren, ohne das man nicht mehr lebendig sein kann – – seine Lunge, sein Rückenmark, sein Gehirn, das Herz des anderen, welches unseres geworden ist und welches unseren Blutkreislauf erhält und schützt wie das eigene. Wie wenn dieses stille stünde, ist der Verlust des anderen. Die Eifersucht ist keine Leidenschaft! Die Eifersucht ist eine Furcht, die ewige organische unentrinnbare, innerlich sterben zu müssen! Eine Todesfurcht!

      Indem der Dichter das "Reich, das da kommen wird", in sich trägt und das "Reich, das da ist", erlebt, befindet er sich in Frieden mit jenen neuen Ansprüchen der Seele, welche die alten Herzen der anderen in Unruhe versetzen und zerstören. Denn die Unruhe ist die Wirkung des "Ungewissen". Der Dichter aber weiß in sich, was kommen wird!! In Ruhe wartet er und singt indessen und verkündet!

      Es gibt drei Idealisten: Gott, die Mütter, die Dichter!

      Sie suchen das Ideale nicht im Vollkommenen – – – sie finden es im Unvollkommenen.

      "Du sollst erst essen, bis du hungrig bist und schon aufhören, ehe du satt bist", ist ein tieferes, göttlicheres Gesetz als "Es soll dich nicht gelüsten nach – –" und anderes. Denn jenes macht diese entbehrlich. In ihm liegt die Kraft, die Ruhe, die Weisheit, die Wahrheit und das Glück!!

      Im Ausdrucke des Antlitzes steht es mit einfachen klaren Linien geschrieben: "Hier herrscht das teuflische überflüssige" oder: "Hier regiert die göttliche Notwendigkeit"! Mehr Dampf in einer Lokomotive erzeugen als nötig ist für ihre höchste Bewegung, ist die Tat eines wahnsinnig gewordenen Maschinenführers.

      So ist der Mensch!

      Er rast dahin den Weg des Lebens und wird zu Brei zermalmt auf seiner Strecke!

      Dein Gewand sei die Erweiterung und Fortsetzung deines Wesens über die Epidermis hinaus. Die letzte Hülle deiner Seele, die dich enthüllt! Faltenreiches weites Gewand ist das Symbol deiner Vergeistigung, deiner Immaterialisierung! Der Körper verschwindet, und es bleibt weite reiche fließende Bewegung. Weiche seidene Stoffe in tausend Plissées sind daher die wahre "englische Mode". Je mehr Bewegung ein Gewand dir gestattet, desto göttlicher ist es. Das schönste Gewand wären Flügel!

      Die Frauenseele ist bescheiden: Sie sucht Jesus Christus und Napoleon, Diogenes und Hölderlin ver­eint in einem Wesen! Diese einzige Wahrheit des noch Lüge-losen und Konzessions-freien Herzens nennen die Hunde: Backfisch-Träume!

      Der Schlaf ist der heilige Versuch der Natur, die Tages-Wunden zum Verheilen zu bringen. Den Schlaf vorzeitig unterbrechen, heißt, heilige Verbände ver­narbender Wunden wegreißen!

      Man fragte eine Mutter: "Wie erziehen Sie Ihr Töchterchen?!"

      "Ich lasse sie schlafen – –", antwortete diese Beste, Weiseste.

      Die Frau stellt in ihrer "schönen Form" das dar, was der Künstler-Mensch in seinem "schönen Geiste" zum Ausdruck bringt. Die Genialität ihres Leibes ist gleich der Genialität seines Geistes. Ihr Leib ist sein "Materie gewordener" Geist. Sein Geist ist ihr entmaterialisierter Leib. Was er "denkt", "ist" sie!

      Die überschüssigen Kräfte seiner Seele los werden können in Räuschen, in Ekstasen! Das ist die Hygiene der Herzen, welche – – an überschüssigen Kräften leiden.

      Aber die zarte Frauenseele hat nur Träume. Träume sind keine Ekstasen. Träume sind keine Räusche. Es sind die – – Träume von Räuschen! Sie kann ihre überschüssigen Kräfte nicht los werden. Sie hat keine Hygiene. Sie bleibt überladen, krank. Die Hunde aber sagen: "Hysterisches Frauenzimmer!" Das ist ihre Rache für die Ekstasen, die sie nicht bereiten – –!

      Wenn ich denke, rede ich – – – wenn ich liebe, begehre ich.

      Sonst bleibe ich ewig stumm!

      Das ist Menschentum!!

      Menschentum ist: schweigen, wenn Geist und Seele nicht sprechen! Es ist tönender, ins Wort, in Begattung sich aussprechender, sich offenbarender, sich erlösender Geist! Das Wort, das ich spreche, der Kuss, den ich gebe, sind die heiligen Geburten des Geistigen in mir zu "lebendigem Leben", zu "physischer Tat"!

      Treue ist das "Gesetz der Trägheit" der Seele.

      Ah, treue Seelen, wie treulos seid ihr eurem Werden!

      Die Frau ist ihre Sehnsucht!

      Das, was sie nicht geworden ist, ist sie!

      Dieses zweite geheimnisvolle Leben der Frau will zum Leben kommen, geboren werden, sein!

      Indem sie eine Tochter gebiert, gebiert sie ihre "Sehnsucht" zu einem "lebendigen Organismus" aus und kann zur Ruhe kommen ihrer drängenden Kräfte. Die Frau ist ein Halb-Wesen. Sie und ihr Töchterchen zusammen sind erst Eines! In dieser will sie erst sich selbst erleben, die nie lebte!

      Heilige Zwei-Einigkeit!! Der "Sehnsucht seiende" Mensch und seine "Mensch gewordene" Sehnsucht! Wehe dir, tochterlose Frau! Wo wirst du dieses ungeborne Leben "Sehnsucht" anbringen, dass es zur Welt komme?!

      Eine junge Dame sagte einmal: "Niemand versteht A. K. – – – denn jeder Satz ist schon der achte Satz."

      Die vorhergehenden sieben Sätze überlässt er uns! So eine Achtung hat er vor unserem Herzen, unserem Geiste. Wie mit "Mündigen des Lebens" verkehrt er mit uns. Wie ein Kapellmeister der Hof-Oper mit seiner Künstlerschar. Bescheiden sitzen sie an ihren Pulten, blicken vertrauensvoll hin und verstehen seine Intentionen.

      Aber mit euch müsste er reden wie mit Schulbabys: "a, a, a, a, b, b, b, b.

       Sehet! Wenn man mir am Klaviere die sieben Noten anschlägt: a, f, e, gis, a, ais, h, so spüre ich das ganze Liebes-Leid Isoldens!"

      Glückliche Liebe?! Eine, die das Unglück hat, dass ihr der "heilige Weg" durch ein Ziel abgeschnitten wird.

      Unglückliche Liebe?! Eine, die das Glück hat des "ewig Wandernden zur Sonne".

      Auch Bewegung ist ein Rasten – – vom Rasten!

      Auch die Dissonanz hat ihre Idee! Ihre Idee ist die Sehnsucht nach Erlösung in der Konso­nanz. Konsonanz?! Eine Dissonanz, die ihre Idee verloren hat.

      Keuschheit?!


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