Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt

Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt - Jacob Burckhardt


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sein musste. Von dem Raub und dem Einschmelzen der Statuen aus kostbarem Stoffe ist schon oben die Rede gewesen; ausserdem handelt es sich um den schändlichsten und massenhaftesten Kunstraub der ganzen Geschichte, zum Behuf der Ausschmückung einer neuen Hauptstadt. Hier ist Constantin weder Heide noch Christ – denn er beleidigte beide Religionen834 durch das Verschleppen der Götterbilder nach Byzanz –, sondern ein selbstsüchtiger Plünderer zur Verherrlichung seines eigenen Namens. Es gibt für denjenigen, welcher die alte Kunst kennt, keine schmerzlichere Lektüre als jene Verzeichnisse der durch und seit Constantin in Byzanz aufgestellten Kunstwerke835, zumal wenn man sich ihres Unterganges bei Anlass des vierten Kreuzzuges erinnert. Zwar darf man nicht immer an die wirklichen Originalien der betreffenden Tempelbilder denken, wenn zum Beispiel bei Euseb von dem pythischen und dem sminthischen Apoll, anderswo von der samischen Hera, dem olympischen Zeus u. dgl. die Rede ist, aber der Verlust eines griechischen Kunstwerkes überhaupt ist unersetzlich, und dann sind auch jene Urbilder ohnedies nicht mehr vorhanden. Die Häufung des Ungleichartigen, zum Beispiel unter den 427 Statuen vor der Sophienkirche, muss von roher und abscheulicher Wirkung gewesen sein; in einzelnen Fällen wurde auch auf ganz barbarische Weise an den Statuen geändert836, wie denn Constantin einem Apollskoloss seinen eigenen rundlichen Porträtkopf aufsetzte, damit er auf der schon früher (S. 331, 506, 508) genannten grossen Porphyrsäule prange837. Von Rom holte man unter anderm eine Anzahl Kaiserstatuen herüber; es traf sich vielleicht zufällig, dass eine des Maxentius mit darunter war und alsbald von den Heiden der neuen Hauptstadt etwas tendenziös angebetet wurde, worauf Constantin das Bild weggenommen und die Andächtigen getötet haben soll838. Bei weitem das meiste aber kam aus Griechenland und dem vordern Kleinasien. Einst hatten römische Prokonsuln und Kaiser dieselben Gegenden geplündert, und man kann es ihnen nachsehen, weil Rom und seine Kultur auf eine Ergänzung und Verklärung durch die griechische Kunst welthistorisch angewiesen war839; Byzanz dagegen will nur das Schönste verschlingen, damit die Provinzen es nicht mehr besitzen; es weiss seinen Statuen keine andere Ehre mehr anzutun als durch abergläubische Erklärungen840 und Anekdoten und durch lahme Nachahmungen antiker Epigramme.

      Wenden wir unsere Blicke von der übermütigen neuen Weltstadt zurück auf die alte.

      Einstweilen


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