Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt
– weniger wegen besonderer innerer Kräfte des nur lose zusammenhängenden Staates, dessen Oberkönig vom Trotz grosser Vasallen vielfach eingeschränkt blieb, als wegen der Natur des Landes, die einem angreifenden Heere durchaus ungünstig war. Nachdem noch der letzte König, Artaban, den Nachfolger Caracallas, Macrinus, zu einem schmählichen Frieden und zum Abzug genötigt, fiel er durch die Usurpation des Ardeschir Babekan (Artaxerxes Sassan), welcher von den alten Herrschern Persiens abstammen wollte und auch zunächst die Perser in Farsistan um sich gesammelt hatte, um an die Stelle des herrschenden Parthervolkes nach orientalischer Weise ein neues herrschendes Volk zu setzen. Aber nicht nur der Staat der alten Achämeniden, der Darius und Xerxes, samt seinen Einrichtungen176 sollte hergestellt werden, sondern auch die alte Lehre Zoroasters sollte über den parthischen Stern- und Götzendienst siegen. Die Magier, viele Tausende an Zahl, versammeln sich zu einem Konzil; durch ein Wunder wird die vorgeblich vergessene reine Feuerreligion wieder zutage gefördert, und der König wird der erste der Magier, deren Rat und Weissagung in eine wahre Mitherrschaft übergeht. Sie lassen ihm dafür den Titel eines Gottes, und zwar von dem Range der Izeds, der Diener des Ormuzd; er ist ebenbürtig mit den Sternen und darf sich den Bruder der Sonne und des Mondes nennen177. Die Christen, welche keinen Anspruch dieser Art anerkannten, erhielten in der Folge einen vielleicht noch schlimmern Stand als im Römischen Reiche, insofern hier ein dogmatischer Fanatismus herrschte, der in der römischen Vorschrift, den Kaisern zu opfern, nicht enthalten war. Es scheint, dass zur parthischen Zeit viele Christen in diese Länder geflohen waren, wo ihnen die Arsaciden vielleicht aus politischen Gründen Duldung gewährt hatten; diese alle fielen jetzt den Magiern in die Hände. Später, unter Sapor II. (310 bis 382), sollen auch die in Persien sehr mächtigen Juden, die sogar die Königin auf ihre Seite zogen, an jener grossen Verfolgung Anteil gehabt haben, welcher unter andern nicht weniger als 22 Bischöfe unterliegen mussten178.
An einer Felswand unweit Persepolis sieht man die Gräber der alten Könige von Persien in gewaltigem Maßstab, in herbem altpersischem Stil eingehauen. Die Sassaniden wollten sich diese geheiligte Stätte nicht entgehen lassen; eine Reihe von weiter unten angebrachten Reliefs stellt Szenen des Krieges, des Zeremoniells und der Jagd dar, in welchen der König als Hauptperson auftritt179. Das feindliche Römerreich scheint dazu die Künstler (vielleicht Kriegsgefangene) geliefert zu haben, wenigstens zeigen diese Bildhauereien wie die wenigen erhaltenen Bauwerke durchaus den Einfluss der sinkenden römischen Kunst. Es handelt sich hauptsächlich um ein paar im Rundbogen gewölbte Eingänge zu Felsgrotten und um die im römischen Thermenstil komponierten, in der Ausführung aber schon sehr barbarischen Paläste von Firuz-Abad und von Sarbistan, mit grossen nischenartigen Öffnungen und Kuppelräumen180. Eigentliche Tempel gab es nicht181; die Pyreen oder Feueraltäre waren der Herd des Kultus; an ihren Stufen dürfen wir in der Regel auch den König, von den Magiern umgeben, aufsuchen.
Die Orthodoxie war hier zum notwendigen Staatsprinzip geworden. Vergebens tritt der Reformator Mani, der aus der christlichen, parsischen und buddhistischen Religion ein höheres, neues Ganzes machen wollte, mit seiner Tafel voll gemalter Symbole in Persien auf; Bahram I. lässt ihn durch seine Doktoren niederdisputieren und dann lebendig schinden, die Haut aber zu allgemeiner Warnung am Tor von Djondischapur aufspannen.182 Einmal jedoch bemerkt man, dass ein König sein Geschlecht von der drückenden Magierherrschaft zu befreien sucht; Yezdegerd I. Alathim (400–421) lässt seinen Sohn Bahram-gur ferne vom Hof durch einen götzendienerischen, später zum Christentum bekehrten Araber, den Häuptling Noman von Hira, erziehen; allein der Prinz wird in der Folge nicht anerkannt, »weil er arabische Sitten angenommen habe«, und muss mit einem von den Grossen aufgestellten Gegenkönig Kesra oder Khosru im eigentlichen Sinn des Wortes um die Krone streiten. Unweit der Residenz Madain wird die Tiara der Sassanidenherrscher zwischen zwei hungrige Löwen gelegt, und es wird gefragt, welcher von beiden Thronbewerbern zuerst danach greifen dürfe? Kesra lässt dem Bahram-gur gerne den Vortritt, und dieser tötet die beiden Löwen und setzt sich sofort die Krone auf. Doch dauerte die Rechtgläubigkeit in vollem Glänze fort. Als später (491–498) der König Cobad sich dem Irrlehrer Mazdak hingegeben hatte, welcher die Gemeinschaft der Weiber und den Kommunismus predigte, gab es eine allgemeine Empörung gegen ihn, und er musste einige Zeit in dem »Schlosse der Vergessenheit« zubringen. Erst gegen die letzten Zeiten des Reiches hin lässt sich eine grosse religiöse Erschlaffung verspüren.
In politischer Beziehung ergibt sich das Bild des gewöhnlichen asiatischen Despotismus. Das Volk kann nur anbeten; wenn ein neuer König seine erste Ansprache gehalten hat183, werfen sich alle mit dem Antlitz auf die Erde und bleiben in dieser Stellung, bis der König den Befehl schickt, wieder aufzustehen. Es hat lange gedauert, bis die Demut auch im oströmischen Reiche so weit entwickelt war; noch bei Diocletian beschränkt sich die Anbetung auf das Innere des Palastes. – Die Freude des Orientalen an auffallenden Akten der Gnade und der Strafgerechtigkeit, wobei sich eine tröstliche Gleichheit vor dem Despotismus offenbart, geht auch hier nicht leer aus. Doch hat der König eine Aristokratie von ungewissem Ursprung um sich, vielleicht die Familien der von Ardeschir aus Farsistan mitgebrachten Grossen. Dieser Adel scheint sich mit den Magiern in den Einfluss bei Hofe geteilt und mehr als eine Revolution auf eigene Hand versucht zu haben; er ist es, der Bahram II. (296–301) im Einverständnis mit dem Grossmagier (dem Mobed der Mobeds) zur Nachgiebigkeit zwingt, Bahram III. wider Willen auf den Thron erhebt (301), und an Shapurs III. Zelt die Stricke durchschneidet, so dass der König unter dessen Einsturz erstickt. In manchen Thronfragen übt er jedoch seine entscheidende Macht in so günstigem Sinne, dass das Römische Reich die Perser um dieses Element ihres Staatslebens beneiden konnte; er muss nämlich für die Fortdauer der Dynastie sorgen, weil sein eigenes Ansehen auf dem Erbrecht beruht184. Wie sehr kontrastiert es mit dem wilden Kaiserwechsel, wenn die persischen Grossen nach dem Tode Hormuz' II. (310) den schwangern Leib einer seiner Frauen mit der Tiara krönen! Sie behauptete zu wissen, dass das Kind ein Knabe sein werde, und Hormuz selber hatte längst von den Astrologen erfragt, dass ihm ein grosser, siegreicher König geboren werden müsse. Der Knabe kam zur Welt, und die Grossen nannten ihn Shapur II.; sie verwalteten das Reich bis zu seiner Mündigkeit; zehnmal des Tages wurde ihm in seinem Palaste die feierliche Aufwartung gemacht. Zum Glück war es ein gewaltiger Mensch, der sich sehr frühe und selbständig entwickelte; sein Leben und seine Regierung dauerten 72 Jahre, letztere wie die Ludwigs XIV. Eine zufällige Ähnlichkeit mit diesem liegt auch darin, dass Sapor II. seinen Adel nötigte, die Landschlösser zu verlassen und sich unter seinen Augen in der Hauptstadt Madain (dem alten Ktesiphon mit Seleucia) anzusiedeln.
An gewaltsamen Thronfolgen fehlt es indes, wie bemerkt, auch nicht, obschon die Könige durch Krönung eines Prinzen bei Lebzeiten (S. 67) vorzubeugen suchten. Die Grossen und vielleicht auch die Magier nahmen öfter innerhalb des Sassanidenhauses für verschiedene Prinzen Partei; auch anerkannte Könige fürchteten eine Usurpation von Seiten der Ihrigen. Hormuz I, um seinem Vater Shapur I. einen Verdacht dieser Art zu benehmen, schickt ihm (mit echt orientalischer Übertragung des Symbolischen in die Wirklichkeit) seine abgehauene rechte Hand; der Vater nimmt jedoch diese edelmütige Erklärung der Thronunfähigkeit nicht an.
Die Regierung im Innern ging offenbar mit höhern Mitteln nach höhern Zielen als früher die der stets roh gebliebenen Parther. Von mehrern Sassanidenkönigen werden jene Wohltaten berichtet, welche jederzeit das Ideal eines orientalischen Fürsten ausgemacht haben: Schutz des Ackerbaues, Bewässerungsanstalten, gleichmässige Rechtspflege, Gesetzbücher, Nutzbauten und Prachtbauten, wenigstens an den grossen Königsstrassen, neue Städteanlagen, Mäzenat gegen Gelehrte und Künstler