Butler Parker 157 – Kriminalroman. Günter Dönges
die Wirkung eines auskeilenden Pferdes, falls Mylady sich veranlaßt sah, diesen Glücksbringer einzusetzen. Sie handhabte den Pompadour, der an langen Lederriemen am linken Handgelenk hing, mit außerordentlicher Kraft und Geschicklichkeit. Da sie dem Hobby des Sportbogenschießens und dem Golf huldigte, war ihre entsprechende Muskulatur sehr gut ausgebildet.
An all das dachte Parker natürlich nicht, als er die Treppe hinaufstieg. Anhand der Namensschilder am Klingelbrett hatte er sich kurz orientiert und wußte, wo Hank Hasker wohnte. Man mußte in die zweite Etage. Im Treppenhaus roch es penetrant nach Feuchtigkeit und frischer Farbe.
Auf dem Treppenabsatz der zweiten Etage entdeckte der Butler den Grund für diesen fast beleidigenden Geruch. In einer Ecke standen Eimer und Kübel, waren Farbrollen und Blechkanister abgestellt worden. Man war dabei, das Treppenhaus zu streichen, doch die betreffenden Handwerker waren weit und breit nicht zu sehen.
Parker legte seinen schwarz behandschuhten Zeigefinger auf den Klingelknopf und trat abwartend zurück, obwohl er von Pickett erfahren hatte, daß der Lastwagenfahrer nicht in seiner kleinen Wohnung war. Parker wußte, daß man Lady Simpson und ihn beobachtete, spielte die von ihm erwartete Rolle also erst mal durch.
»Mr. Hasker scheint nicht zu Hause zu sein, Mylady«, meldete er nach wenigen Augenblicken.
»Sehr schön«, freute sich die ältere Dame, »Sehen Sie nach, ob dieses Subjekt die Tür wirklich geschlossen hat, Mr. Parker. Es kann ja sein, daß er etwas nachlässig war.«
»Wie Mylady befehlen.« Parker holte sein Patentbesteck aus einer Tasche seines Zweireihers und unterhielt sich auf seine Weise kurz mit dem an sich recht guten und komplizierten Schloß. Es ging sofort auf seine Vorstellungen und Anregungen ein und öffnete sich willig. Parker drückte mit der Spitze seines Regenschirmes das Türblatt auf und horchte in die Wohnung.
»Einem Nähertreten, Mylady, dürfte nichts im Weg stehen«, sagte er dann und trat zur Seite. Seine Herrin nickte und stürmte förmlich in die Wohnung. Sie brannte darauf, sich mit dem Kidnapper gründlich zu unterhalten. Parker folgte, zog hinter sich die Tür zu, wartete einen Moment und öffnete dann wieder. Er blieb neben der benachbarten Tür stehen, und es dauerte nur Sekunden, bis sie geöffnet wurde.
Hank Hasker erschien auf der Bildfläche und war sich seiner Sache völlig sicher. Er hielt eine schallgedämpfte Automatik in Händen und pirschte an die Tür zu seiner Wohnung. Er legte das Ohr gegen das Türblatt, zog dann einen Schlüssel aus der Hosentasche und sperrte vorsichtig auf. Er rechnete fest damit, Lady Simpson und Butler Parker überraschen zu können. Er kam nicht auf den Gedanken, sich umzuwenden. Parker stand genau hinter ihm und hatte seinen Universal-Regenschirm bereits gehoben. Der Butler wollte sich auf nichts einlassen und keine Möglichkeit geben, einen Schuß abzufeuern. Daher verzichtete Parker auch darauf, sich in seiner höflichen Art bemerkbar zu machen. Sicherheit hatte jetzt Vorrang.
Parker klopfte bei Hank Hasker kurz an.
Der Kidnapper blieb wie versteinert stehen, ließ einen tiefen Seufzer vernehmen und schraubte sich dann nach unten zu Boden. Bevor er auf ihm landete, wurde er von Parker aufgefangen. Dabei nahm der Butler die gefährliche Schußwaffe an sich, klopfte noch mal an, doch diesmal bei Lady Simpson, die in Haskers Wohnung gewartet hatte. Sie öffnete die Tür, faßte den Breitschultrigen am Kragen und zerrte ihn in die Wohnung. Dabei funkelten ihre Augen unternehmungslustig.
Parker horchte nach unten ins Treppenhaus und hörte leise, schnelle Schritte.
Die beiden Profis waren demnach bereits in Anmarsch. Sie hatten die Teestube verlassen und wollten Hasker Hilfestellung geben. Parker war bereit, wieder mal zu improvisieren und sie entsprechend zu empfangen. Dicht neben ihm standen ja einige Gegenstände, die man zweckentfremdend einsetzen konnte...
*
Der erste Profi färbte sich rosa.
Butler Parker hatte einen der Farbkübel nach unten geschickt und dafür gesorgt, daß die Binderfarbe während des Fluges den Behälter bereits verließ. Klatschend landete der Farbguß auf dem Kopf des völlig verdutzten Mannes und verschloß ihm die Augen.
Der zweite Profi wollte sich blitzschnell absetzen und die Flucht ergreifen, doch Parker, der mit dieser Reaktion gerechnet hatte, arbeitete mit einem gewissen Vorhaltewinkel und nickte andeutungsweise, als die Farbe aus dem zweiten Kübel genau im Gesicht des Flüchtenden landete. Der zweite Profi hatte nämlich prüfend nach oben geblickt und so sein Gesicht zur Landefläche der Farbe förmlich angeboten.
Es handelte sich um weiße Binderfarbe.
Der Mann wischte sich verzweifelt durch’s Gesicht, weil auch er nichts sehen konnte. Dabei kollidierte er mit seinem Partner, der sich ebenfalls mit seinen Augen befaßte. Sie behinderten sich gegenseitig, rutschten auf der Farbe aus und hielten sich krampfhaft aneinander fest. Dabei vermischten sich beide Binderfarben und schufen ein interessantes pinkfarbenes Muster.
Keiner der Profis war in der Lage, Gebrauch von der Schußwaffe zu machen. Man saß inzwischen auf dem schlüpfrigen Boden, versuchte aufzustehen und landete doch immer wieder auf dem Boden des Treppenabsatzes. Parker konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, Augenzeuge eines eigenwilligen Balletts zu sein. Nach einigen recht gewagt wirkenden Tanzschritten verloren die Profis allerdings an Konzentration und trudelten übereinander die Treppe hinab. Für den Butler war damit die private Vorstellung beendet. Er klopfte an und bat um Einlaß. Seiner Schätzung nach beeilten die beiden Kerle sich jetzt, in ihren Wagen zurückzukommen, um den Schauplatz der Panne schleunigst zu verlassen. Horace Pickett, jetzt auf der Seite des Rechts, würde die beiden Männer wie geplant verfolgen.
Lady Agatha öffnete und lächelte in einer Art, die man nur als boshaft bezeichnen konnte.
»Dieser Lümmel wollte mich angreifen«, sagte sie, »das muß man sich mal vorstellen, Mr. Parker. Er wollte eine wehrlose Frau attackieren.«
»Mylady verbaten sich diesen Versuch?«
»Worauf Sie sich verlassen können.« Sie nickte. »Dieser Lümmel fingert jetzt an seinem Unterkiefer herum ... Aber kommen Sie, Mr. Parker, sehen Sie sich das an!«
Parker folgte seiner Herrin in einen kleinen, unaufgeräumten Wohnraum, dessen Mobiliar mehr als nur gebraucht und zusätzlich noch verschlissen war. Hank Hasker saß vor einem Polstersessel und beschäftigte sich voller Hingabe mit seinem Unterkiefer. Er blickte scheu und ärgerlich zu Lady Simpson, zog die Beine an und hob abwehrend die rechte Hand.
»Stop, Lady«, sagte er mühsam und nuschelnd, »ich hab’ die Schnauze voll. Mir reicht’s.«
»Wagen Sie es nicht noch mal, mich schlagen zu wollen«, drohte die ältere Dame, »das heißt, von mir aus können Sie es ruhig erneut versuchen. Ich warte nur darauf!«
»Mir reicht’s«, wiederholte Hasker.
»Sie haben sich eindeutig Myladys Unwillen zugezogen«, schickte Josuah Parker höflich voraus, »Sie sollten alles tun, Mylady wieder versöhnlich zu stimmen.«
»Bin ich ein blöder Hund«, nuschelte Hasker, »wieso hab’ ich mich auf sowas eingelassen.«
»Mylady will in Erfahrung bringen, von wem Ihre sogenannte Arbeitskraft gekauft wurde«, sagte Josuah Parker.
»Vom Henker«, kam prompt die Antwort, »ob Sie’s glauben oder nicht, vom Henker!«
»Und was stelle ich mir darunter vor?« fragte die Detektivin.
»Keine Ahnung, Lady«, antwortete Hank Hasker recht undeutlich, was eindeutig mit seinem leicht verrenkten Unterkiefer zu tun hatte, »ich weiß nur, daß er der Henker heißt.«
»Und in welcher Form nahm dieser Henker Kontakt mit ihnen auf?« lautete Parkers nächste Frage.
»Der hat mich hier angerufen«, entgegnete Hasker prompt, »er wollte mich angeblich aus dem ›Einhorn‹ kennen.«
»Dabei handelt es sich wohl um einen Pub, nicht wahr?«
»Hier am Ende der Straße«, bestätigte Hasker, »hören Sie, ich sollte die Kleine nur zu ’nem Treff