VERLIEBT IN DAS LEBEN. Osho
zwei Knaben.
Als Zarathustra aber allein war, sprach er also zu seinem Herzen: „Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch nichts davon gehört, dass Gott tot ist!“
Dies ist etwas, dass jeder verstehen muss, der auf der Suche nach Wahrheit ist, auf der Suche nach Religiosität, auf der Suche nach spirituellem Wachstum: dass Gott nur eine Hypothese ist. Der Satz: „Gott ist tot“, ist nur eine Möglichkeit dies zum Ausdruck zu bringen. Gott hat nie gelebt. Nur um die Neugier des Menschen zu befriedigen, haben schlaue Köpfe die Gottesfantasie erfunden. Gott ist keine Offenbarung, sondern nur eine Fantasie, und zwar eine, die man euch seit Urzeiten durch Erziehung eingebleut hat. Aber in seinem Herzen sagte er: „Sollte es denn möglich sein, dass so ein wunderbarer alter Mann, der Lieder macht und singt, der mit den Vögeln und Bäumen und Tieren in seiner Einöde lebt, noch nichts davon gehört hat, dass Gott tot ist? – dass er noch immer beteuert, Gott zu lieben?“
Ich bin völlig einer Meinung mit Zarathustra und Friedrich Nietzsche. Nur drücke ich mich anders aus. Ich würde sagen: Gott hat nie gelebt. Es hat Gott nie gegeben.
Gott ist eine Ausgeburt der Angst oder der Habgier oder der Enttäuschung vom Leben. Gott ist die Erfindung derer, die unfähig sind, die Kunst des Lebens zu erlernen. Weil sie nicht tanzen konnten, begannen sie, das Tanzen zu verdammen. Ja, sie selber waren verkrüppelt, denn sie konnten nicht leben. Leben erfordert Wachheit, Intelligenz, Geduld, Toleranz, aber weil sie unfähig waren diese Eigenschaften in sich selbst zu entwickeln, bildeten sie sich ein, dass das Leben etwas Verkehrtes sei, worauf man verzichten müsse. Aber man kann auf etwas verzichten, wenn man durch den Verzicht etwas Größeres erhält. Also gibt es keine größere Projektion der Habgier als Gott: Entsage der Welt, dafür bekommst du Gott. Entsage der Welt, dafür bekommst du das Paradies.
Das sind Fantasien von Weltflüchtigen, von Verstümmelten, von Verblödeten – von all denen, die nicht fähig waren, die Kunst der Liebe, die Kunst des Lebens zu erlernen, die nicht verstehen zu singen, die nicht verstehen zu tanzen. Natürlich: Wer nicht tanzen kann, wird das Tanzen verdammen. Wer nicht singen kann, wird das Singen verdammen. Das ist euer Verteidigungsmechanismus, um die eigene Verstümmelung zu vertuschen, die eigene Unwissenheit zu vertuschen. Gott ist die Erfindung der Unweisen, nicht der Weisen. Er ist die Erfindung von Sklaven, nicht von freiheitsliebenden Menschen.
Zarathustra hat eine ungeheure Liebe zum Leben und zu allem, was das Leben mit sich bringt. Er ist der einzige Mystiker mit einer so ungeheuren Lebensbejahung, dass kein Platz ist für irgendeine Entsagung – das Leben ist ein Geschenk der Existenz. Lernt es zu genießen. Kostet es aus! Tanzt mit den Bäumen und tanzt mit den Sternen. Liebt ohne Eifersucht. Liebt ohne Ehrgeiz. Akzeptiert alle ohne zu verdammen. Und dann braucht ihr auch keinen Gott. Und dann braucht ihr auch kein Paradies. Wir können diese unsere Erde zu einem Reich Gottes verwandeln. Unser ganzes Leben kann zum Ausdruck von Göttlichkeit werden. Ich bin absolut für Göttlichkeit – denn Göttlichkeit ist eine Eigenschaft, die man erlernen kann, herausbilden kann. Gott ist nur eine tote Idee. Je früher man sie aufgibt, desto besser, denn man vertut nur unnötig Zeit damit.
Millionen von Menschen rund um die Erde beten ohne zu wissen, dass es niemanden gibt, der ihre Gebete hört. Millionen beten zu Steingötzen. Wenn sie nicht einmal Menschen lieben können, wie können sie dann Steingötzen lieben? Aber Steingötzen sind bequem. Sie machen keine Probleme. Mit denen könnt ihr machen was ihr wollt, ihr könnt sie mit Wasser begießen oder mit Milch. Ihr könnt ihnen verfaulte Kokosnüsse opfern, und sie werden nicht einmal protestieren. Ihr könnt ihnen alles erzählen, was ihr wollt – in jeder Sprache, wahr oder unwahr –, dem Götzen ist das egal. Zur Liebe gehört der andere, um lebendig zu sein, um zu leben. Aber dann müsst ihr erst diese Kunst erlernen.
Das ist auch wieder so eine Dummheit: dass keine Universität der Welt den Menschen die Kunst zu leben, die Kunst zu lieben, die Kunst zu meditieren beibringt. Und für mich stehen Liebe, Leben, Meditation, Lachen weit über allem anderen. Du magst ein großer Chirurg sein, du magst ein großer Ingenieur sein – trotzdem brauchst du einen Sinn für Humor, trotzdem brauchst du die Kunst zu lieben, trotzdem brauchst du die Kunst zu leben, trotzdem wirst du auf all diese großen Werte in deinem Leben angewiesen sein.
Aber hört und staunt: Genau diese Dinge – Liebe, Leben, Lachen – lehre ich, und als Hintergrund zu alledem Meditation. Aber die Regierung Indiens ist nicht bereit, diese meine Schule als Bildungsinstitut anzuerkennen! Sie würde sie sofort als Bildungsinstitut akzeptieren, wenn ich Geografie, Geschichte, Chemie, Physik lehren würde – halt das Übliche.
Ich sage nicht, dass man darauf verzichten sollte, aber diese Dinge dürfen nicht die ganze Erziehung ausmachen. Sie sollten eine Vorstufe der Erziehung sein, aber jede Universität sollte auch eine Fakultät für die höhere Erziehung haben, die euch die wahren Werte des Lebens lehrt. Denn weder kann Geografie einen besseren Menschen aus euch machen, noch kann Geschichte einen besseren Liebhaber aus euch machen, noch kann euch Chemie meditativ machen. Von allem, was an den Universitäten gelehrt wird, kann euch nichts einen Sinn für Humor vermitteln. Ihr könnt nicht lachen, ihr könnt nicht tanzen, ihr könnt nicht singen. Euer Leben wird praktisch zur Wüste gemacht.
Zarathustra möchte euer Leben zum Garten machen, wo Vögel singen, wo Blumen blühen, wo Bäume tanzen, wo die Sonne mit Freuden aufgeht.
Zarathustra ist absolut für das Leben, und genau deswegen folgt ihm kaum jemand. Den Brunnenvergiftern, den destruktiven Leuten folgen Millionen. Aber dieser einzigartige Lehrer und einzigartige Mystiker, der nichts weiter lehrt als die Liebe und das Leben, hat die kleinste Religion der Welt.
Die Religion Zarathustras sollte die einzige überhaupt sein. Alle anderen Religionen sollte man auf den Friedhöfen verscharren, denn außer dem Leben gibt es keinen Gott, und außer der Liebe gibt es kein Gebet.
… Also sprach Zarathustra.
Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.
Vieles Schwere gibt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.
Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kamele gleich, und will gut beladen sein.
Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner Stärke froh werde.
Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmut wehe zu tun?
…
Oder ist es das; von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert?
Auf hohe Berge steigen, um den Versucher zu versuchen?
…
Oder ist es das: die lieben, die uns verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten machen will?
Alles dies Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kamele gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste. Aber in der einsamen Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eigenen Wüste.
Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will er mit dem großen Drachen ringen.
Welches ist der große Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heißen mag? „Du-sollst“ heißt der große Drache. Aber der Geist des Löwen sagt „ich will“..
„Du sollst“ liegt ihm am Wege, goldfunkelnd ein Schuppentier, und auf jeder Schuppe glänzt golden „Du sollst!“
Tausendjährige Werte glänzen an diesen Schuppen, und also spricht der mächtigste aller Drachen: „Aller Wert der Dinge – der glänzt an mir.“
Aller Wert ward schon geschaffen, und aller geschaffene Wert – das bin ich. Wahrlich, es soll kein ‚Ich will‘ mehr geben!“
Also spricht der Drache.
Meine