Butler Parker Staffel 11 – Kriminalroman. Günter Dönges
»Schließen Sie gefälligst die Tür«, war in diesem Moment die Stimme von Mylady zu hören, grollend und empört. »Wollen Sie, daß ich mich erkälte?«
Agatha Simpson übersah souverän die Revolver und griff nach dem Sherryglas.
Die beiden Männer, mittelgroß, schlank, durchtrainiert wirkend, in gutsitzenden Anzügen, waren ein we-nig perplex. Solch einen Empfang hatten sie nicht erwartet.
»Haben Sie sich die Füße abgetreten?« verlangte Mylady jetzt zu wissen.
»Moment mal, alte Dame«, sagte einer der beiden Männer empört, »wir sind hier am Drücker!«
»Und zwar verdammt nahe«, fügte der zweite Mann hinzu und hob drohend seinen Revolver. »Es passiert gar nichts, wenn wir den Report bekommen.«
»Und zwar ein bißchen schnell«, schloß der erste Mann.
»Sind Sie sicher, hier an der richtigen Adresse zu sein?« wollte Agatha wissen. Sie zeigte überhaupt keine Angst.
»Natürlich sind wir hier richtig«, lautete die Antwort. »Raus mit dem Manuskript, altes Mädchen, oder wir scheuchen euch durch das Haus, daß ihr Krämpfe bekommt!«
»Sie sind ein Flegel«, stellte die Hausbesitzerin fest.
»Bestimmt«, sagte der angesprochene Mann und lachte leise hinter seiner dichten Strumpfmaske. »Also, wo ist der Sex-Report?«
»Wer hat Ihnen gesagt, daß ich dieses Manuskript habe?«
»Mandy Saxon. Reicht das als Stichwort?«
»Man scheint Sie auf den Arm genommen zu haben, junger Mann.« Agatha Simpson nahm einen genieße-rischen Schluck aus dem Sherryglas. »Wissen wir etwas von einem Manuskript, Kathy?«
Sie sah zu ihrer Gesellschafterin hinüber, die verständnislos die Schultern hob.
»Genug!« Der erste Profi wurde leicht ärgerlich. »Sie haben genau eine Minute Zeit, sich den Fall zu über-legen.«
»Miß Saxon behauptet, ich hätte ihren Sex-Report?« vergewisserte sich Agatha Simspon noch mal und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Als wir auf die Tube drückten, wurde sie sehr weich«, stellte der zweite Profi fest, »und Sie werden es auch werden, wenn wir den Report nicht bald haben.«
»Sie würden sich an einer Frau vergreifen, die wehr- und hilflos ist?« wunderte sich die Detektivin.
»Worauf Sie Gift nehmen können, Mädchen! Also, wie sieht es nun aus? Die Minute ist gleich um.«
»Sie würden es tatsächlich wagen, sich an mir zu vergreifen?« wollte Mylady genau wissen.
»Warten Sie’s ab, Mädchen! Sie werden sich wundern.«
»Was sagen Sie dazu, Kindchen?« Agatha Simpson wandte sich etwas irritiert an Kathy Porter.
»Sie sollten das Manuskript vielleicht doch herausgeben«, schlug Kathy ängstlich vor. Sie deutete dabei auf einen Schnellhefter, der auf dem kleinen Beistelltisch lag.
Natürlich handelte es sich dabei nicht um den gesuchten Sex-Report, sondern um einen Geschäftsbericht, den Agatha Simpson eingehend studiert hatte.
»Ich weiche der Gewalt«, stellte die Detektivin prompt fest und griff nach dem Schnellhefter. »Und schließen Sie die Tür, wenn Sie wieder gehen!«
Sie griff nach dem Schnellhefter, und reichte ihn dem ersten Maskierten, der ein wenig zu naiv und ah-nungslos auf Mylady zuschritt und seine Hand nach dem Schnellhefter ausstreckte.
Bruchteile von Sekunden später kam er sich etwas behindert vor.
Agatha Simpson hatte ihm den Rest des Sherrys auf die Strumpfmaske geschüttet, worauf der Mann nicht mehr viel sah. Bevor er sich von seiner Überraschung erholte, trat die Lady ihm äußerst unfein, aber nachhal-tig gegen das linke Schienbein, worauf der Mann heulte wie ein Hund.
Doch damit nicht genug.
Agatha Simpson fühlte sich äußerst angeregt und knallte ihm die Kristallkaraffe, in der sich der Sherry be-fand, auf die revolverbewehrte Hand.
Die Karaffe überstand diesen Gewaltakt, nicht aber die Mittelhandwurzelknochen des Gangsters. Sie knirschten diskret und gerieten etwas in Unordnung. Eine spätere Röntgenaufnahme bewies dann, daß sie leicht angebrochen waren.
Der Gangster war deutlich frustiert, als sein Revolver auf dem echten Perser lag.
Er bückte sich und wollte die Waffe aufheben. Wahrscheinlich beabsichtigte er, anschließend auf Mylady zu schießen. Dies befürchtete zumindest Agatha Simpson, die nach wie vor sehr angeregt wirkte.
Sie nahm den schweren Aschenbecher und setzte ihn auf der Stirn des Mannes nachdrücklich ab. Darauf-hin spielte dieser maskierte Gangster nicht mehr weiter mit. Wahrscheinlich nahm er übel. Er stierte seine Gegnerin für Bruchteile von Sekunden anklagend an und wurde dann ohnmächtig.
Der zweite Gangster war inzwischen ebenfalls beschäftigt.
Er war so leichtsinnig gewesen, das scheue Reh Kathy Porter zu übersehen. Dieses attraktive, aber sicht-lich zurückhaltende Mädchen stellte in seinen Augen keine Gefahr dar. Er wartete auf die Möglichkeit, sich mit Mylady zu befassen.
Als er dann auf die Gesellschafterin aufmerksam wurde, war es für ihn bereits zu spät.
Agatha Simpson nickte beifällig, als Kathy Porter den ersten Maskierten geschmeidig wie eine Pantherkat-ze ansprang und ihm ihre Handkante auf den Hals setzte.
Der Maskierte grunzte ein wenig überrascht und riß seine bewaffnete Hand herum.
Ein zweiter Handkantenschlag machte ihn wehr- und waffenlos. Kathy Porter war nicht mehr wiederzuer-kennen. Sie hatte sich in eine kompromißlose Karatekämpferin verwandelt, die kein Erbarmen kannte.
Wozu sie übrigens auch keinen Grund hatte, denn der Gangster hatte sich inzwischen von seiner ersten Überraschung erholt und wollte die junge Dame mit einem Fausthieb zu Boden schicken.
Kathy wartete genau den richtigen Zeitpunkt ab.
Als die sie verfehlende Faust dicht an ihrem hübschen und ausdrucksstarken Gesicht vorbeizischte, griff sie beherzt zu und veranlaßte den Gangster, einen Salto zu drehen.
Der Mann mußte ihr diesen Gefallen notgedrungen erweisen. Er landete krachend auf dem Rücken, rap-pelte sich noch mal hoch und marschierte erneut auf Kathy los, diesmal allerdings wesentlich langsamer und vorsichtiger.
Er schaffte es nicht, bis an Kathy Porter heranzukommen.
Lady Simpson konnte es wieder mal nicht lassen. Wie gesagt, sie fühlte sich ungemein angeregt und muß-te einfach eingreifen, wenn sie nicht ersticken wollte. Solch eine günstige Gelegenheit ließ sie sich nie entge-hen.
Sie hatte schon ihren Pompadour in der Hand, den sie dann auf die Luftreise schickte. Der Glücksbringer darin, nämlich das echte Hufeisen, dröhnte gegen den Hinterkopf des Gangsters, der sofort einknickte und sich dann über seinen Partner legte.
»Schrecklich und amüsant zugleich, diese Störungen«, stellte Agatha Simpson fest. »Was machen wir jetzt mit diesen beiden Individuen, Kindchen? Ob Mister Parker sie sehen möchte?«
»Bestimmt, Mylady«, gab Kathy Porter lächelnd zurück.
»Dann schaffen Sie diese Flegel weg«, bat die Detektivin. »Sie passen einfach nicht hierher in den Salon, sie wirken deplaziert.«
Die Lady sah auf die beiden schlafenden Gangster hinunter und ließ sich dann wieder in ihren Sessel nie-der. Für sie war dieser Zwischenfall bereits erledigt. Sie widmete sich wieder der Zigarre und einem neuen Sherry.
*
»Sie verlangten das Manuskript von Ihnen, Miß Saxon?«
Josuah Parker war ins Haus zurückgekehrt und wunderte sich sichtlich.
»Sollte