Die vierzig Tage der Lagune. Erik Nolmans

Die vierzig Tage der Lagune - Erik Nolmans


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       ERIK NOLMANS

      DIE VIERZIG TAGE DER LAGUNE

       Impressum

      © 2019 Münster Verlag GmbH, Basel

      Alle Rechte vorbehalten.

      Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden, insbesondere nicht als Nachdruck in Zeitschriften oder Zeitungen, im öffentlichen Vortrag, für Verfilmungen oder Dramatisierungen, als Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen oder in anderen elektronischen Formaten. Dies gilt auch für einzelne Bilder oder Textteile.

Umschlagsgestaltung: Wernie Baumeler, Art Director BILANZ
Umschlagsbild: Alamy
Satz: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld
Druck und Einband: CPI books GmbH, Ulm
Verwendete Schriften: Adobe Garamond Pro, Copperplate
Papier: Umschlag, 135g/m2, Bilderdruck glänzend, holzfrei; Inhalt, 90g/m2, Werkdruck bläulichweiss, 1,75-fach, holzfrei

      ISBN 978-3-907146-50-7

      eISBN 978-3-907146-84-2

      Printed in Germany

       www.muensterverlag.ch

       «Denn er wusste, was dieser frohen Menge unbekannt war und was in den Büchern zu lesen steht: dass der Pestbazillus niemals ausstirbt oder verschwindet (…) und dass vielleicht der Tag kommen wird, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und erneut aussenden wird, damit sie in einer glücklichen Stadt sterben.»

      Albert Camus, Die Pest, 1947

      Inhalt

       Kapitel I

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel II

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel III

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel IV

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Dank

Kapitel I.

      I.

      1.

      Ich löse meine Hand vom Bootsrand und senke sie ins kalte Wasser der Lagune. Ich will mir den Schmutz von den Fingerkuppen waschen, immer wieder habe ich die Nägel ins aufgeweichte Holz meines Sitzes gekrallt, auf dem langen Weg durch die Untiefen der Palude di San Giacomo. Nun, in der breiten Fahrrinne, zieht das Wasser in Richtung Meer, unser Boot stemmt sich dagegen. Eine lange Reihe von Markierungspfosten, im Dunkel der Nacht verschwindend, weist uns den Weg. Faulendes Seegras klebt an den Pfählen, Plastikflaschen haben sich darin verfangen, braun vor Dreck. Der Gestank der modernden Pflanzen mischt sich mit den Ausdünstungen des verfallenden Körpers hier vor mir. Jedes Mal, wenn das Boot schwankt, entweicht der Leiche eine Wolke säuerlicher Luft und zieht zu mir herüber. Der Geruch hält Filiberto nicht davon ab, ununterbrochen das Gesicht seines toten Bruders zu küssen; er küsst ihn überall, auf die Stirn, die Wangen, ja sogar auf die verkrusteten Mundwinkel.

      Mir ist speiübel, ich nehme die Hand wieder aus dem Wasser und halte sie vor Nase und Stirn. Gunther rudert wie verrückt, sein Oberkörper glänzt vor Schweiss. Er ist der Kräftigste von uns fünf; mit grimmiger Miene zieht er die Riemen, er pflügt das Wasser fachgerecht, wir kommen schnell voran.

      Vitus hat sich im Bug platziert. Die Holzskulptur hält er seltsam verkrampft umklammert. Er drückt sich mit den Beinen steif gegen den Sitz, er kann sich nicht richtig festhalten, weil seine Hände nicht frei sind. Warum wirft er das Ding nicht einfach ins Wasser? Es ragt weit hinauf in den Nachthimmel, prahlerisch fast, ein unnötiges Risiko, man könnte uns entdecken, verdammt noch mal!

      Die Schnallen seiner Samtschuhe kratzen an den Metallverstärkungen des Rumpfes. Er sieht lächerlich aus, mit seinem dreckverschmierten Umhang, seinem goldbestickten Gilet, seinen weissen Seidensocken. Die Ärmel seines Hemdes sind zerrissen und braun von der Rinde des Baumes, aus dem er die Skulptur letzte Nacht geschnitzt hat.

      Filiberto wird immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt: «Maurizio, mio caro fratello», schluchzt er in einem fort. Wenn er doch nur das Gesicht des Toten endlich in Ruhe lassen könnte!

      Einzig Luciano, der neben mir im Heck sitzt, ist völlig ruhig. Mit verkniffenem Mund blickt er geradeaus. In regelmässigen Abständen knirscht er mit den Zähnen – ich höre es deutlich, er muss seinen Zahnschmelz regelrecht zermalmen.

      Das Schwierigste liegt noch vor uns. Wie wollen wir die Insel unerkannt erreichen? Und dann über die Mauer gelangen, mit dem toten Maurizio?

      Wir müssten es einfach schaffen, hatte Filiberto gesagt, seit Generationen würden die Mitglieder


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