Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren

Die großen Western Staffel 4 - Diverse Autoren


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      Lee näherte sich den drei Eichen. Er hatte auf einmal ein seltsames Gefühl. Ihn drängte es zu den Eichen. Ihm ging es gar nicht um den Schaden, den der Blitz angerichtet haben könnte.

      Die Eichen standen in einer flachen Senke, ragten aber hoch empor. Und am Rand der Senke war ein Grab. Mit einem schlichten Holzkreuz. Benjamins Grab. Er war sicherlich schon zu Erde geworden, doch seine Seele lebte weiter –?in Maverick und Lee. Und weil das so war, blieb auch die Erinnerung an Omaha lebendig.

      Obwohl das Essen in den Behältern möglichst schnell zu den Männern gebracht werden mußte, machte Lee den kleinen Umweg und hielt auf die Eichen zu. Der Stamm war gespalten und angekohlt.

      Plötzlich sah Lee ein Sattelpferd.

      Es stand mit hängenden Zügelenden unter den Bäumen. In den Scabbards steckten Winchester und

      Sharps. Der Sattel war leer. Dahinter lagen zusammengerollt Decke und Wettermantel.

      Mit steifen Bewegungen saß Lee ab.

      Langsam ging er um die Senke und näherte sich Bens Grab.

      Dort stand ein großer Mann, den alten Stetson in der Hand. Er kehrte Lee den Rücken.

      Ein paar Schritte hinter ihm blieb Lee stehen. Die Freude stieg ihm bis zum Hals hinauf. Er schluckte und konnte erst kein Wort hervorbringen.

      Da sagte Maverick: »Die Jagd ist aus, Lee.«

      »Ja«, sagte Lee klanglos. »Dein Telegramm…«

      Maverick wandte sich dem Bruder zu. Sie ähnelten einander sehr. Jeder sah in dem anderen sich selber. Nur war Mavericks Gesicht rauher und zerfurchter. Ein Hauch von Verwahrlosung umgab ihn –?und derAtem der Wildnis umwehte ihn, als wäre er zeit seines Lebens ein verlorener Reiter.

      Sie gingen aufeinander zu und umarmten sich.

      Und jeder roch beim anderen die andere Seite des Lebens.

      Als sie sich trennten, ging Maverick zu seinem Pferd und holte den Whitneyville Walker Colt hervor.

      »Du hast den einen, Lee. Jetzt nimm auch diesen. Und gib sie Willobie.«

      »Willst du nicht auf die Farm kommen, Maverick? Zu Arlene und Cal?«

      »Noch nicht, Lee. Ich möchte noch eine Zeitlang allein sein. Ich reite nach Sundance Corral. Du weißt, warum. Sag ihnen, daß es mir gutgeht.«

      *

      Mittag in Cottonfield.

      Donovan Fairbanks beugte sich aus dem Hotelfenster.

      Mit ausdruckslosen blauen Augen beobachtete er, wie einige Männer den vorbeirumpelnden Leichenkarren begleiteten.

      Spöttisch verzog er den Mund, kaute auf dem Zigarillo und betrachtete die vier Särge. Drei sahen eher aus wie schlichte längliche Kisten. Einer erinnerte wenigstens an einen richtigen Sarg.

      Auch Town Marshal Will O’Bowie folgte dem Karren, der von zwei Maultieren gezogen wurde.

      Zunächst rollte der Karren bis an den Bootshill heran. Dort zogen vier Männer nacheinander die drei Kisten von der Ladefläche und setzten sie ziemlich unsanft ab.

      Dann rollte der Karren mit dem einen Sarg zum Friedhof, der ein ganzes Stück vom Stiefelhügel entfernt lag.

      Im Beisein der Trauergäste wurde der Postreiter dann auf dem Friedhof beigesetzt. Anschließend folgten O’Bowie und die Totengräber dem Karren zum Stiefelhügel. Die drei Kisten wurden aufgeladen und auf den Stiefelhügel gekarrt.

      In regennasser Erde wurden die drei Killer begraben. Die Toten hatten ihre Särge und ihre Beerdigung mit dem Geld, was in ihren Taschen gefunden worden war, selber bezahlt.

      Fairbanks lächelte verächtlich.

      Auch hier in Cottonfield gab es die feinen Unterschiede zwischen guten und bösen Toten.

      »Ihr könnt mich verscharren, wo ihr wollt«, murmelte Fairbanks, kalt lächelnd, »aber die Nachwelt wird mir ein Denkmal setzen –?und wenn es neben einem Misthaufen ist.«

      Er verabscheute solche kleinlich denkenden Menschen. Ein paar solcher Typen genügten ihm, um eine ganze Stadt zu hassen.

      Hier würde er mit Sicherheit nicht lange bleiben. In einer wilden und rauchigen Dreckstadt wie Sundance Corral fühlte er sich ungleich wohler.

      Nach Sundance Corral war es ein Ritt »nur über die vielen Hügel hinweg«. Doch selbst auf einem guten Pferd war ein Mann immerhin zwei Tage lang im Sattel. Maverick C. Rooster war also eine ganze Zeitlang unterwegs – und damit verschwunden.

      Noch waren die Totengräber dabei, das große Grab zuzuschaufeln, als sich im hellen Sonnenschein mehrere Reiter der Stadt näherten.

      Fairbanks konnte sie vom Hotelzimmerfenster aus gut beobachten.

      Sie kamen durch das dampfende hohe Gras näher, hielten aber nicht auf die Straße zu.

      Es waren sechs Mann. Fünf waren noch recht jung. Der vordere Reiter wirkte schon durch seine untersetzte Gestalt wesentlich älter. Wie ein Vater mit fünf Söhnen kam er schräg von der Seite her auf die Kleinstadt zugeritten.

      Alle waren bewaffnet. Jeder besaß ein Gewehr. Vermutlich Winchester oder Spencer. Nicht jeder im Westen konnte sich solche Waffen leisten. Sie waren zu teuer.

      Fairbanks war ein erfahrener Mann. Schon von weitem sah er den Reitern an, daß sie irgendwas im Schilde führten. Nichts Gutes.

      Er wandte sich vom Fenster ab, nahm den Waffengurt vom Stuhl und schnallte ihn um, streifte die lange Jacke darüber und setzte den schwarzen Stetson auf.

      Lässig trat er auf den Gehsteig hinaus, schnippte den Zigarillo weg und lehnte sich an einen der Vordachpfosten.

      Drüben stapfte Willobie entlang, sah Fairbanks und kam über die bereits austrocknende Straße heran.

      Willobie konnte seine Bewunderung nicht ganz verbergen. Vor ihm stand ein berühmter Revolvermann. Was man sich über ihn erzählte, war nicht immer schmeichelhaft. Doch eines war sicher: Er war einer der schnellsten Gunfighter des Westens –?wenn nicht sogar der schnellste.

      Fairbanks blickte ihn freundlich an. »Wo finde ich ihn, Marshal. Es gibt hier ’ne Farm, wie ich hörte. Die gehört einem Mann namens Lee Rooster. Das ist sein Bruder, nicht wahr?«

      »Wenn Sie es schon wissen, Mr. Fairbanks? Lassen Sie doch Maverick Rooster in Ruh’. Er hat Schluß gemacht.«

      »Hat er Ihnen das erzählt?«

      »Ja. Daran ist nicht mehr zu rütteln.«

      Der Revolverkönig blickte kurz die Straße hinauf. Der Leichenkarren kam leer zurück. Die Totengräber gingen nebenher.

      »Ich weiß nicht, Marshal«, dehnte er, »ob das so einfach zu machen ist. Gleich kommen sechs Reiter in die Stadt. Die suchen bestimmt keinen Job als Baumwollpflücker. Es sei denn, sie wollen die Baumwolle mit Schüssen abernten.«

      Willobie horchte. Hufgetrappel war schon zu hören. Die Reiter zogen hinter den Häusern entlang.

      »Vielleicht haben die es auf Sie abgesehen, Mr. Fairbanks?«

      »Möglich. Dann sorge ich dafür, daß dieses Thema schnellstens vom Tisch kommt.«

      »Halten Sie mich auf dem laufenden –?wenn das noch zu machen ist«, knurrte Willobie, machte kehrt und bewegte sich scheinbar schwerfällig in Richtung Office davon.

      Er hatte gerade die Tür hinter sich zugezogen, da kamen die sechs Reiter zwischen den Häusern hervor und hielten am Straßenrand gegenüber dem Saloon.

      Fairbanks lehnte wie schläfrig am Pfosten. Eiskalt wartete er auf die Fremden, tat so, als habe er sie nicht bemerkt und blickte auf den Gehsteigrand. Doch nichts entging ihm. Er wußte jede Bewegung der Fremden richtig zu deuten. Auch wenn sie sich nicht bewegten, durchschaute er sie.

      Das


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