Hot, wet & shaking.. Trace Kaleigh

Hot, wet & shaking. - Trace Kaleigh


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in Fahrt. Durch die Gespräche mit Kund*innen dachte ich über Sex, Feminismus, Gender-Identitäten, sexuelle Fluidität, das Patriarchat und den ganzen anderen Scheiß, der unsere Beziehungen und unsere Körper beeinflusst, nach. Statt all meine Fragen an ahnungslosen Kund*innen abzuarbeiten, die eigentlich nur etwas kaufen wollten, ging ich nach Hause und hackte meine rasenden Gedanken in meinen Computer. Ich schrieb einfach alles auf, bis dieser Drang gestillt war.

      Ich startete meinen Blog „The Fucking Facts“ und jetzt bin ich plötzlich hier. Innerhalb eines Jahres hatte der Blog zu einem Buchvertrag geführt. Jetzt sitze ich hier also, leicht eingeschüchtert, und versuche meine von Gleitgel durchtränkten Gedanken zum Thema Sex zu einem Buch zusammenzufügen. Zu etwas, das irgendwie Sinn ergibt. Etwas, das für jemanden zumindest ein bisschen von Wert sein kann. Etwas, das all die konfusen und durcheinandergeratenen, starken und unerschütterlichen, neuen und aufregenden Gedanken, die ich bezüglich Sex, Feminismus und BeHinderung habe, in einem hübschen und kraftvollen Einband zusammenhält. Ich bin mir bezüglich all der Versionen meines Selbst und darüber, wo genau ich in dieser Welt der Identitäten hineinpasse, noch immer nicht sicher. Ich bin immer noch dabei herauszufinden, wie ich an diesen Punkt gekommen und von wo aus ich überhaupt gestartet bin. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wohin mich diese Reise führen wird. Aber die Hoffnung bleibt, es mit den folgenden Erzählungen herauszufinden.

      Wahrscheinlich mache ich das hier alles verkehrt herum. Ich stelle es mir so vor, dass die meisten Leute ein Buchkonzept haben, sie diese frische Idee dann einer*m Verleger*in zeigen und diese*r ihnen dann dabei hilft, das Buch fertigzustellen. Ich stattdessen hatte einen Blog und eine Verlegerin, die auf mich zukam und mir sagte, dass ich mit einem Buch schwanger sei. Dann lag es an mir, dieses Buch aus meiner Vagina zu pressen. Oder es aus meinen Fingern zu ziehen. Oder vielleicht aus meinem Kopf. Von wo auch immer Bücher herkommen (ich wünschte, ich wäre ein Storch).

      Also möchte ich das Ganze mit den folgenden Worten gleichzeitig abschließen und beginnen:

      Dies ist mein erster Versuch.

      Bitte sei rücksichtsvoll mit mir.

      Ich werde versuchen ehrlich zu sein.

      Ich werde versuchen nett zu sein.

      Ich werde auf jeden Fall versaut sein (und das auf die beste Art und Weise).

      EIN SACK VOLLER SCHWÄNZE

      Es macht etwas mit dir, wenn du anfängst in einem Sexshop zu arbeiten. Wenn Sex zu deinem täglich Brot wird, vergisst du eventuell, dass dieses Thema für andere Leute immer noch ein Tabu ist. Deine Grenzen verschieben sich, dein Empfinden davon, was als „normal“ gilt, verändert sich für immer. Es passieren Dinge, von denen du niemals geglaubt hast, dass sie dir widerfahren könnten: Plötzlich erwischst du dich dabei, wie du deiner Großmutter queeren Sex erklärst; du erörterst mit einer fremden Person im Bus ganz beiläufig die heilende Wirkung von Orgasmen. Du empfindest kaum Unbehagen, während du langsam aber sicher in das Reich der Spinner abtauchst. Und irgendwann fühlst du dich dort immer wohler, denn an diesem Ort sind soziale Normen nicht mehr verbindlich. Um dahin zu kommen, muss man allerdings den einen oder anderen holprigen Umweg in Kauf nehmen…

      Ich bin spät dran. Ich bin eigentlich fast immer spät dran. Das ist, glaube ich, einfach eine Begleiterscheinung, wenn du ein*e klassische*r, überarbeitete*r Typ 1 Streber*in bist. Ich bin spät dran und ich mache dabei alles gleichzeitig. Das ist unvermeidlich. Wenn du zu den Personen gehörst, die am liebsten auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen, musst du zwangsläufig lernen, Dinge parallel zu tun. Du erledigst mehr, wenn du alles gleichzeitig tust. So lautet zumindest die Theorie, die ich derzeit gründlich einem Praxistest unterziehe. Es ist also zum Wohle der Wissenschaft, dass ich während des Einkaufs auf dem Weg zur Arbeit ein Telefonat führe und dabei in meinem Terminplaner nachsehe, was ich eigentlich später mache und wo ich genau hin muss. All das dient einem Experiment, bei dem ich versuche, meine Effizienz zu steigern.

      Ich würde das Telefon ja ablegen, wenn ich könnte. Zu telefonieren, während du in der Schlange an der Kasse stehst, ist in meinen Augen der Inbegriff von einem Arschloch. Als wäre die Person, die mich anruft, kein Mensch und bedürfte daher auch nicht meiner vollen Aufmerksamkeit. Als interessierten sich die Leute hinter mir einen Scheiß für meine Sicht auf diese gerade ungünstige Konversation, die sie gezwungen sind mit anzuhören. Genau jetzt ist dieses Telefonat allerdings unvermeidlich. Ich sagte ja, ich „führe ein Telefonat“; tatsächlich aber gebe ich einfach nur brummende „Mmhm“ von mir. Ich kann sowieso nicht viel mehr einwerfen. Am anderen Ende der Leitung ist mein wohl neurotischster Freund Jason – ihn jetzt abzuwürgen, wäre ungefähr so wie eine leere Rolle Toilettenpapier zu hinterlassen oder den Tacker nicht aufzufüllen oder einen Haufen Speisereste ins Auffangsieb des Spülbeckens zu kippen. Es wäre eine dieser Kleinigkeiten, die ihn derart verärgern würden, dass ich am besten versuche, sie zu vermeiden. Er ist gerade dabei, mir eine bemerkenswert detaillierte Beschreibung seines zweiten Dates mit einer Frau zu geben, die er schon seit Monaten rumzukriegen versucht, und diese Geschichte durchzukauen, scheint für ihn von wesentlicher Bedeutung, um seine Ängste zu lindern. War das ein Zeichen, als sie sagte, sie „liebe seine Kochkünste“? Sollte er ihr noch heute zurückschreiben oder lieber zwei Tage warten, um nicht allzu bedürftig zu wirken? War das eine versteckte Botschaft, als sie ihm sagte, ihre Nagellackfarbe heiße „Killer Flirt“?! Er erwartet nicht von mir, dass ich auf diese Fragen antworte. Er muss sie einfach nur mal laut aussprechen. Trotz meiner sozialen Sensibilität führe ich dieses Telefonat Jason zuliebe weiter. Ich brumme „Mhm“ und „Oh“ und gebe so generell Zustimmung, während ich meinen Einkauf aufs Band lege.

      Immerhin sehe ich heute gut aus. Ich habe mir heute Morgen die Zeit genommen, um mir die Zähne zu putzen und Deo aufzutragen. Außerdem unterrichte ich heute Abend einen Fellatio-Workshop und gebe mir deshalb größte Mühe, wie eine erwachsene Frau zu wirken, die weiß, was sie tut. Und wenngleich das meistens der Fall ist (also, dass ich weiß, was ich tue), sehe ich nicht immer danach aus, zum Beispiel, wenn meine Haare verfilzt sind und ich mein T-Shirt verkehrt herum trage. Aber heute ist das anders. Meine Zähne sind sauber und meine Haare gekämmt. Ich trage Lippenstift, der bisher (so hoffe ich) noch nicht meine strahlend weißen Zähne verschmiert hat. Ich bin eine Frau. Ich bin Blowjob-Expertin. Ich habe alles unter Kontrolle.

      Abgesehen von der Tatsache, dass ich mein Portemonnaie nicht finden kann, mir gerade meine Schlüssel runtergefallen sind und mich der Teenie-Kassierer ungeduldig anstarrt, während ich versuche zu bezahlen und gleichzeitig Platz zu machen für die Kundin hinter mir. Eine Frau mit Kind, die mich ebenfalls missmutig und genervt beobachtet. Ich halte hier gerade alle auf. Ich wünschte, ich könnte dieses blöde Telefonat endlich beenden.

      Und da passiert es. Ich stehe in der Schlage mit gefühlt 100 frustrierten Menschen hinter mir und einem genervten Teenager vor mir, der mich anstarrt und darauf wartet, dass ich endlich bezahle, als ich einen riesigen, weißen, schimmernden Silikonpenis aus meiner Tasche hervorziehe. Ich glaubte, ich hätte mein Portemonnaie erwischt, doch es ist mein Utensil für den heutigen Workshop. Ein richtig schöner sauberer Dildo, nagelneu und bereit, von mir präsentiert zu werden.

      Später werde ich diesen Schwanz dafür benutzen, um Anatomie und Techniken zu erklären. Später wird es angebracht sein, einen Schwanz in der Hand zu halten, weil Menschen dafür bezahlt haben und in der Erwartung gekommen sind, dass ich genau das tue. Jetzt allerdings stehe ich in der Schlange eines überteuerten Supermarkts und wedle mit einem gigantischen Schwanz in der Gegend herum, während mich gepflegte Frauen mittleren Alters schockiert anstarren. Das Kind fängt an zu weinen, zwar nicht, weil ich seine Unschuld gestohlen habe, aber so fühlt es sich gerade an.

      „Der ist für die Arbeit“, versuche ich zu erklären. Als sei es gang und gäbe, einen Dildo für die Arbeit in der Tasche mit sich herumzutragen. Zeitgleich höre ich Jason meckern: „Du hörst mir ja gar nicht zu!“

      Der Kassierer starrt mich noch fassungsloser an, mit offenem Mund und funkelnder Zahnspange. Ich stopfe den Dildo wieder in meine Tasche, finde endlich mein Portemonnaie, zahle, schnappe meinen Einkauf und flüchte.

      Das ist kein Einzelfall. Solche


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