Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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daß sie sich stellen.«

       »Weil die Gesetze des Ordens nicht befolgt werden. Aber zum Kampf auf Leben und Tod wird ein Kreuzritter, vornehmlich ein Komtur sich nicht stellen.«

       »Ha! Im Kriege wenigstens wird er Dir nicht entgehen!«

       »Aber man sagt ja, es komme nicht zum Kriege, weil die Kreuzritter jetzt unser Volk fürchten,« bemerkte Zbyszko.

       Darauf entgegnete Zindram aus Maszkowice: »Lange wird dieser Friede nicht dauern. Aber mittlerweile müssen wir uns vielleicht mit Timur dem Lahmen messen, Fürst Witold trug ja von Edyga eine empfindliche Schlappe davon, das ist gewiß.«

       »Das ist gewiß! Und der Wojwode Spytek ist gar nicht zurückgekehrt,« bestätigte Paszko. »Auch eine Anzahl von litauischen Fürsten blieb auf dem Felde.«

       »Die hochselige Königin hatte vorausgesagt, daß es so kommen werde,« bemerkte der Herr aus Taczew.

       »Ha! Und wir werden thatsächlich noch gezwungen uns auf Timur zu werfen.«

       Das Gespräch wendete sich nun auf den litauischen Kriegszug gegen die Tataren. Darüber herrschte kein Zweifel, daß Fürst Witold kein kaltblütiger, sondern ein unvorsichtiger Anführer war. Er hatte eine furchtbare Niederlage bei Worskla erlitten, wo eine Menge russischer und litauischer Bojaren, samt einigen Rittern, die zu der polnischen Hilfstruppe gehörten, und sogar auch Kreuzritter gefallen waren.

       Die Niederlage der Litauer konnte für das ganze Reich Jagiellos verhängnisvoll werden, weil niemand genau wußte, ob die durch ihren Sieg über Witold ermutigten Tataren nicht in das Großfürstentum einfallen würden. In solchem Falle mußte das Königreich auch in den Krieg verwickelt werden. So waren denn die Ritter, welche wie Zawisza, Farurej, Dobko und sogar wie Powala gewohnt waren, auf Abenteuer und Kämpfe an fremden Höfen auszugehen, jetzt in Krakau geblieben, weil sie nicht wußten, was die nächste Zeit bringen werde.

       Denn falls Tamerlan, der siebenundzwanzig Länder beherrschte, das mongolische Reich in Unruhe versetzte, konnte die Gefahr unermeßlich werden. Und es gab Leute genug, welche voraussagten, daß es so kommen werde.

       »Wenn es nötig sein sollte, werden wir uns mit dem Lahmen selbst messen,« sagten die Ritter. »In unserer Heimat wird ihm nicht alles so leicht fallen, wie in all den Ländern, welche er erobert und verwüstet hat, denn die andern christlichen Fürsten werden uns ja auch zu Hülfe kommen.«

       Darauf bemerkte Zindram aus Maszkowice, welcher einen ganz besondern Haß gegen die Kreuzritter hegte, voll Bitterkeit: »Die Fürsten, das weiß ich nicht! Aber die Kreuzritter sind gewiß entschlossen, ein Bündnis mit den Tataren einzugehen und gegen uns auf der feindlichen Seite zu kämpfen.«

       »Oh, das wird einen Krieg geben!« rief Zbyszko aus. »Gegen die Kreuzritter darf ich also kämpfen!«

       Allein dem widersprachen die andern Ritter. Ihrer Ansicht nach kannten die Kreuzritter zwar keine Schonung ihrer östlichen Nachbarn, aber daß sie den Heiden gegen die christlichen Völker beistehen würden, war doch nicht anzunehmen. Uebrigens befand sich Timur auf einem Kriegszuge irgendwo in weiter Ferne in Asien, und der tatarische Feldherr Edyga hatte so viele Leute in der Schlacht verloren, daß ihm wahrscheinlich der eigene Sieg Schrecken einflößte.

       Die Ritter standen gerade im Begriffe, sich zu entfernen, als ein Hofherr der Fürstin mit einem Falken auf der Hand eintrat. Nachdem er sich vor den Rittern verneigt hatte, wendete er sich mit eigentümlichem Lächeln zu Zbyszko: »Die hohe Frau befahl mir, Euch zu sagen,« begann er, »daß sie heute noch in Krakau übernachten und erst morgen in der Frühe aufbrechen werde.«

       »Es ist gut!« erwiderte Zbyszko, »aber weshalb denn? Ist jemand erkrankt?«

       »Nein; doch hat die Fürstin einen Gast aus Masovien.«

       »Ist der Fürst selbst angelangt?«

       »Nicht der Fürst, aber Jurand aus Spychow,« entgegnete der Hofherr.

       Als Zbyszko dies hörte, geriet er in die größte Bestürzung, und sein Herz klopfte eben so heftig wie damals, als ihm das Todesurteil verlesen worden war.

      Zweites Kapitel.

      Jurands Ankunft setzte die Fürstin Anna nicht in Erstaunen, weil es häufig vorkam, daß ihn während seiner kriegerischen Unternehmungen, seiner Kämpfe mit den benachbarten deutschen Rittern plötzlich eine tiefe Sehnsucht nach Danusia überkam. Dann erschien er ganz unerwartet entweder in Warschau oder in Ciechanow oder an irgend einem anderen Orte, wo sich der Hof des Fürsten Janusz gerade befand. Wehmütige Empfindungen schwellten stets sein Herz beim Anblick seines Kindes. Ward doch Danusia mit der Zeit ihrer Mutter so ähnlich, daß er jedesmal glaubte, die Verstorbene vor sich zu sehen, wie er sie einst bei der Fürstin Anna in Warschau kennen gelernt hatte. Dann konnte man zuweilen glauben, sein starres Herz, das sich sonst nur rachsüchtigen Empfindungen hingab, müsse brechen vor Leid. Gar oft redete ihm die Fürstin zu, seine Burg zu verlassen, an deren Mauern das Blut unzähliger Erschlagenen klebte, und am Hofe bei Danusia zu bleiben.

       Der Fürst selbst, welcher Jurands Mut und Bedeutung wohl zu schätzen wußte, sich aber andererseits auch von der Sorge befreien wollte, welche ihm durch die fortwährenden Zusammenstöße an der Grenze bereitet wurde, bot ihm das Amt eines Schwertträgers an. Doch umsonst. Gerade der Anblick Danusias riß die alte Wunde von neuem auf. Schon nach wenigen Tagen verlor Jurand stets die Lust am Essen, der Schlaf floh ihn, und er vermied jedes Gespräch. Alles in ihm schien sich zu empören, sein Blut geriet in Wallung, schließlich verschwand er vom Hofe und kehrte in sein sumpfiges Spychow zurück, um Leid und Groll wieder in Blut zu ersäufen. Dann pflegten die Leute zu sagen: »Wehe den Deutschen! Es sind keine Lämmer, aber Jurand stürzt sich auf sie wie der Wolf auf die Lämmer.«

       Nach Ablauf einer gewissen Zeit verbreitete sich in der That häufig die Kunde von der Gefangennahme der freiwilligen ausländischen Krieger, welche sich an der Grenze bei den Kreuzrittern angesammelt hatten, und man hörte von verbrannten Schlössern, von aufgegriffenen Bauern und von Zweikämpfen auf Leben und Tod, aus welchen der schreckliche Jurand immer als Sieger hervorging. Bei der ungezügelten Natur der Masuren und der deutschen Ritter, denen von seiten des Ordens das an Masovien grenzende Land samt den Burgen verliehen worden war, hörten auch dann, wenn die masovischen Fürsten scheinbar Frieden mit dem Orden geschlossen hatten, die Kämpfe niemals ganz auf. Selbst um die Bäume im Walde zu fällen oder die Saat zu ernten, zogen die Bewohner mit Armbrust und Speer bewaffnet aus. Die Leute lebten in beständiger Sorge um den kommenden Tag, sie mußten fortwährend zum Kampfe bereit sein, denn überall zeigte sich Härte und Grausamkeit. Niemand begnügte sich damit, sich selbst zu schützen, zu verteidigen, sondern man vergalt Raub mit Raub, Brandstiftung mit Brandstiftung, feindliche Ueberfälle mit Ueberfällen. Gar oft, wenn die Deutschen behutsam am Waldessaum dahinschlichen, um irgend eine Burg zu überrumpeln, um die Bauern und das Vieh fortzuführen, thaten die Masuren zur gleichen Zeit das Gleiche. Häufig trafen sie zusammen und schlugen solange auf einander, bis sie kampfunfähig waren, oftmals forderten sich auch nur die Anführer zum Kampfe auf Leben und Tod heraus, und dann ward der Sieger unumschränkter Herrscher über das Gefolge des Besiegten. An den Warschauer Hof gelangten denn auch viele Klagen über Jurand, der Fürst hingegen beklagte sich über die häufigen Einfälle der deutschen Ritter in fremde Gebiete. Da nun von beiden Seiten Gerechtigkeit verlangt wurde, aber keine der beiden Parteien sich dem Gesetze fügen wollte oder konnte, gingen alle Räubereien, Brandstiftungen und Ueberfälle ungestraft vorüber.

       Wenn sich Jurand, über Rachegedanken brütend, in seinem sumpfigen, mit Schilf bewachsenen Spychow aufhielt, drohte seinen deutschen Nachbarn so viel Unheil, daß schließlich ihre Furcht die Oberhand über ihren Haß gewann. Die an Spychow grenzenden Felder wurden nicht bebaut, wilder Hopfen und Haselnußsträucher schossen in den Wäldern empor, die Wiesen waren mit allerlei unnützen Gewächsen bedeckt. Mehrere deutsche Ritter, welche das in ihrem


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