Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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gegebene Land samt dem Vieh, samt den Bauern zu verlassen, um nicht in der Nähe dieses rachsüchtigen, unerbittlichen Mannes leben zu müssen. Zuweilen verbanden sich die Ritter und zogen mit einander gegen Jurand aus, aber dies endigte für sie stets mit einer Niederlage. Nun verfiel man auf die verschiedenartigsten Mittel. So berief man einen durch seine Kraft und Stärke bekannten Ritter, der unweit Jurands hauste und aus allen Fehden siegreich hervorgegangen war, damit er letzteren zum Kampfe auf festgetretener Erde fordere. Aber als sie sich in den Schranken gegenüberstanden, verließ den Deutschen der Mut wie durch Zauber beim Anblick des schrecklichen Masuren, und er wandte sein Pferd zur Flucht. Jurand aber stieß ihm die Lanze in den unbeschützten Rücken, so daß der fremde Ritter von diesem Tage an seiner Ehre und seines Ruhmes verlustig ging. Von nun an ward Jurand noch mehr von seinen Nachbarn gefürchtet, und sobald ein Deutscher auch nur von ferne den von Spychow aufsteigenden Rauch gewahrte, bekreuzte er sich und sprach rasch ein Gebet zu seinem Schutzheiligen im Himmel, denn es ging die Rede, Jurand habe, um seiner Rache willen, seine Seele bösen Geistern verschrieben.

       Ueber Spychow verbreiteten sich die ungeheuerlichsten Dinge. Man erzählte sich, durch den klebrigen Morast, zwischen Binsen, Froschlattich und Wassertümpeln führe ein so schmaler Pfad zur Burg, daß zwei Reiter nicht im stande seien, neben einander zu bleiben, sondern sich hintereinander durcharbeiten müßten. Zu beiden Seiten des Weges aber könne man die gebleichten Gebeine der deutschen Ritter liegen sehen, während sich des Nachts auf Spinnenfüßen die Köpfe der Ertrunkenen dort ergingen, um unter Winseln und Klagen die sich nähernden Menschen samt den Pferden in die Tiefe zu ziehen. Auch behaupteten viele, die Palissaden der Burg seien mit Menschenschädeln geschmückt. Wohl war es richtig, daß in den unterirdischen Gewölben in Spychow immer einige Gefangene schmachteten, und schließlich erregte der Name Jurands noch größere Furcht als all jene erfundenen Dinge von Gerippen und Ertrunkenen.

       Kaum hatte Zbyszko Jurands Ankunft erfahren, als er sich mit dem Hofherrn auf den Weg machte, wenn schon er dem Zusammentreffen mit dem Vater Danusias in einer gewissen Erregung entgegensah. Daß er Danusia zu seiner Herrin erwählt, sich ihr angelobt hatte, konnte ihm niemand verwehren, aber jetzt war er ja durch die Fürstin mit Danusia verlobt worden. Was wohl Jurand darüber sagen mochte! Ob er seine Einwilligung geben werde oder nicht? Und wie würde es werden, wenn er ihn als Vater mit rauhen Worten zurückwiese und die Heirat niemals zuließe? Diese Fragen erfüllten Zbyszkos Herz mit banger Furcht, denn Danusia galt ihm mehr als alles andere auf der Welt. Einzig nur der Gedanke flößte ihm Mut ein, daß Jurand ihm jenen Ueberfall auf Lichtenstein als Verdienst, nicht als Fehler anrechnen werde, da auch der Gedanke, Danusias Mutter zu rächen, ihn dazu angetrieben hatte und er beinahe deshalb das eigene Leben eingebüßt hätte.

       Unterwegs begann er den ihn geleitenden Hofherrn auszuforschen, welcher seinetwegen zu Amylej gekommen war.

       »Wohin führt Ihr mich?« fragte er. »Auf das Schloß?«

       »Auf das Schloß allerdings. Jurand hält sich mit dem Hofe der Fürstin dort auf.«

       »Sagt mir doch, was das für ein Mensch ist, damit ich weiß was ich mit ihm reden soll.«

       »Was soll ich Euch sagen? Er ist ganz anders als andere Leute. Man sagt, früher sei er heiter gewesen, das heißt, ehe ihm das Blut zu Galle geworden ist.«

       »Ist er ein kluger Mann?«

       »Arglistig ist er, denn andre schindet er und sich selbst giebt er nicht, wie er ist. Wohl hat er nur ein Auge, denn das andere haben ihm die Deutschen mit Pfeilen ausgeschossen, aber mit dem einen kann er einem Menschen bis ins innerste Herz sehen. Niemand ist im stande, es mit ihm aufzunehmen. Nur die Fürstin liebt er, ihr Hoffräulein hat er zur Gattin genommen und jetzt erzieht sie seine Tochter.«

       Zbyszko holte tief Atem.

       »Sagt mir nur, ob er sich dem Wunsche der Fürstin nicht widersetzt!«

       »Ich weiß, was Ihr wissen wollt, und was ich hörte, werde ich Euch sagen. Die Fürstin redete mit ihm von Euerm Verlöbnis, denn es wäre nicht richtig gewesen zu schweigen, aber was er darauf antwortete – ist mir unbekannt.«

       So sprechend, gelangten sie zum Thore. Der Hauptmann der königlichen Bogenschützen, der nämliche, welcher Zbyszko damals zum Schafott geleitet hatte, begrüßte ihn jetzt mit einem freundlichen Kopfnicken. An der Wache vorüber kamen sie bis zum Schloßhofe und wendeten sich dann rechts nach einem Seitengebäude, worin die Fürstin wohnte. Der Hofherr fragte einen Pagen, den sie am Eingänge trafen: »Wo befindet sich Jurand aus Spychow?«

       »In der gewölbten Kemenate bei seiner Tochter.«

       »Das ist hier!« sagte der Hofherr, auf eine Thüre zeigend.

       Zbyszko bekreuzte sich, und den Vorhang an der offenen Thüre zur Seite schiebend, trat er mit klopfendem Herzen ein. Aber er gewahrte Jurand und das junge Mädchen nicht sogleich, da es in der niedrigen gewölbten Kemenate ziemlich dunkel war. Erst nach einer Weile erblickte er das helle Köpfchen Danusias, die auf dem Schoße ihres Vaters saß. Der Eintritt Zbyszkos wurde nicht bemerkt, er blieb daher am Vorhange stehen, räusperte sich und sagte schließlich: »Gelobt sei Jesus Christus!«

       »Von Ewigkeit zu Ewigkeit!« erwiderte Jurand, sich erhebend.

       Jetzt sprang Danusia dem jungen Ritter entgegen, und seine Hand ergreifend, rief sie aus: »Zbyszko! Mein Vater ist angekommen!«

       Zbyszko küßte ihre Hand, dann trat er mit ihr zu Jurand und sagte: »Ich komme, Euch zu begrüßen. Ihr wißt doch, wer ich bin?«

       Dann verneigte er sich tief und machte eine Bewegung, als ob er Jurands Knie umfassen wolle, doch dieser ergriff seine Hand, drehte ihn gegen das Licht und betrachtete ihn schweigend.

       Zbyszko, der indessen seine Kaltblütigkeit wieder erlangt hatte, schaute jetzt neugierig empor und sah die mächtige Gestalt eines Mannes mit flachsblondem Haare und Bart, pockennarbigem Gesichte und stahlgrauem Auge. Ihn dünkte, dessen Blick durchbohre ihn, wodurch er abermals in Verwirrung geriet, sodaß er schließlich nicht mehr wußte, was er sagen sollte, und nur, um dem beunruhigenden Schweigen ein Ende zu machen, fragte: »So seid Ihr Jurand aus Spychow, Danusias Vater?«

       Ohne ein Wort zu erwidern, ihn aber fortwährend anschauend, deutete dieser nach der Bank aus Eichenholz, worauf er selbst wieder Platz nahm.

       Da wurde Zbyszko ungeduldig.

       »Wisset,« sagte er, »daß es mir peinlich ist, hier zu sitzen wie vor meinem Richter!«

       Jetzt erst ergriff Jurand das Wort. »Du willst Lichtenstein zum Zweikampf fordern?«

       »Was sollte ich denn sonst vorhaben?« antwortete Zbyszko.

       In den Augen des Herrn von Spychow blitzte ein seltsames Feuer auf, und sein strenges Gesicht wurde etwas freundlicher. Einen Blick auf Danusia werfend, fragte er weiter: »Und um ihretwillen?«

       »Ja, um ihretwillen! Mein Ohm könnte Euch erzählen, daß ich gelobte, die Federbüsche von den Helmen der Deutschen herunterzureißen. Doch nicht nur drei Büsche will ich ihr bringen, sondern mindestens soviele, wie ich Finger an beiden Händen habe. Auch Eurer Rache für Danusias Mutter werde ich dadurch einigermaßen Genüge thun.«

       »Wehe ihnen!« rief Jurand aus.

       Zbyszko indessen, der gewahrte, daß Jurand es sehr wohl aufnahm, wenn er seinem Haß gegen die Ordensritter Ausdruck verlieh, fuhr fort: »Nein, ich werde ihnen nichts erlassen, gerade weil ich ihretwegen schon einmal beinahe mein Leben eingebüßt hätte.« Hier wendete er sich zu Danusia und fügte hinzu: »Sie aber hat mich gerettet.«

       »Ich weiß es,« antwortete Jurand.

       »Und Ihr seid nicht unwillig darüber?«

       »Du


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