Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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halten mußten.

       Auf beiden Seiten des Weges zog sich größtenteils dichter Wald hin, aus dem nach einbrechender Dämmerung häufig das donnerähnliche Gebrüll der Auerochsen und Büffeln erscholl. Des Nachts aber blitzten die Augen von Wölfen aus dem Dickicht hervor.

       Eine weit größere Gefahr jedoch, als von den wilden Tieren, drohte dem Wanderer und dem Kaufmann auf dieser Straße von seiten der Räuber, sowie von seiten der Ritter aus Schlesien, deren Burgen sich da und dort an der Grenze erhoben. Wohl waren viele dieser Burgen durch polnische Hände zerstört worden, immerhin mußte man jedoch auf seiner Hut sein und durfte es nie unterlassen, nach Sonnenuntergang Waffen zu tragen.

       So unbehelligt fuhren aber jetzt die Reisenden dahin, daß Zbyszko dieser Ruhe überdrüssig wurde, und erst als sie nur noch eine Tagreise von Bogdaniec entfernt waren, vernahmen sie plötzlich in der Nacht Schnauben und Pferdegetrappel hinter sich.

       »Was für Leute mögen uns wohl nahe sein?« rief Zbyszko.

       Macko, der gerade nicht schlief, schaute zu den Sternen empor und antwortete als erfahrener Mann: »Die Morgendämmerung bricht an, die Nacht geht zur Neige. Räuber werden es daher wohl schwerlich sein, denn vor dem Tageslichte bergen sie sich hinter ihren Mauern.«

       Zbyszko ließ nichtsdestoweniger den Wagen anhalten, stellte seine Leute, welche den Ankommenden die Spitze bieten sollten, quer über den Weg und wartete, vor die Front reitend, was da geschehen werde.

       Aber erst nach geraumer Zeit unterschied er in der Dämmerung etliche zwanzig Reiter. Einer von ihnen ritt den andern mehrere Schritte voraus. Nichts schien ihm ferner zu liegen, als sich verbergen zu wollen, schmetterte er doch mit kräftiger Stimme ein Lied in die Morgenluft. Zbyszko vermochte zwar nicht die Worte zu verstehen, nur das fröhliche »Juchhe«, das der Unbekannte fast nach jeder Strophe wiederholte, drang deutlich an sein Ohr.

       »Einer von den Unsrigen!« sagte er sich. Gleichwohl aber rief er: »Halt!«

       »Ruhe! Ruhe!« gebot eine Stimme in scherzhaftem Ton.

       »Was seid Ihr für Leute?«

       »Wo kommt Ihr denn her?«

       »Weshalb folgt Ihr uns nach?«

       »Weshalb verstellt Ihr uns den Weg?«

       »Antworte, denn die Armbrust ist gespannt.«

       »Ich bin gespannt, schießt nur!«

       »Gebt eine vernünftige Antwort, sonst kommt Ihr ins Elend.«

       Dem Gebot Zbyszkos ward indessen nicht entsprochen, sondern der fröhliche Gesang ertönte:

      Ein Elend mit dem andern Elend

       Am Scheideweg zum Tanze geht.

       Juchhe, Juchhe, Juchhe!

       Was taugt für beide der Tanz?

       Schön ist's zu tanzen, wenn auch groß das Elend.

       Juchhe, Juchhe, Juchhe!

      Staunend lauschte Zbyszko dem Liede, das indessen plötzlich abgebrochen wurde, weil der Sänger die Frage stellte: »Und wie steht es mit dem alten Macko? Lebt er noch?«

       Daraufhin erhob sich Macko in dem Wagen, indem er rief: »Dem Herrn sei Dank, das sind von den Unsrigen.«

       Zbyszko aber, sein Roß vorwärts treibend, bemerkte: »Wer fragt nach Macko?«

       »Euer Nachbar, Zych aus Zgorzelic. Schon acht Tage lang reite ich hinter Euch her und erkundige mich bei allen Leuten, wohin Euere Fahrt geht.«

       »Herbei, herbei! Ohm! Zych aus Zgorzelic ist hier!« rief Zbyszko.

       Dann begrüßte er freundlich den Ankömmling, denn Zych war in der That ihr Nachbar und dazu ein guter, wegen seines Frohsinns allgemein beliebter Mensch.

       »Nun, wie befindet Ihr Euch?« fragte Zych, indem er Macko die Hand schüttelte. »Geht's noch immer so fröhlich bei Euch zu, oder ist es aus damit?«

       »Ach, bei mir ist es mit dem Frohsinn vorbei! Doch sehe ich frohe Menschen gern. Lieber Gott, wenn ich nur erst wieder in Bogdaniec wäre.«

       »Was ist's mit Euch? Ich hörte ja, daß die Deutschen auf Euch geschossen haben?«

       »Sie schossen auf mich. Das Eisen steckt mir noch zwischen den Rippen.«

       »Gerechter Gott! Was läßt sich da thun? Habt Ihr noch nicht versucht, Bärenfett zu trinken?«

       »Ihr seht, daß jeder zu Bärenfett rät,« rief Zbyszko. »Laßt uns nur erst in Bogdaniec sein. Dann werde ich des Nachts an die Bienenstöcke gehen.«

       »Vielleicht wird Jagienka Bärenfett haben, und ist dies nicht der Fall, so werde ich anderswo darnach fragen lassen.«

       »Wer ist Jagienka, die Eurige hieß doch Malgochna?« fragte Macko.

       »Ach, Malgochna! Am heiligen Michael wird es drei Herbste, daß Malgochna in der Erde ruht. Sie war ein kraftstrotzendes Weib. Der Herr sei ihrer Seele gnädig. Jagienka ist an ihre Stelle getreten, trotzdem sie noch sehr jung ist.

      Ueber dem Grabe erhebt sich ein Hügel,

       So wie die Mutter, so ist auch die Tochter.

       Juchhe, Juchhe, Juchhe.

      Zu Malgochna sprach ich: ›Klettere nicht auf die Tanne, da Du fünfzig Jahre alt bist‹. Sie hörte nicht und kletterte hinauf. Mit einem Male brach der Ast und dann gab es einen Krach. Ich sage Euch, sie grub sich ganz in die Erde ein, und nach drei Tagen that sie den letzten Atemzug.«

       »Der Herr sei ihr gnädig,« sagte Macko. »Wenn ich denke, wenn ich denke, wie sich die Burschen verkriechen mußten, wenn sie die Hände in die Seite stemmte. Und was für eine gute Wirtschafterin sie war! Also von einer Tanne stürzte sie herab? Nein, seht mir nur!«

       »Wie ein Tannenzapfen fiel sie zur Erde. Ach, das war ein Kummer. Denkt nur, nach dem Begräbnis habe ich mich vor Kummer so betrunken, daß man drei Tage hindurch mich nicht wecken konnte. Man glaubte, ich werde auch alle viere von mir strecken, und später habe ich so geweint, daß meine Thränen einen Eimer gefüllt hätten. Zur Wirtschaft ist indessen Jagienka auch befähigt. Sie muß mit allem allein fertig werden.«

       »Ich erinnere mich ihrer kaum. Sie war nicht größer, als ich fortzog, als eine Streitaxt und konnte unter einem Pferde hindurchgehen, ohne an dessen Bauch zu stoßen. Bah, das ist schon lange her, jetzt muß sie ausgewachsen sein.«

       »Am Tag der heiligen Agnes wurde sie fünfzehn Jahre. Fast ein Jahr habe ich sie nicht mehr gesehen.«

       »Und was habt Ihr getrieben? Woher kommt Ihr?«

       »Aus dem Kriege. Glaubt Ihr, daß ich gern fortgezogen bin, da Jagienka doch allein zurückgeblieben ist?«

       Trotzdem sich Macko recht krank fühlte, horchte er doch neugierig auf, als vom Kriege die Rede war und fragte: »Wart Ihr vielleicht mit dem Fürsten Witold bei Worskla?«

       »Ja, ich bin mit ihm gewesen,« erwiderte fröhlich Zych aus Zgorzelic. »Nun, unser Herrgott zeigte sich ihm nicht gnädig, wir erlitten durch Edyga eine entsetzliche Niederlage. Die Tataren kämpfen nicht im Handgemenge, wie dies jeder christliche Ritter thut, sondern sie schießen Dich aus der Ferne in den Hals. Da könnt Ihr machen, was Ihr wollt! Doch hört nur! In unserm Heere prahlten die Ritter maßlos und sprachen also: ›Wir werden weder die Lanzen werfen, noch die Schwerter aus der Scheide ziehen, denn nur Gewürm wird vor uns herkriechen‹, so prahlten sie, aber dann, als es galt, das Eisen schwirren zu lassen, da rächte sich dies schwer – denn wie stand es nach


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