Borrowing Blue. Lucy Lennox

Borrowing Blue - Lucy Lennox


Скачать книгу
ist, meine Mutter tsstst nur herum und erzählt mir, dass es so etwas wie die perfekte Frau nicht gibt. Und dann denke ich mir, dass sie wohl glücklich wäre, wenn ich mich mit irgendjemandem zusammentun würde, nur damit sie nicht länger darüber nachdenken muss.«

      Wir lächelten uns verstehend an.

      Der Fremde streckte die Hand aus und nahm meine. »Ich bin Tristan.«

      »Blue. Schön, dich kennenzulernen«, sagte ich und schüttelte seine Hand. Mit der Berührung seiner rauen Handfläche fühlte ich dieses Tsching, das Leute in Romanen beschrieben. War das etwa echt? Nope, ich musste in letzter Zeit zu viel gelesen haben. Es konnte nicht wirklich funktionieren, wenn es mir mit einem Heterokerl passierte.

      »Blue? Das ist ein interessanter Name. Darf ich fragen, wie es dazu kam?«, fragte Tristan.

      »Na ja, mein Name ist Bartholomew, aber mein ältester Bruder konnte das nicht aussprechen, als er klein war. Er hat mich dann Blue genannt und das ist hängengeblieben.«

      »Ich mag es. Das klingt verrückt, aber es passt irgendwie zu dir. Vielleicht wegen deiner Augen«, sagte er und betrachtete mein Gesicht genau. Er schüttelte den Kopf und lächelte. »Aber egal. Es ist schön, dich kennenzulernen, Blue. Kann ich dir noch ein Bier ausgeben?«

      »Sicher. Wobei ich wohl erst etwas essen sollte. Ich bin direkt von einem verrückten Arbeitstag hierher gekommen und hab noch nichts gegessen«, sagte ich.

      Tristan drehte sich zum Barkeeper. »Hey, Frank, würdest du meinem Freund hier ein Bier bringen und uns ein paar von diesen Burgern mit diesen selbstgemachten Pommes bestellen, die ich so sehr mag? Danke«, sagte er, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwendete.

      »Du arbeitest in San Francisco?«, fragte er.

      »Ja, als Grafikdesigner für einige Fitnessmagazine.«

      »Das klingt interessant. Magst du es?«, fragte er und wirkte wirklich interessiert.

      »Es ist okay. In letzter Zeit fühle ich mich ein bisschen erschöpft, also hat mein Chef mich befördert. Ich werde in einer Woche nach London ziehen. Bin mir nicht sicher, ob das meine Kreativität wieder ankurbelt, aber ich schätze einen Neustart.« Mann, klang das deprimierend. Ich versuchte, das mit einem Lächeln abzuschwächen, aber irgendwie schien das nicht zu funktionieren.

      Tristans Augenbrauen zogen sich in offensichtlichem Interesse zusammen. »Was kurbelt deine Kreativität normalerweise an?«

      Ich wusste die Antwort sofort, aber hatte die Worte seit Jahren nicht ausgesprochen. Warum sollte ich es diesem Kerl nicht sagen? Er war ein Fremder in einer Bar, verdammt.

      »Bildhauerei«, sagte ich. Ein Wort. Ein Wort, das genauso gut »Herz« hätte sein können.

      Tristans Augen wurden warm und seine Mundwinkel kräuselten sich nach oben. »Erzähl mir mehr. Welche Art Bildhauerei?«

      »Vor allem Metall. Aber ich mag alle Arten. Schnitzereien, Glasbläserei, Steinarbeiten. Ich würde vermutlich auch Eis ausprobieren, wenn ich nicht so eine wahnsinnige Angst vor Kettensägen hätte.«

      »Kannst du in der Stadt denn bildhauern?«, fragte er.

      »Nicht wirklich. Ich hab es in der Highschool gemacht und am College, aber aufgehört, als Jeremy und ich zusammenkamen. Ich denke darüber nach, wieder damit anzufangen. Aber keine Ahnung, ob ich in London genug Platz haben werde«, gab ich zu.

      »Warum hast du es aufgegeben?«

      Ich stieß Luft aus. »Ich hab den entmutigenden Worten anderer geglaubt. Leider war ich jung genug, um sie mir zu Herzen zu nehmen.« Es waren nur ein paar Wochen, seit ich das Ganze aus der Sicht eines Erwachsenen betrachte. Warum zur Hölle hab ich mich jemals entmutigen lassen, meine Leidenschaft auszudrücken? Ich schüttelte frustriert den Kopf über den, der ich zehn Jahre früher gewesen war.

      »Das machen wir doch alle irgendwann mal, oder?«, meinte Tristan und klang, als hätte er ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich wollte ihn fragen, welche Leidenschaft man ihm auszutreiben versucht hatte. Doch bevor ich die Chance bekam, die Worte zu formen, sah ich Jeremy, der mit diesem Twink am Arm die Bar betrat.

      Jeremy lächelte und lehnte sich zu dem jungen Mann, um ihn auf den Mund zu küssen. Danach wischte dieser über Jeremys Lippen und das war der Moment, als ich den Ehering an seinem Finger bemerkte. Mein ganzer Körper wurde kalt.

      Tristan

      Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Obwohl wir uns nicht berührten, spürte ich, wie Blues Körper starr wurde. Er sah über meine Schulter, also drehte auch ich mich ohne nachzudenken um, um zu sehen, was da war.

      Zwei Männer betraten küssend und flirtend die Bar. Als sie sich am Tisch nebenan niederließen, schienen sie nur Augen füreinander zu haben.

      »Kennst du die zwei?«, fragte ich. Beinahe hätte ich »Männer« gesagt. Aber nur beinahe, weil das implizierte, dass sie beide alt genug waren, um als Männer betrachtet zu werden. Der Rothaarige war jung und sah gut aus, während der andere eher mein Alter hatte und als sein Fußballtrainer hätte durchgehen können. Ich hoffte jedoch, dass sie nicht Trainer und Schüler waren, denn ihrer Körpersprache war eindeutig anzusehen, dass sie einander sexuell attraktiv fanden.

      »Der, der alt genug ist, um wählen zu gehen, ist mein Ex Jeremy. Der andere …« Er brach ab.

      »Der andere ist ein verdammt hinreißender Rotschopf, wie du einer bist. Das sollte machen, dass du dich besser fühlst.« Ich lachte. »Er versucht offenbar, dich zu ersetzen.«

      Blue wurde ob meiner Worte rot und ich realisierte, dass ich ihn hinreißend genannt hatte. Na ja, das war er ja auch. Jeder konnte sehen, dass er ein attraktiver Mensch war. Trotzdem sollte ich wohl besser das Thema wechseln, bevor ich davon anfing, wie wunderbar blau seine Augen waren.

      »Sind sie verheiratet? Der Kleine trägt einen Ring«, fragte ich verwirrt.

      »Ich weiß nicht«, hauchte Blue. »Sieht so aus.«

      Er sah aus, als wäre er geschlagen worden. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie ich mich fühlen würde, würde ich Sheila wieder verheiratet sehen, ohne es vorher gewusst zu haben. Das wäre nicht leicht. Egal wie, es würde zumindest ein kleines bisschen wehtun. Ich drückte seine Schulter.

      »Tut mir leid, Blue«, sagte ich.

      »Danke.« Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier. Frank kam mit unserem Abendessen, aber ich wusste schon, dass es schwer werden würde, irgendetwas in Blue hineinzubekommen. Ich legte meine Hand auf die Lehne des Barstuhls und lehnte mich zu ihm.

      »Du musst etwas essen. Probier zumindest die Pommes. Das sind die besten, die es gibt. Wenn du was zu essen in deinen Magen bekommst, helf ich dir nachher, dich so richtig zu betrinken.«

      Er lachte. »Deal.«

      Wir aßen und ich versuchte, Blue zum Lachen zu bringen. Ich erzählte ihm davon, wie ich herausgefunden hatte, dass meine Großmutter nicht hetero war, weil sie bei der Thanksgiving-Feier aufgestanden war und erklärt hatte, sie sei »verdammt nochmal lesbisch« und »vögle Irene wie ein Teenager«. Als ich fertig war, erzählte ich ihm von ihrer anzüglichen Junggesellinnenparty, die in einem Laden für Sextoys begonnen und in einem Club namens »Cockblock« geendet hatte. Er rollte sich vor Lachen. Tränen rannen über meine Wangen, als ich meine detaillierte Beschreibung von Omas und Irenes »dirty dancing« beendete.

      »Der beste Teil war, als Irene meiner Großmutter wiederholt zugerufen hat, sie solle mit ihrer schlimmen Hüfte aufpassen.« Ich lachte so sehr, dass meine Stimme ein paar Oktaven nach oben rutschte. Ich konnte nicht anders. Je mehr Blue lachte, desto mehr lachte auch ich.

      »Mein Bruder will es noch immer nicht wahrhaben. Er nennt Irene ›Omas Mitbewohnerin‹. Also beschreibe ich ihm jedes Mal, wenn ich die Chance habe, dreckige-Oma-Lesben-Szenen. Du solltest sehen, wie ihm seine homophoben Gesichtszüge entgleiten.« Ich lachte wieder.

      Blue sah mir in die Augen, aus seinen eigenen leuchtete


Скачать книгу