Red Dirt Heart: Flammende Erde. N.R. Walker

Red Dirt Heart: Flammende Erde - N.R. Walker


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ich schnell durch die Tür und somit aus der Flugbahn irgendwelcher Küchenutensilien, die Ma möglicherweise auf mich abfeuern würde. Normalerweise drohte sie mir nur, etwa mit einer Suppenkelle oder einem Handtuch, aber über die Jahre – besonders als ich ein Teenager gewesen war – hatte ich gelegentlich dem einen oder anderen Kochwerkzeug ausweichen müssen, wenn ich versuchte zu naschen, während sie noch kochte.

      Ich ging immer noch lachend den Flur entlang und Travis war direkt hinter mir. Er lächelte mich an und ich musste erst kauen und meinen Mundvoll Diebesgut herunterschlucken, bevor ich sprechen konnte. »Ich zeige dir dein Zimmer«, sagte ich zu ihm. Ich hängte meinen Hut wie immer auf den mittleren Haken, dann nahm ich seinen Koffer und überließ ihm die Reisetasche. »Du wirst hier im Haupthaus schlafen, solange du hier bist. Es gibt drei Katen für die Arbeiter, aber die sind alle belegt. Du wirst die anderen Jungs beim Abendessen kennenlernen.«

      Ich führte ihn durch eine Tür an der Seite der Diele zu einer Tür in der Mitte des Flurs. »Dein Zimmer«, sagte ich, ging hinein und legte seinen Koffer auf dem breiten Bett ab. Es gab eine Kommode und einen Kleiderschrank und das Fenster war geöffnet, aber die Vorhänge bewegten sich nicht. »Dein Zimmer geht nach Osten. Du kriegst hier die frühe Morgensonne, nicht die Nachmittagshitze.«

      »Es ist ein wunderschönes Haus«, sagte Travis. Sein Akzent war schwächer, als er mit sanfter Stimme sprach.

      »Danke«, antwortete ich mit einem Lächeln. Es war ein wunderschönes Haus, gebaut in den Zwanzigerjahren, mit Holzfußböden und hohen Decken. »Es ist alt und muss instand gehalten werden, aber wir kümmern uns gut darum.«

      »Heutzutage baut keiner mehr so schöne, große Häuser wie dieses«, sagte er. »Selbst bei uns zu Hause gibt es nur noch wenige traditionelle Farmhäuser.«

      »Wo genau ist bei euch zu Hause?«, fragte ich. »Texas, oder?«

      Travis schob seine Reisetasche aufs Bett. »Richtig, Sir. Johnson City ist ein Stück westlich von Austin. Meine Familie hat dort eine Ranch.«

      »Rinder, ja?«

      »Ja, Sir. Brahmane.«

      »Bitte nenn mich nicht Sir.«

      »Tut mir leid. Das ist eine Angewohnheit, die meine Mom mir eingebläut hat.«

      »Schon gut«, sagte ich beschwichtigend. »Ich suche nur jedes Mal nach meinem Vater, wenn ich das Wort höre. Ich bin Charlie und wir duzen uns hier alle.«

      »Okay.« Travis nickte, aber sah nach unten auf sein Gepäck auf dem Bett. Er war ein paar Zentimeter größer als ich mit meinen eins achtundsiebzig und ziemlich gut gebaut. Er trug ein kariertes Hemd, die Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt, dazu amerikanische Jeans und modische Cowboystiefel. Aber am meisten fiel mir auf, dass, wenn er so nach unten blickte, ich die Linie seines Nackens sehen konnte. Gebräunt, muskulös, mit kurz geschorenem Haar, das aussah, als würde es sich wirklich weich anfühlen…

      »Es tut mir leid«, sagte er und riss mich aus meinen abschweifenden Gedanken. »Ich schätze, ich hatte mir den Boss einfach sehr viel älter vorgestellt…«

      Ich studierte ihn für einen Moment. »Ist das ein Problem?«

      Er hob ruckartig den Kopf und riss die Augen auf. »Oh nein, nicht im Geringsten«, sagte er hastig. »Es ist nur, mein Vater erwähnte einen Mann namens Charles, der in seinem Alter war und nicht in meinem…«

      »Charles war mein Vater«, erklärte ich ihm. »Und sein Vater vor ihm und wahrscheinlich auch der davor.«

      Er nickte und blickte erneut auf seine Habseligkeiten auf dem Bett. »Mein Name ist auch Familientradition.«

      Meine Anwesenheit hier im Zimmer war ihm offensichtlich ein bisschen unangenehm, also hielt ich es für das Beste, ihn erst mal in Ruhe zu lassen, damit er sich hier einrichten konnte. Ich ging zur Tür und sagte: »Ich überlasse dich dann mal dir selbst. Badezimmer ist links am Ende des Flurs. Mein Zimmer ist die erste Tür rechts von der Diele.« Ich wusste nicht genau, warum ich das sagte, deshalb fügte ich hinzu: »Falls du irgendwas brauchst, meine ich. Und George und Ma wohnen auch hier im Haus, in dem Schlafzimmer hinten beim Wintergarten, aber sie sind so leise wie die Mäuschen. Du wirst von ihnen keinen Piep hören, bis es Zeit fürs Frühstück ist.«

      Darauf lächelte Travis mich an. »Danke.«

      »Ich schätze, ich sollte dir noch die Regeln des Hauses erklären«, sagte ich. Besser gleich alle Formalitäten aus dem Weg schaffen, dachte ich.

      »Regeln?«

      »Jepp, Regeln. Frühstück ist um Punkt sechs. Wenn wir auf dem Hof oder in der Nähe sind, wird um zwölf Uhr zu Mittag gegessen. Wenn wir während des Tages weiter draußen sind, packt Ma in der Regel das Mittagessen ein und bringt es zu uns raus oder wir packen uns selbst was und nehmen es mit. Abendessen ist exakt um sechs –« Ich sah auf meine Armbanduhr, »– was in zwanzig Minuten ist, deshalb lass ich dich jetzt in Ruhe, damit du dich frisch machen kannst. Oh, und nur zur Information: Auf Sutton Station gibt es keinen Alkohol. Die Crew fährt für gewöhnlich jeden zweiten Freitag zur Alice, um einen draufzumachen, aber hier wird nicht getrunken.«

      »Zur Alice?«

      »Alice Springs«, erklärte ich. »Die Einheimischen sagen die Alice, beziehungsweise zur Alice. Keine Ahnung, warum.«

      Travis nickte erneut und lächelte beinahe. »Okay.«

      »Und die Jungs werden wahrscheinlich versuchen, es dir ein bisschen schwer zu machen, du weißt schon, so als Greenhorn, aber sie meinen das nicht so«, sagte ich lächelnd. »Ist ein guter Haufen. Aber du wirst anfangs erst mal mit mir arbeiten, da werden sie keine Lust haben, irgendwelchen Blödsinn zu versuchen.«

      »Danke«, sagte er, diesmal mit einem halben Lächeln.

      »Wie gesagt, du wirst beim Abendessen alle kennenlernen«, sagte ich ihm. »Wir essen alle im Haupthaus. Die meisten großen Farmen haben separate Quartiere, wo die Arbeiter essen, aber wir haben nur sechs Vollzeitkräfte… na ja«, ich korrigierte mich, »sieben mit dir, also essen wir hier im Haus. Und sie haben alle Angst vor Ma. Sie hat ihre Regeln bei Tisch und die Crew respektiert sie.«

      »Mehr Regeln?«

      Ich grinste ihn an. »Sei pünktlich, sei sauber, sei dankbar. Trag ein Shirt und Schuhe, aber niemals einen Hut am Tisch.«

      Travis lachte leise – ein tiefer, kehliger Laut. »Klingt ganz wie meine Mom.«

      Ich musste ebenfalls lachen. »Kann sie ein Nudelholz werfen und damit deinen Kopf treffen?«

       »Aus zwanzig Metern Entfernung«, grinste Travis. »Aber wenn du es aus der Küche rausschaffst, ohne erwischt zu werden – weißt du, was dann das Schlimmste ist?«

      Wir sagten im Duett: »Irgendwann musst du wieder nach Hause.«

      Wir lachten und er schien sich schon deutlich wohler zu fühlen, als ich ging und ihn auspacken ließ. Ich machte mich zunächst sauber, wusch mein Gesicht und meine Hände und kämmte mir sogar die Haare, dann ging ich zurück in die Küche. Ich küsste Ma auf die Wange, um mir ihre Vergebung für den Scone-Diebstahl zu sichern, und schnappte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.

      »Scheint ein wirklich netter Bursche zu sein«, sagte Ma.

      »Scheint so, ja.«

      »Was meinst du, hält er durch?«

      Ich zuckte mit den Schultern. »Er ist auf einer Farm zu Hause, also wer weiß…?« Ich trank einen Schluck Wasser. »Ich hoffe es auf jeden Fall.«

      Ma lächelte über dem Topf auf dem Ofen. »Er ist irgendwie niedlich.«

      »Ma«, warnte ich. »Bitte lass das.«

      »Ist nur eine Feststellung, Liebes«, sagte sie. Dann hielt sie die Hand auf. »Reich mir den Pfeffer, bitte.«

      Und damit war die Unterhaltung darüber, wie niedlich Travis war, glücklicherweise beendet. Ich würde die nächsten vier Wochen mit dem Mann arbeiten müssen.


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