Red Dirt Heart: Flammende Erde. N.R. Walker

Red Dirt Heart: Flammende Erde - N.R. Walker


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später spazierte er in die Küche, frisch geduscht, putzmunter, gekleidet in Jeans und T-Shirt, und er roch sauber und nach einem Deodorant, das ich nicht kannte. Ich drehte mich wieder zur Spüle und versuchte, das Aufwallen nicht so ganz unschuldiger Gedanken zu ignorieren.

      Mist.

      Ma summte: »Mh-hm«, sodass nur ich es hören konnte und es hörte sich verdächtig nach Dachte ich's mir doch an. Ich wollte gehen, aber sie hielt mich auf. »Deckt den Tisch für mich, Jungs.«

      Es war sinnlos, Ma in ihrer Küche zu widersprechen, also öffnete ich seufzend die Tür zur Speisekammer und forderte Travis mit einem Nicken auf, mir zur Hand zu gehen. Ich platzierte Soßen und Gewürzgläser auf einem Tablett und drückte es ihm in die Hand, dann suchte ich im Kühlschrank nach Senf. Ich schnappte mir das Besteck und Travis folgte mir ins Esszimmer, wo wir schließlich den Tisch fürs Abendessen deckten.

      »Alles in Ordnung?«, fragte ich ihn.

      »Oh, sicher, es ist nur…« Er schüttelte den Kopf. »Ist egal.«

      »Nur raus damit. Ich fühl mich nicht so schnell auf den Schlips getreten.«

      Er lächelte und atmete geräuschvoll aus. »Es ist nur… du bist der Boss, richtig?«

      »Ja.«

      Er warf einen Blick zurück zur Küchentür und fuhr leise fort: »Aber Ma kommandiert dich herum… und sie hat dich gescholten, mit vollem Vor- und Nachnamen… Wenn meine Mom das bei mir gemacht hat…« Er schüttelte den Kopf. »Ich wusste dann immer, das bedeutet nichts Gutes.«

      Ich musste darüber lachen. »Die Küche ist ein Bereich, wo jeder frei sprechen kann. Außerdem ist Ma dort der Boss; das ist ihr Reich. Aber wir reden dort nicht wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wir reden… wie eine Familie.« Ich zuckte die Schultern. »Ma und George haben mich praktisch großgezogen.«

      »Oh.«

      Ich lächelte, um keine gedrückte Stimmung aufkommen zu lassen. »Außerhalb der Küche läuft es anders. Ich weiß nicht, warum. Ist immer schon so gewesen.«

      Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hielt aber inne, als George das Zimmer betrat. »Das Abendessen riecht gut. Wir sollten jeden Tag Besucher aus Übersee haben.«

      »Das Abendessen ist immer gut. Vergiss das lieber nicht«, sagte Ma hinter ihm und stellte zwei Schüsseln mit geschmortem Gemüse in die Mitte des Tisches.

      George lächelte, als er sich setzte. »Brauchst du Hilfe, Schatz?«

      Sie verdrehte die Augen und ging wieder hinaus, um gleich darauf mit Schüsseln voller Grünzeug und Bratensoße zurückzukehren. Ich setzte mich an das Kopfende des Tisches, mit George zu meiner Rechten, und bedeutete Travis, sich an meine andere Seite zu setzen. »Nimm Platz.«

      »Sollte ich nicht Ma beim Reintragen helfen?«

      George prustete. »Nur wenn du Todessehnsucht verspürst, Sohn.«

      »Das hab ich gehört, Joseph Brown«, sagte Ma und warf ihrem Mann einen vernichtenden Blick zu. Sie stellte eine Platte mit Roastbeef auf den Tisch. »Ich helfe euch Jungs nicht bei eurer Arbeit, ihr helft mir nicht bei meiner.«

      Ich lächelte sie an und sie zwinkerte mir zu. Als sie wieder weg war, sah Travis mich und George mit offensichtlicher Verwirrung an. »Joseph Brown?«

      »Das ist mein richtiger Name«, sagte George. »Aber ich bin hier seit zwanzig Jahren Vorarbeiter, deshalb nennen sie mich George. So wie George Foreman, wegen Vormann… Vorarbeiter, klar?«

      »Richtig«, sagte Travis mit einem Grinsen. »Natürlich.«

      Genau in diesem Moment hörten wir das Klappern der Hintertür und den Klang von Stimmen und Schritten auf den Holzdielen, und dann betraten die sechs anderen Farmarbeiter das Esszimmer. Ich hatte erwartet, dass Travis vielleicht ein bisschen eingeschüchtert sein würde, aber zu meiner Überraschung stand er auf.

      »Leute«, sagte ich, »das ist Travis Craig, der Bursche aus Amerika. Travis, das hier sind Fish, Trudy, Bacon, Mick, Ernie und Billy.«

      Travis trat vom Tisch weg, um jedem die Hand zu schütteln. Sie stellten sich selbst noch einmal vor, wobei sie freundlich lächelten, den armen Kerl aber gleichzeitig taxierten. Er hielt sich jedoch recht gut. Zum Wohle aller fügte ich hinzu: »Travis, wenn du irgendwelche Fragen hast und weder ich noch George sind hier, dann gehst du und fragst Billy. Er ist mein erster Mann bei der Viehzucht, stimmt's, Billy?«

      »So isses, Boss.«

      Billy war ein Aborigine, ein australischer Ureinwohner: dunkle Haut, schwarzes, drahtiges Haar und ein Lächeln, das die gesamte untere Hälfte seines Gesichtes einnahm. Er war außerdem ein verdammt guter Farmarbeiter, der sich mit Rindern auskannte, und er verstand die Natur dieses Landes. Er arbeitete hier seit etwa sieben Jahren und ohne ihn wäre ich aufgeschmissen.

      Nachdem alle Platz genommen hatten, ging es los und der Amerikaner zu meiner Linken wurde mit Fragen gelöchert.

      »Kannst du reiten?«

      »Ja.«

      »Ein Bike fahren?«

      »Motorrad? Ja.«

      »Wie alt bist du?«

      »Dreiundzwanzig.«

      »Lebst du auf einer Farm?«

      »Ja. In der Nähe von Austin, Texas.«

      »Na ja, bist jetzt schon besser als der letzte Typ«, sagte Mick mit einem Schnauben. »Der arme Kerl aus… wo war der her?«

      »England«, antwortete ich.

      »Armer Junge«, sagte George. »Die Sonne hätte ihn fast gebraten. Das ist jetzt allerdings schon ein paar Jahre her.«

      »Konnte nicht reiten, als er hier ankam«, sagte Fish. »Das Lustigste, was ich je gesehen hab.«

      »Was hat er hier gemacht?«, fragte Travis. »Wenn er gar keine Ahnung hatte?«

      »Es war so eine Studentenaustausch-Sache«, sagte ich. »Er studierte Agrarwissenschaft und wollte anscheinend wissen, wie Farmer in der Wüste so leben.« Dann fügte ich hinzu: »Ich war nicht hier.«

      In diesem Moment kam Ma mit einem Korb frisch gebackener Brötchen zurück ins Zimmer. Das war immer das Letzte, was sie auf den Tisch stellte, bevor sich alle auf ihre Portionen stürzten.

      »Danke, Ma!«, riefen alle im Chor.

      »Das sieht wirklich gut aus, Mrs. Ma«, sagte Billy. Er schenkte ihr sein typisches, entwaffnendes Grinsen und sie klopfte ihm auf die Schulter.

      »Okay«, war alles, was sie sagte, und das war für jedermann am Tisch das Zeichen zu essen.

      Ich muss zugeben, Mas Regeln, was die Tischmanieren anging, waren ein Geschenk des Himmels. Sicher, diese Leute hatten sich ihr Essen verdient. Sie arbeiteten hart und dabei bekam man Hunger – ich war mir ziemlich sicher: Wäre Ma nicht da gewesen, um sie alle im Zaum zu halten, dann hätten sie mit den Fingern gegessen.

      Aber die Höflichkeit setzte sich durch, zumindest so weit, wie es das Leben im Outback erlaubte. Sie benutzten Besteck, baten höflich darum, Schüsseln weiterzureichen oder dass jemand die Butter herüberreicht, und das alles sogar mit Bitte und Danke.

      Während des Essens waren wir still, aber als alle satt waren, kam die Unterhaltung langsam in Gang. Travis antwortete höflich, wenn er etwas gefragt wurde, aber die meiste Zeit über beobachtete er nur und hörte zu, während jeder am Tisch aufgeregt über den bevorstehenden letzten Viehtrieb redete und über die Verheißungen der Regenzeit.

      Regen.

      Das bedeutete viel Arbeit für mich und meine Leute, aber wir hatten eine gute Saison gehabt und ich hatte ein wirklich gutes Team. Im Gegenzug dafür wurde gut für sie gesorgt. So lief das hier.

      Nachdem Ma die Scones, die sie am Nachmittag gebacken hatte, zusammen mit Marmelade und Sahne serviert hatte – die flugs verschlungen


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