Fiona - Sterben. Zsolt Majsai

Fiona - Sterben - Zsolt Majsai


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kämpfen uns nach oben durch. Da es nicht ausgeschlossen ist, dass sich Gopfs hier herumtreiben, auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, bewegen wir uns vorsichtig und die Gefährten bleiben in meiner Nähe. Es ist ein seltsames Gefühl, dass ich plötzlich diejenige bin, die alle anderen beschützt.

      In der ersten Etage, wo die Schlafgemächer sind, gibt es Kampfspuren, aber keine Leichen. Die nächsten Etagen bieten keine Überraschungen, außer, dass die schiere Größe und Fülle meinen Begleitern, die zum ersten Mal hier sind, die Sprache verschlägt. In der dritten Etage befindet sich die Bibliothek und sie füllt die Ebene vollständig aus. Vor drei Jahren habe ich hier viele Stunden verbracht, deswegen kann ich das Staunen der anderen drei gut nachvollziehen.

      Wir finden Emily ganz oben, neben dem Pool. Bereits eine Etage tiefer standen meine Gefährten mit offenem Mund direkt unter dem Wasserbecken, dessen Boden ja durchsichtig ist, und starrten nach oben.

      Das Wasser ist dreckig und von Algen durchsetzt, der früher schön und mit Liebe hergerichtete Bereich drumherum völlig verwahrlost. Ich habe allerdings nur Augen für Emily, die an der Wand gegenüber der Tür sitzt und uns anstarrt.

      Ich bleibe vor ihr stehen. Sie trägt die Reste eines Kleides, das kaum ihre Blößen verdecken kann. Die nackten Beine dunkel vor Schmutz, ihre Haare verfilzt, das Gesicht dreckverschmiert und die Augen ausdruckslos.

      „Emily?“

      Ich gehe vor ihr in die Hocke. Sie sieht mich an.

      „Fiona … Es hat so lange gedauert ...“

      „Ich … Es tut mir so leid. Ich habe deinen Hilferuf nicht erkannt. Nicht verstanden, was es ist. Es … es tut mir so leid.“

      „Ist schon gut … Du hättest eh nichts tun können.“

      „Doch! Und wenn es nur ist, dir die drei Monate in diesem … Dreck zu ersparen!“

      „Drei Monate?“ Sie blickt mich müde an. „Sind es schon drei Monate? So lang kam es mir gar nicht vor. Es spielt überhaupt keine Rolle mehr. Die meisten sind tot, sie haben den Spiegel mitgenommen. Glücklich sind die, die schon tot sind, sie haben es hinter sich. Der letzte Nachfahre hat den Spiegel. Wenn er die Vorfahren befreit, kann nichts und niemand mehr sie aufhalten. Es gibt keine Hoffnung mehr.“

      „Es gibt immer Hoffnung!“ Ich packe Emily und ziehe sie hoch. Sie ist federleicht. Damals in Kanaan sah sie auch nicht viel besser aus. Ihr Schicksal scheint es zu sein, von mir gerettet zu werden. „Wir nehmen dich erst einmal mit und danach sehen wir weiter.“

      „Warte! Ich will sehen, was mit den Ratsmitgliedern ist. Vielleicht haben sie überlebt. Dann und nur dann gibt es doch noch Hoffnung.“

      „In Ordnung. Kannst du gehen?“

      Als sie nickt, lasse ich sie los. Sie steht etwas wackelig, aber sie steht. Ich werfe einen Blick auf die Anderen, dann hake ich mich bei Emily ein und stütze sie.

      Wir gelangen ohne Zwischenfälle auf die Straße. Es ist heller geworden, die ersten Sonnenstrahlen tauchen die Stadt in goldenes Licht, was eine geradezu absurde Atmosphäre erschafft. Obwohl sie sich nicht bewegen, erwecken die Leichen plötzlich den Eindruck von Lebendigkeit, was gerade bei den angefressenen und teilverwesten Exemplaren, also den meisten, wie aus einem schlechten Horrorfilm wirkt.

      Irgendwie muss ich an meine Begegnung mit der Elfe damals denken und erschaudere.

      „Ist dir kalt?“, fragt Katharina, die rechts von mir geht.

      „Nein. Ich musste nur an etwas denken. Die ganze Szenerie hier ist grotesk.“

      „Ja.“

      Der Sitz des Ältestenrats wirkt verlassen, aber aufgeräumt. Ich bleibe stehen.

      „Was ist los?“, erkundigt sich Emily.

      „Sieh mal, die Umgebung des Rathauses ist halbwegs sauber und ordentlich. Ich schätze, da drin sind Liliths, die alles vernichten, was ihnen verdächtig vorkommt.“

      „Sie werden mich erkennen.“

      „Da wäre ich nicht so sicher.“

      Emily starrt mich an. „Sehe ich so schlimm aus?“

      Ich nicke langsam. Und auch mich werden sie wahrscheinlich nicht erkennen. Es ist drei Jahre her, damals trug ich ein Kleid bei unserem Gespräch, keine schwarzen Hosen, Rollkragenpullover und Springerstiefel. Auch wenn wir nicht damit gerechnet haben, dass Augle zerstört sein würde, wussten wir dennoch, dass wir für den Flug von Dubai in die Wüste warme Sachen brauchen werden. In Sommersachen wären wir erfroren.

      „Ich gehe vor“, sagt Emily. „Sie werden sehen, dass ich eine Lilith bin und mir nichts tun. Wartet hier.“

      „In Ordnung. Schaffst du es?“

      „Ja, es geht schon wieder. Ich war nur steif geworden.“

      „Okay.“ Ich beobachte sie, wie sie mit erhobenen Händen auf den Eingangsbereich zugeht. Die Tür öffnet sich langsam, aber niemand sonst ist zu sehen. Hinter ihr schließt sich die Tür wieder. Die ganze Zeit über ist es gespenstisch ruhig. Es dauert jedoch nicht lange, bis die Tür wieder aufgeht und Emily uns zuwinkt.

      Wir betreten die große Halle, die nur durch die Fenster ausgeleuchtet wird. Da inzwischen jedoch die Sonne relativ hoch steht, reicht das Licht aus, um alles gut erkennen zu können.

      Vom Ältestenrat scheinen noch drei übrig zu sein, unter anderem die Erste Lilith, die dem Rat vorsteht. Sie sieht mich freundlich an, ich gehe also davon aus, dass sie mich erkannt hat, und begrüße sie so, wie ich es bei meinem ersten Besuch gelernt habe, mit einem angedeuteten Kuss auf die rechte und die linke Wange.

      Sie legt eine Hand auf mein Gesicht. „Ich bin so froh, dass du doch noch gekommen bist, Fiona.“

      „Mir tut es leid, dass es so lange gedauert hat. Ich habe es nicht verstanden.“

      „Das sollte dir nicht leidtun. Wir haben es versucht, obwohl wir kaum die Hoffnung hatten. Eigentlich ist es schon ein gutes Zeichen, wenn du es wahrgenommen hast und dich daran erinnerst.“

      „Sagst du das, um mich zu trösten?“

      „Nein, meine Liebe, es ist wirklich so.“ Ich sehe ihr an, dass sie die Wahrheit sagt.

      Nachdem ich auch die anderen Ratältesten begrüßt habe, stelle ich meine Begleiter vor.

      „So heiße ich euch auch willkommen“, sagt die Erste Lilith. „Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt. Bitte folgt uns.“

      „Du stehst bei denen ja hoch im Kurs“, flüstert mir Katharina zu, während wir den Ratältesten und Emily in das Sitzungszimmer folgen. Hier sind ein paar Getränke und Kleinigkeiten zu essen aufgestellt. Eine junge Frau steht neben dem Tisch und blickt uns entgegen. Eine der Wächterinnen, schätze ich, die das Massaker überlebt haben.

      „Im Keller sind Vorräte versteckt, die allerdings allmählich zur Neige gehen“, erklärt die Erste Lilith auf unsere verwunderten Blicke hin. „Wegen der Gopfs verlassen wir das Gebäude nicht. Hier drin ist es sicher. Ihr habt Glück, dass ihr es hierher geschafft habt.“

      „Das war kein Glück“, erwidert Sarah, die anscheinend von nichts und niemanden beeindruckt werden kann. „Fiona hat da Tricks auf Lager, dagegen ist selbst Darth Vader ein blutiger Anfänger.“

      „Woher kennst du Darth Vader“, frage ich erstaunt.

      „Oh, wir sind in den letzten zwei Jahren herumgekommen. Glaubst du, nur auf dieser Erde gibt es die Jedis?“

      Ich sag lieber nichts mehr.

      Die Erste Lilith sieht Sarah lächelnd an, dann deutet sie auf die Stühle. „Bitte setzt euch und trinkt und esst, bis Emily sich gesäubert und umgezogen hat.“

      Wir folgen der Bitte. Mir ist nach Weinen zumute. Diese stolze Stadt, die Jahrtausende überlebt hat, liegt in Trümmern, die


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