Fiona - Sterben. Zsolt Majsai

Fiona - Sterben - Zsolt Majsai


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Sie trägt ein einfaches, bodenlanges Kleid und die Haare glatt auf die Schulter fallend. In ihren grünen Augen ist etwas vom gewohnten Glanz zu sehen.

      „Da ist ja meine Emily“, sage ich erfreut.

      Sie lächelt mir zu und setzt sich neben mich. Dann beugt sie sich zu Katharina vor und gibt ihr die Hand. „Ich schätze, du bist die Katharina, die unsere Fiona glücklich macht.“

      Katharina reißt die Augen auf, dann starrt sie mich an. Ich muss mich erst von meinem Hustenanfall erholen.

      „Habe ich was Falsches gesagt, Schätzchen?“ Emily lacht leise auf, dann legt sie einen Arm um mich und sagt zu Katharina: „Wir sind sozusagen Schwestern. Ich liebe Fiona sehr. Sie hat mich gerettet, als ich auf einem sehr dunklen Pfad gewandelt bin und mich ins Licht zurückgeholt. Dafür bin ich ihr dankbar, sehr dankbar.“

      „Klingt nach einer spannenden Geschichte“, sagt Katharina.

      „Ist es auch“, bestätige ich mit Tränen in den Augen. „Ohne Emily hätte ich wahrscheinlich Anne Marie nie kennengelernt.“

      „Ist das gut oder schlecht?“, fragt Emily.

      „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Im ersten Moment wäre ich geneigt zu sagen, es ist schlecht, denn dann wäre Anne Marie noch am Leben und meine Familie auch. Allerdings habe ich gelernt, dass diese Denkweise nichts bringt. Wie es aussieht, kann ich gewissen Eckpfeilern meines Lebens nicht entkommen. Ob die Alternative also besser wäre, das weiß ich nicht. Vielleicht wäre dann Sandra nie geboren worden. Und vielleicht wäre James dann schon damals in Kanaan gestorben, nicht erst ein Jahr später.“

      „Das klingt auch nach einer spannenden Geschichte“, stellt Emily fest.

      „Wir können in der Tat nur einzelne Ereignisse mit einzelnen Entscheidungen immer wieder beeinflussen“, sagt die Erste Lilith. „Der Weg als Ganzes ist auf eine geheimnisvolle Weise festgelegt, die von Manchen als Schicksal bezeichnet wird.“

      „Dann war es Schicksal, dass Garoan Augle gefunden und den Spiegel geraubt hat?“, erkundigt sich Sarah.

      „Ich würde sagen, das war eher Aelfric“, erwidert Emily.

      „Was?!“ Ich sehe sie mit weit aufgerissenen Augen an.

      „Kennst du den etwa?“

      „Den Zombie-König? Natürlich!“

      „Zombie-König?“ Jetzt ist Emily mit Staunen dran. „Nein, er ist ein alter, griesgrämiger Elbenprinz, der am liebsten galaktischen Selbstmord begehen würde. Ein depressiver, alter Idiot.“

      „Aber wie kann das sein? Er war doch in der Zeitfalle gefangen!“

      Jetzt sind es sogar sieben Augenpaare, die mich anstarren.

      „Wie das?“, fragt schließlich Emily.

      „Meine Klone haben ihn da eingesperrt.“

      „Deine was?!“

      „Ist ...“

      „... eine lange Geschichte“, ergänzt Sarah.

      „Die wir vielleicht abkürzen können und den Rest für romantische Abende am Lagerfeuer aufheben“, sagt Thomas.

      „Dich kann ich mit Romantik überhaupt nicht in Verbindung bringen“, erwidere ich. „Davon unabhängig kann ich mich dem Vorschlag nur anschließen. Die extreme Kurzfassung: Ich hatte vor knapp zwei Jahren ein unangenehmes Erlebnis mit Aelfric, bei dem er es geschafft hat, mich in der Verborgenen Welt festzusetzen und zwei Klone von mir zu erschaffen, die ihm eigentlich bei der Zerstörung der Verborgenen Welt helfen sollten. Aber er hat sich verschätzt, was meinen rebellischen Geist angeht und meine Klone haben ihn am Ende in eine Zeitfalle sperren können.“

      „Und wo sind die Klone jetzt?“

      „Sie wurden ausgelöscht, als sie mich befreit haben. Besser so. Eine gelangweilte Hausfrau, die dabei war, in Psychologie zu promovieren, und eine rebellische Vampirlady.“

      „Ach du Scheiße“, sagt Katharina.

      „Genau. Die entscheidende Frage ist aber: Woher wusste Aelfric, dass der Spiegel hier war?“

      „Weil er früher oft unser Gast war“, antwortet Emily. „Er hat uns verraten und dafür wird er büßen.“

      „Und diesmal werde ich dich auch nicht davon abhalten. Allerdings müssen wir uns vorher auf Wichtigeres konzentrieren. Die beiden seltsamen Gestalten hier, Sarah und Thomas, wurden von einem Dargk geschickt, um ...“

      „Dargk?“, unterbricht mich Emily fassungslos.

      „Ja. Kennst du den etwa?“

      Sie sieht die Erste Lilith an und wirkt irgendwie sehr bleich. Die Hautfarbe der Ersten Lilith hat sich auch verändert. Was zum Teufel …?

      „Der Name ist uns nicht unbekannt“, sagt die Erste Lilith langsam. „Wartet bitte hier.“

      Sie erhebt sich, winkt einer der Ratältesten zu und verlässt den Raum. Ich blicke zu Emily, dann zu meinen Gefährten.

      „Habt ihr auch das Gefühl, das hier wächst uns über den Kopf?“, erkundige ich mich dann.

      „Schon lange“, antwortet Sarah.

      „Das beruhigt mich ungemein.“

      Wir verbringen die Zeit, bis die beiden Liliths zurückkehren, schweigend. Wenn die anderen genauso ihren Gedanken nachhängen wie ich, dann werden diese sehr düster sein. Meine sind es jedenfalls. Und ich versuche, ein wenig Ordnung in das Chaos in meinem Kopf hineinzubringen. Irgendwie ist grad alles mit allem verbunden. Aelfric, Garoan, Dargk. Und irgendwie hängt da auch dieser kleine Zauberer mit drin. Der Mistkerl. Das Gefühl, ich sitze in einer Falle, wie die Maus, nur ohne Speck, wird immer stärker.

      Die Erste Lilith trägt ein schweres, großes, richtig großes Buch und legt es auf den Tisch. Es erinnert mich an das Buch bei Nasnat, als ich mit Katharina das allererste Mal bei ihm war.

      „Das Buch der Legenden“, sagt die Erste Lilith stöhnend. „Hier drin sind alle Legenden verzeichnet, die je erzählt wurden. Und hier werden wir Dargk finden. Lasst uns mal schauen ...“

      Sie schlägt das Buch auf und gehtetwas durch, was für mich wie ein Stichwortverzeichnis aussieht.

      „Da haben wir es ja. Die Großen Kriege. Sie gehören zu den … Drachenchroniken.“

      „Oh nein, nicht schon wieder Drachen!“, stöhnt Thomas. Solche emotionalen Reaktionen kenne ich von ihm ja noch gar nicht.

      „Klappe halten, zuhören!“, weist ihn seine Schwester prompt zurecht.

      „So, die Großen Kriege. Und hier haben wir auch schon Dargk. Er beendete den Großen Krieg, und zwar durch einen Reset. Ich glaube, das war vor dreizehn Jahren, aber davon steht hier nichts. Ja, so muss es gewesen sein. Ach ja, und da haben wir es ja auch schon! Dreizehn Jahre, nachdem Dargk den Großen Krieg beendet hat, erscheint die Zweite Kriegerin, die das Universum vor großer Gefahr beschützen soll.“ Sie blickt hoch und sieht mich an. „Bist du die Zweite Kriegerin?“

      „Jawohl, sie ist es!“, ruft Sarah. „Darum hat Dargk uns zu ihr geschickt!“

      Ich starre die Erste Lilith mit offenem Mund an. Sie mustert mich kurz, nachdem sie stirnrunzelnd Sarah angesehen hat, dann liest sie weiter im Buch: „Was steht denn hier sonst noch? Alles Blabla, was zu so einer Legende halt dazugehört. Ah, aber das könnte interessant sein. Ein Ort am Ende des Universums, wo der Schlüssel von irgendwelchen Wächtern bewacht wird. Hm, damit kann ich nicht viel anfangen.“

      „Der Kernel!“ Schon wieder Sarah. Ob ich ihr den Mund stopfen sollte?

      „Bitte was?“, fragt Katharina und klingt auch genervt.

      „Dargk hat was von einem Kernel erzählt. Von einem Ort am Ende der Welt.“

      „Ort am Ende der Welt?


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