Fiona - Sterben. Zsolt Majsai
verwirren.“
„Dafür reicht es nicht, dir den Busen abzuquetschen.“
Sie sagt nichts mehr, sondern beginnt tatsächlich, mich anzuziehen. Scheiße, fühlt sich das blöd an! Sie geht vor mir in die Hocke, hebt erst ein Bein hoch und zieht den Schlüpfer über den Fuß, dann das andere. Danach geht es weiter mit meinem BH, einer schwarzen Bluse und schwarzer Leinenhose. Und schließlich bekomme ich noch Slipper auf die Füße gezogen.
„Fertig“, sagt sie und erhebt sich. „Jetzt bist du dran.“
Schweigend mache ich mich an die Arbeit. Sie erfordert ernsthafte Konzentration, spätestens als ich den Schlüpfer hochziehe und dabei für einen Moment ihre nackte, absolut glatt rasierte Muschi vor Augen und Nase habe. Ich schlucke, dann mache ich weiter. Dabei sehe ich, dass sie unverschämt grinst. Klar, sie hat ja dasselbe schon hinter sich. Nach ein paar Sekunden ist sie auch eingekleidet.
Ich gebe ihr einen Kuss auf den Mund, dann hole ich mein Handy und sehe sie fragend an.
Sie erwidert den Blick nachdenklich.
„Was?“
Statt einer Antwort geht sie zu einem anderen Schrank und holt mehrere Taschentücher hervor, die sie einsteckt.
„Gehen wir“, sagt sie dann.
Mir wird plötzlich bewusst, was mir bevorsteht, und ich würde am liebsten wieder umdrehen, ins Bett gehen, die Decke über den Kopf ziehen und ein paar Wochen schlafen.
Unten treffen wir Helena und Jody an. Sie sind im Pool und knutschen herum. Anscheinend haben sie weniger Hemmungen als wir. Sie sind ja auch deutlich jünger.
Fiona!
Schon gut. Ist doch so.
Ich winke den beiden zu, nachdem Katharina ihnen erklärt hat, wohin wir wollen und dass es spät werden kann.
„Wir kommen zurecht“, erwidert Helena. „Und viel Kraft!“
„Danke.“
Wir gehen in die riesige unterirdische Garage.
„Hast du einen besonderen Wunsch?“
„M3, Cabrio.“
Sie starrt mich an, schließlich nickt sie. „Das kam ja spontan. Wenn du BMW liebst, wieso fährst du dann so einen ollen Kombi?“
„Oller Kombi? So viel langsamer ist der gar nicht!“
„Sieht aber scheiße aus.“ Sie deutet auf ein weißes Cabrio. „Willst du fahren?“
Statt einer Antwort springe ich auf den Fahrersitz. Katharina steigt etwas lässiger auf der anderen Seite ein.
„Wo ist der Schlüssel?“
„Versuch es doch mit dem Knopf da.“
„Trotzdem muss der Schlüssel doch im Auto sein!“
Katharina öffnet das Handschuhfach und holt den Schlüssel hervor. „Zufrieden?“
Ich nicke und starte den Motor. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich zuletzt einen BMW fuhr. Ich muss an meinen 3er denken, den ich damals geschrottet hatte, als der Motorradkiller hinter mir her war. Ganz so heiß wie dieser hier war der zwar nicht, aber auch nicht gerade eine lahme Krücke.
Ich fahre den Wagen zivilisiert nach draußen und gebe erst Gas, als wir auf der langen Geraden sind, die zum Tor führt. Die fünf Kilometer haben wir in wenig mehr als einer Minute geschafft. Dann muss ich allerdings abbremsen, denn das Tor öffnet sich erst, als wir davor stehen.
„Geht das nicht auch etwas komfortabler?“, erkundige ich mich, während ich den Wagen in die Schleuse fahre.
„Ich habe viele Feinde.“
Ein schlagendes Argument.
Draußen gebe ich wieder Gas. Ich fahre die Strecke nicht zum ersten Mal und weiß, wo die Blitzer stehen. Ich will Jacks Protektion nicht überstrapazieren, außerdem erwarten sie mich nicht in einem weißen Cabrio.
Dann biegen wir auf die King Valley ein. Die ersten fünf Grundstücke ziehen an uns vorbei und ich kann bereits die offene Einfahrt meiner Eltern sehen. Daneben die 13, wo wir gewohnt haben. Diese Einfahrt ist mit einem rotweißen Plastikstreifen abgesperrt.
Ich fahre langsamer, bis neben den Plastikstreifen, und starre geradeaus. In diesem Moment weiß ich nicht, ob ich den Anblick ertragen kann.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Katharina mich beobachtet. „Wir können auch später wiederkommen“, sagt sie leise.
Ich schüttele den Kopf und beiße auf meine Unterlippe. Dann sehe ich sie an. An ihr vorbei erkenne ich unscharf die Reste vom Haus, soweit sie von dieser Position aus überhaupt zu sehen sind.
Die ersten Tränen sind draußen.
Schließlich wende ich mich ab und steige aus. Wie in Trance gehe ich um das Auto herum, klettere über die Absperrung und betrete das Grundstück.
Das ausgebrannte Wrack vom Jaguar steht an seinem gewohnten Platz. Nur das Haus ist nicht mehr wirklich da. Ein paar Grundmauern stehen noch, der Rest ist weg. Einfach weg. Und da sind Spuren. Spuren der Feuerwehr, der Polizei und wahrscheinlich auch atomisierte Spuren von James. Und Sandra. Und Danny. Der Rasen zertrampelt, verkohlt.
Ich erinnere mich wieder. Mein Flug vom Büro hierher hat nicht lange gedauert, ich wusste ja, wo ich hin musste. Schon von oben sah ich das Feuer und mir war klar, dass niemand darin am Leben sein konnte. Die Explosion hatte das Haus förmlich weggesprengt und in einem normalen Viertel, wo die Nachbarhäuser viel näher zusammen stehen, hätten diese auch Schaden genommen. Selbst so sind einige Scheiben zersplittert, bei meinen Eltern, und vermutlich auch auf der anderen Seite. Meine Mutter hatte das gesagt, als sie kurz nach mir angekommen waren, vollkommen entsetzt. Sie sagte, dass sie einen Knall gehört haben, dann die zerberstenden Scheiben und dass sie zuerst an ein Attentat gedacht haben.
Es war ja auch ein Attentat.
Katharina tritt neben mich und reicht mir stumm ein Taschentuch. Ich wische mein Gesicht ab und frage mich unwillkürlich, für wie lange die Tränenvorräte wohl reichen werden.
Und ich bin erstaunt über mich. Ich bin trotz der Tränen sehr ruhig. Viel zu ruhig.
Dann höre ich die Schritte und blicke zur Einfahrt. Meine Eltern stehen da, unschlüssig. Als ich nicht reagiere, kommen sie schließlich langsam näher. Ich starre meine Mutter an, dann nehme ich sie schweigend in die Arme. Ich spüre, wie ihre Versteifung sich löst und ansatzlos in heftiges Weinen übergeht.
Verdammte Scheiße.
Ich habe keine Ahnung, wie lange wir so da stehen, beide weinend. Sie ist es, die irgendwann den Kopf hebt und mich ansieht. Katharina reicht uns Taschentücher. Meine Mutter wischt erst mein Gesicht ab, dann ihr eigenes und schnäuzt sich anschließend.
„Wir sollten jetzt vielleicht hineingehen“, schlägt mein Vater vor.
„Das ist eine gute Idee“, sagt Katharina schnell.
Ich zwinge mich, keinen letzten Blick auf die Überreste des Hauses zu werfen und gehe voran. Während meine Eltern mir folgen, springt Katharina in den Wagen und fährt ihn auf den Hof. Mein Vater mustert ihn kurz, sagt aber nichts.
Der Tisch auf der Terrasse ist gedeckt. Von dort kommt uns Nicholas entgegen. Ich umarme ihn stumm, er sagt ebenfalls nichts. Was sollte er auch sagen?
„Wo ist eigentlich meine Mutter?“, erkundige ich mich, weil mir plötzlich bewusst wird, dass sie nicht mit uns gekommen ist.
„Sie kommt gleich nach“, erwidert mein Vater. „Setzt euch schon mal. Möchtet ihr was trinken?“
Katharina wirft mir einen Blick zu, dann nimmt sie Platz. Ich setze mich neben ihr. Die Anspannung, die mein Vater plötzlich ausstrahlt, gefällt mir nicht, aber ich kann die Situation nicht so richtig einordnen. Meine Intuition sagt mir, dass keine Gefahr vorhanden ist. Aber