Fiona - Sterben. Zsolt Majsai

Fiona - Sterben - Zsolt Majsai


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Schoß.

      Ich begrüße die anderen mit einem Handzeichen. Sie grüßen zurück und mustern mich mehr oder weniger unverhohlen neugierig, betroffen, entsetzt, nachdenklich.

      „Möchtest du einen Kaffee?“, erkundigt sich mein Vater.

      Ich nicke, und nachdem mein Vater gegangen ist, lehne ich mich zurück. Katharina legt ihre Arme um mich. Es tut gut, ihren Körper zu spüren. Sie trägt fast das Gleiche wie ich, nur das T-Shirt ist heller. Weniger angenehm sind die Blicke der anderen, die ich ebenfalls deutlich spüre. Bis auf Ben sind alle entweder entgeistert oder, zumindest einer, eifersüchtig. Michael wird genau wissen, dass spätestens ab jetzt er nicht mehr an mich herankommen wird. Und ich glaube, Nilsson hat was geahnt. Immerhin wusste er ja, dass Katharina und ich mal was miteinander hatten.

      Ich bringe meinen Mund ganz nahe an Katharinas rechtes Ohr heran und flüstere: „Wie geht es meiner Mutter?“

      „Eine gute Frage. Als ich mit dir hoch gegangen war gestern, um dich ins Bett zu bringen, und noch eine Weile bei dir lag, bis du eingeschlafen bist, haben deine Eltern sich wohl lange unterhalten. Danach hatte deine Mutter ziemlich verweinte Augen. Aber heute wirkt sie einigermaßen ruhig. Ich denke, sie hat viel nachgedacht.“

      „Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll!“ Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und denke ernsthaft darüber nach, wieder hoch zu gehen und weiterzuschlafen.

      „Sie kommt“, sagt Katharina leise.

      Ich reiße den Kopf hoch und starre meine Mutter an, die auf uns zukommt. Sie trägt einen leichten Sommeranzug und Sandalen. Außerdem dezentes Make-up, was möglicherweise ihren Augen geschuldet ist.

      Sie bleibt vor uns stehen, etwa einen Meter entfernt, und sagt: „Es tut mir leid, Fiona.“

      Oh, oh! Sie nennt mich beim Namen, das ist normalerweise kein gutes Zeichen. Aber vielleicht liegt das auch nur an ihrer Anspannung, weil sie genauso unsicher ist wie ich.

      Und jetzt?

      Ich erinnere mich daran, wie ich sie angeschrien habe. Dass sie sich entschuldigt, muss sie eine unheimliche Überwindung kosten. Und wenn sie das kann, kann ich das auch.

      Ich springe auf und nehme sie in die Arme. Nach einem kurzen Moment entspannt sie sich und erwidert die Umarmung mit aller Kraft.

      Wir stehen eine ganze Weile da, bis plötzlich mein Vater in meinem Blickfeld auftaucht und eine Kaffeetasse hochhält.

      Ich löse mich vorsichtig aus der Umarmung und räuspere mich. Meine Mutter nimmt mein Gesicht zwischen die Hände, sieht mich durchdringend an, dann gibt sie mir einen sanften, sehr mütterlichen Kuss auf den Mund und geht wieder nach draußen.

      Scheiße, was war das denn?

      „Der Kaffee wird kalt“, sagt mein pragmatischer Vater.

      Ich nehme mit einem gemurmelten „Danke“ die Tasse in die Hände und setze mich wieder auf Katharina. Sie lächelt mich an und flüstert: „Danke.“

      Kurz darauf kommt Nicholas rein und bittet zu Tisch. Bei der Gelegenheit erhasche ich einen Blick auf eine Standuhr. Kurz vor zehn. Und das an einem Montagmorgen.

      Ich sitze zwischen Katharina und Ben. Die schwule Ecke, schießt es mir durch den Kopf. Gegenüber die drei Kriegerkollegen, neben ihnen meine Mutter und mein Vater.

      „Gibt es schon einen Termin für die Beerdigung?“, erkundige ich mich.

      „Noch nicht, da du nicht auffindbar warst“, erwidert mein Vater. „Ich werde nach dem Frühstück einen Termin organisieren.“

      „Ist gut. Ich nehme an, es werden einige Leute kommen.“

      „Ja, die Highfooter haben sich bereits angekündigt, auch von unserer Seite viele. Und einige Kollegen.“

      „Und wir auch, wenn wir dürfen“, bemerkt Jack.

      „Natürlich. Ich würde mich freuen.“

      Es wird ein heißer Tag. Bereits jetzt ist es sehr warm. Die Holzdielen unter meinen nackten Füßen arbeiten. Ich mustere das Wasser im Pool zwischen Michael und Nilsson hindurch, während ich an einem Marmeladenbrötchen herumkaue.

      Dann bin ich froh, als das Frühstück ohne besondere Peinlichkeiten und Blackouts von mir vorbei ist. Mein Vater geht ins Haus, vermutlich will er die Beerdigung organisieren. Ich werfe einen Blick auf Katharina, die ihn nachdenklich erwidert.

      Plötzlich steht meine Mutter hinter uns und legt den linken Arm um meine Schulter und den rechten Arm um Katharinas Schulter, beugt sich zwischen uns vor und sagt: „Ich glaube zu verstehen, wie Fiona sich fühlt, was sie meint, wenn sie davon spricht, innerlich zerrissen zu werden. Und wenn eure Liebe ihr hilft, das irgendwie durchzustehen, dann akzeptiere ich das. Aber eins muss euch klar sein: Wenn du, Katharina, meiner Tochter wehtust, wirst du mich als Muttertier kennenlernen. Das meine ich sehr ernst. Ich habe ein Kind verloren und weiß, wie sich das anfühlt. Diese Erfahrung möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Ist das klar?“

      „Okaaay“, sagt Katharina, aber sie lächelt ansatzweise. „Hört sich an, als hätten wir gemeinsame Interessen.“

      „Sehr gut. Möchtet ihr noch einen Kaffee?“

      Wir möchten. Dann starre ich meiner Mutter mit offenem Mund hinterher.

      „Ich glaube, ich mag deine Mutter“, stellt Katharina fest.

      „Ähm … Und ich glaube, ich kenne sie noch gar nicht“, erwidere ich, immer noch durcheinander.

      „Das kommt vor.“

      Wir werden von meinem Vater unterbrochen, der uns mitteilt, dass die Beerdigung um halb eins am Freitag stattfinden wird. Die Zusammenkunft danach findet hier statt.

      Ich seufze: „Wieso ist es nicht schon Samstag?“

      „Wie sehe ich aus?“

      Ich drehe mich um und mustere Katharina, die in der Badezimmertür steht. Die leicht gewellten Haare fallen sanft auf die Schultern, sie trägt einen schwarzen matten Anzug mit weißer Bluse unter dem Blazer, dazu schwarze Lackschuhe mit höchstens sechs Zentimeter Absatz, schwarze, halterlose Strümpfe und einen ebenfalls schwarzen Tanga.

      „Süß. Besonders der Tanga.“

      Sie runzelt die Stirn. „Den siehst du doch gar nicht!“

      „Aber ich weiß, dass du den anhast“, erwidere ich grinsend, froh über die Ablenkung von meinen düsteren Gedanken.

      „Und außerdem bin ich nicht süß.“

      „Doch, jetzt schon. Eigentlich viel zu süß für eine Beerdigung.“

      „Soll ich mich umziehen?“

      Ich verneine kopfschüttelnd.

      „Na gut. In zehn Minuten müssen wir los.“

      „Bin gleich fertig.“

      Ich wende mich wieder meinem Spiegelbild zu. Es ist brav und tut, was es soll. Ich betrachte mich. Wasserfeste Wimperntusche, leicht glänzender Lippenstift, die wilden Haare wild wie immer. James würde es gefallen. Seufzend gehe ich ins Schlafzimmer und ziehe mich an. Katharina hat eher konventionelle Sachen für mich rausgelegt. Schwarzes Rockkostüm über schwarzer Unterwäsche, Bluse und Strumpfhose ebenfalls schwarz. Genauso die Schuhe, mit etwas höheren Absätzen wie ihre eigenen, passend zum Rock.

      Als ich fertig bin, korrigiert Katharina den Blazer an der linken Schulter, dann nickt sie zufrieden.

      „So kannst du gehen.“

      „Ja, James würde es gefallen.“

      „Ich weiß, ich habe ja mitbekommen, was er gut fand. Deswegen habe ich diese Sachen ausgesucht.“

      „Meinst du, er wird da sein?“

      „Ich weiß es nicht, mein Schatz. Du müsstest es doch eigentlich spüren.“

      „Ich


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