Sinfonie der Lust | Erotischer Roman. Ayana Hunter

Sinfonie der Lust | Erotischer Roman - Ayana Hunter


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zu dürfen. Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Aber möglicherweise sollte ich dich nicht mit meinen Problemen behelligen … Allerdings befinde ich mich zurzeit in einer Situation, die mich emotional überfordert und du bist der Einzige, mit dem ich darüber reden kann. Nein, du bist der Einzige, mit dem ich das möchte, denn bei dir fühle ich mich zum ersten Mal seit Langem ernst genommen und verstanden. Ich bin so schrecklich einsam, und damit meine ich nicht nur, dass ich allein bin. So richtig kann ich das nicht erklären. Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, und manchmal frage ich mich, ob das Ganze noch einen Sinn hat. Die Kluft zwischen meinem Mann und mir scheint unüberwindbar. Er zieht sein Ding durch und ich habe das Gefühl, dabei auf der Strecke zu bleiben. Wenn ich etwas älter wäre, dann würde ich sagen, ich befinde mich auf dem direkten Weg in eine Midlife-Crisis oder ich stecke schon mittendrin. Ist so etwas überhaupt altersabhängig? Manchmal denke ich, ich verpasse etwas, in jeglicher Hinsicht. Also in jeglicher … Du weißt schon, was ich damit meine, oder? Und zwar das ganze Leben mit seinen spannenden und aufregenden Facetten. Es ist das Gefühl, in einem goldenen Käfig gefangen zu sein und nicht ausbrechen zu können … Vermutlich bin ich undankbar, denn er ermöglicht mir ein sorgenfreies Leben und wünscht sich eine Familie mit mir als liebevoller Hausfrau, Kindern, Hund, Garten und allem Drum und Dran. Aber mir reicht das alles nicht, ich fühle mich eingeengt. Ich will mich beruflich weiterentwickeln, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, dass ich jemanden vernachlässige. Mein Mann ist ja, wie ich bereits schrieb, momentan für mindestens zwei Monate im Zuge eines Auslandseinsatzes unterwegs. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich könnte die Zeit besser verbringen, als nur auf seine Rückkehr zu warten. Was meinst du?

      Warte sehnsüchtig auf eine Nachricht von dir.

      Deine Clara

      Marc starrte ungläubig auf den Bildschirm. Was hatte er getan, dass diese Fremde ihm so vertrauensvoll das Herz ausschüttete? Er horchte in sich hinein. Es schmeichelte ihm, dass er nur durch die Art und Weise, wie er schrieb, für diese Frau ein Vertrauenspartner geworden war. Und wie hatte er diese Andeutungen zu verstehen? War sie auf ein Abenteuer mit ihm, einem Wildfremden, aus? Er schaute in sich hinein. Vor ein paar Tagen, die Sache mit Dorothee Melzer, das war doch eine selten günstige Gelegenheit gewesen, mal wieder zu vögeln. Sie war vielleicht nicht unbedingt sein Traum von einer Frau gewesen, aber zumindest war sie doch anziehend genug, um ein wenig Spaß zu haben. Aber seine Libido war offenbar komplett eingetrocknet, abgesehen von den immer wieder auftauchenden feuchten Träumen, in denen ihm Juliette erschien. Wenn sie ihn reizte und aufgeilte, ohne dass es ihm jemals gelang, zur Erfüllung zu kommen, denn immer wenn er glaubte, sie endlich bei sich zu haben, verschwand sie wie eine Fata Morgana. Marc fragte sich, wie die Person, die hinter dieser Clara steckte, wohl aussehen mochte. Er stellte sich das Bild von Clara Schumann als junge, hübsche, dunkelhaarige Frau vor, so wie sie auf dem einstigen Hundertmarkschein zu sehen gewesen war. Es gelang ihm auch nicht, ein anderes Bild von ihr in seinen Kopf zu bekommen. Vielleicht war sie ja ganz anders? Vielleicht war sie gar nicht hübsch und zart, sondern eher kräftig und burschikos? Vielleicht war das Ganze ja auch eine Falle. Man hörte ja so viel von Internetbetrügereien, in denen leichtgläubigen Opfern die haarsträubendsten Geschichten erzählt wurden, um sich deren Vertrauen zu erschleichen. Möglicherweise war Clara nicht einmal eine Frau, sondern das Pseudonym eines einsamen Mannes, eines Schwulen vielleicht. Er konnte es sich nur schwer vorstellen, denn ihre Beiträge im Forum zeugten von so viel Herz, Witz und Engagement – das wäre für ihn nicht stimmig. Er beschloss dennoch, vorsichtig zu sein. Solange er nicht mehr von sich preisgab, konnte ihm ja nichts passieren. Aber es reizte ihn, dieses Spiel weiterzutreiben. Ja, nicht nur mitzuspielen, er wollte sehen, wie weit sie ihm vertrauen würde. Ein aufregendes Kribbeln bemächtigte sich seiner, als er die nächste Antwort an Clara formulierte.

       7

      »Willkommen bei Mobilo! Ihr Gesprächspartner ist zurzeit leider nicht verfügbar. Sie können ihm nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen«, die freundliche, erotisch klingende Frauenstimme hatte Marc so satt. Er verzichtete darauf, Nachricht Nummer dreizehn zu hinterlassen. Wütend holte er aus, um das iPhone in die Ecke zu schleudern, doch er überlegte es sich anders. Was war er nur wieder für ein Esel gewesen. Nein, diese Frau verdiente es nicht, dass er wegen ihr das gute Gerät zerstörte. Erneut hatte Juliette ihn um den Finger gewickelt.

      Marc war sich eigentlich sicher, dass er das im Griff hatte. Musste sich aber erneut eingestehen, dass sie es war, die ihn im Griff hatte, was ihn noch mehr ärgerte. Als er aber am letzten Freitag ihre Nachricht gelesen hatte, wusste er bereits, wie es wieder enden würde. Doch seine Sucht nach ihr war zu übermächtig gewesen. Dabei wollte er diesmal auf alles gefasst sein. Dass sie wie ein U-Boot auf- und abtauchte war ja schließlich nichts Neues und er hatte sich vorgenommen, es achselzuckend zu akzeptieren, doch er hatte sich abermals etwas vorgemacht. Warum konnte er nicht einfach den Spaß mitnehmen? Ein sinnlicher Fick war nie zu verachten, besonders nicht mit ihr. Das war das Argument, mit dem er sich selbst betrog.

      Ben konnte das doch auch. Der hatte mit Vanessa seinen Spaß und es störte ihn offenbar nicht, wenn sie mal eine Weile nicht für ihn da war. Die beiden hatten ja augenscheinlich die Übereinkunft, dass sie nur den Sex miteinander genießen und sich ansonsten gegenseitig alle Freiheiten zugestehen wollten. Auch Marc hatte mit Juliette vor Jahren etwas Ähnliches verabredet. Die Freundschaft war ihnen wichtiger als alles andere. Eine herkömmliche Beziehung war ihnen zu banal erschienen und wäre sowieso nicht gut gegangen. Deshalb hatten sie sich geschworen, beste Freunde zu bleiben und den gelegentlichen Spaß mitzunehmen. Das Studentendasein in der Wohngemeinschaft war für ihn die schönste Zeit in seinem Leben gewesen, beinahe hatten sie damals tatsächlich etwas wie eine Beziehung gehabt. Fast, denn Juliette hatte in dieser Phase zahlreiche Liebschaften, manchmal auch mehrere gleichzeitig. Er hatte gelernt, sich nichts daraus zu machen, wenn sie ihre Kerle mitbrachte. Ja, er hatte es damals sportlich genommen und ebenfalls diverse Bräute abgeschleppt. Aber dann waren da auch immer ihre gemeinsamen Stunden, wenn sie eine Flasche Wein leerten und ihre Träume teilten, von denen er zehrte. Und dann gab es immer diese gnadenlos geilen Nummern, die zweisamen und einige Male auch die dreisamen.

      Das Leben hatte mit ihnen dann aber unterschiedliche Pläne gehabt. Während er in Berlin blieb und dort seine Architekturfirma aufbaute, jettete Juliette als Managerin von Software-Projekten um die Welt und blieb selten an einem Wohnsitz. Im Moment hatte sie sich wohl in der Nähe von Düsseldorf niedergelassen. Doch immer wieder tauchte sie bei ihm auf. Mit ihren verrückten Ideen und Plänen, ihrer lebensfrohen Art und ihrem unglaublichen Sex-Appeal schaffte sie es, ihn in ihren Bann zu ziehen.

      Die SMS vom Freitag hatte gelautet: »Marqui, ich brauch’ dich. Hast du am Wochenende Zeit? Ruf mich mal an.« Und das nach der Geschichte bei ihrer letzten Begegnung, als wäre nichts geschehen. Aber Marc hatte alle Bedenken beiseite gewischt. Er brauchte nur dieses »Marqui« zu lesen, der Spitzname, den sie für ihn verwendete, den sie immer – erotisch gehaucht – auf französische Art mit Betonung auf dem »i« aussprach, und ihm war wieder klar, dass er auch diesmal nicht widerstehen würde.

      Bei dem Telefonat hatte er noch versucht, ihr diesbezüglich Vorwürfe zu machen, was denn aus ihrem Plan geworden wäre, den sie beim letzten Mal ausgeheckt hatten und warum sie stattdessen einfach nicht mehr erreichbar gewesen war. Pläne zu schmieden war immer schon eines der aufregendsten ihrer gemeinsamen Abenteuer. Früher, als sie noch Studenten waren, da waren es reine Spinnereien und Fantastereien gewesen. Eine Südseeinsel wollten sie kaufen und darauf einen erotischen Freizeitpark errichten. Natürlich hatten sie keinen Plan, woher das Geld dafür kommen sollte, aber sie malten sich ihren Traum gegenseitig in den lebhaftesten Farben aus, bis sie dann wieder mit einer neuen, verrückten Idee kam. Zuletzt waren diese Vorhaben jedoch immer realistischer geworden, zum einen, weil sie weniger hochfliegend waren, zum anderen, weil beide in wirtschaftlich überaus gesicherten Verhältnissen lebten.

      Das letzte Projekt hatte sogar gute Aussichten gehabt, realisiert zu werden. Juliette hatte ihn von der Idee begeistert, dass sie zusammen professionell Musik machen könnten. Sie hatte ihr altes Saxofon ausgegraben und wieder geübt. Außerdem besaß sie eine wunderschöne rauchig soulige Jazz-Stimme. Sie hatten ein verregnetes Wochenende lang gemeinsam in seinem Gartenhaus am Griebnitzsee verbracht, abwechselnd gevögelt und musiziert. Zur Krönung hatte er für sie einen Song


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