Sinfonie der Lust | Erotischer Roman. Ayana Hunter
unterschriftsreif ausgehandelt, der beinahe perfekt gemacht worden wäre.
Juliette und er wollten eine Saison in ihren Jobs aussetzen und das musikalische Entertainment auf den Kreuzfahrten übernehmen. Dabei die Welt sehen, gemeinsam etwas Unvergessliches erleben und sich jeden Tag lieben. Doch gerade, als er den Vertrag ausgehandelt hatte und sie nur noch unterschreiben musste, war Juliette verschwunden. Als ob dieser Tag nicht existiert hätte, an dem er sie in diesem Hotel getroffen hatte, als sie beschlossen hatten, das Kreuzfahrt-Engagement anzunehmen. Der letzte Tag, an dem er sie gesehen hatte. Aber dann war sie wieder einmal verschollen, wie vom Erdboden verschluckt.
Als er sie bei dem Telefonat vor einigen Tagen darauf angesprochen hatte, wiegelte sie ab, auf ihre übliche Art, sich selbst nicht die Spur einer Schuld einräumend, drehte sie den Spieß einfach um, mit einer Ansage, die keinen Widerspruch zuließ: »Marqui, Liebling, du weißt doch, dass das nicht so einfach ist. Wir haben beide einen Job. Man hat mich damals nach Phoenix, Arizona, gerufen. Was sollte ich tun? Ablehnen, weil ich ein unwiderstehliches Angebot als Barflittchen auf einem Kreuzfahrtschiff hatte? Hör zu, wir sind doch beide erwachsene Leute. Wir haben Verpflichtungen. Alles hat seine Zeit. Wir machen das schon noch irgendwann, ganz bestimmt!« Dann hatte sie schnell das Thema gewechselt. Sie wäre das Wochenende über in Berlin auf einem Meeting, ob sie sich nicht in ihrem Restaurant an der Havel treffen wollten, sie hätte etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen.
Es war wie immer. Was hätte es genützt, wenn er ihr mit dem Vorwurf in den Ohren gelegen hätte, warum sie ihm denn damals nicht wenigstens Bescheid gegeben hatte, dass sie es sich anders überlegt hatte. Vorwürfe würde sie abschmettern, wie sie es immer tat. Er wisse doch, dass sie keine gewöhnliche Frau sei. Deshalb habe er sich sie ja wohl ausgesucht. Und er sei ihr allerallerbester Freund für immer. Sie sollten es nicht kaputt machen durch diesen albernen Beziehungsstress. Damit hatte sie recht, sie hat ihm in dieser Hinsicht nie etwas vorgemacht und er kannte ihre Unstetigkeit. Es war ganz allein sein Problem, wenn er sich darauf einließ. Er wusste nicht einmal, was sie eventuell gleichzeitig mit anderen Männern laufen hatte. Er wollte es gar nicht wissen. Das Problem war nur, dass er immer noch viel mehr wollte als gelegentlichen Spaß. Er wusste, dass er sich da nichts vorzumachen brauchte, sollte sie mit ihm zusammenziehen wollen oder gar heiraten, würde er das auf der Stelle tun. Egal wie unvernünftig es war, dieser Frau war er hoffnungslos verfallen.
Nach dem Telefonat war er wieder einmal in einen innerlichen Zwiespalt verfallen, aber es gab für ihn keinen Zweifel, dass er die Verabredung in dem Restaurant wahrnehmen würde. Auch nicht der Gedanke an seine neue Internet-Schwärmerei konnte ihn davon abhalten. Die Begeisterung für Clara war möglicherweise nur eine Ausgeburt seiner Fantasie, Juliette hingegen war seit vielen Jahren seine Realität, wenn auch nur in sporadischen Abständen.
Und dann hatte er sie getroffen, in ihrem kleinen, gemütlichen Lokal mit Blick auf die Havel, das sie schon früher gelegentlich besucht hatten, als sie noch gemeinsam in Berlin lebten. Das Gespräch, das sie geführt hatten, lag schon einige Tage zurück, aber er erinnerte sich noch an jedes einzelne Wort. Es war ein Samstagnachmittag, Nieselwetter. Die Gaststätte war fast leer gewesen. Als er kam, saß sie bereits an ihrem alten Stammtisch direkt am Fenster, von wo aus man die auf dem Fluss vorbeischippernden Boote beobachten konnte. Sie erkannte ihn schon von Weitem, stand auf und empfing ihn mit ausgebreiteten Armen. In ihrem Blick erkannte er wirkliche, unverfälschte Freude. Sie umarmten und drückten sich ganz fest und sie flüsterte ihm ins Ohr: »So … so schön, dich zu sehen …« Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn auf den Mund. Ein herzlicher, doch kein sinnlicher Kuss. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl und deutete ihm an, ebenfalls Platz zu nehmen.
Er blickte in ihre grünen Augen, sie strahlten wie Smaragde und ihre Sommersprossen auf den vollen Wangen schienen zu funkeln wie Sterne in einer Sommernacht. »Wie geht es dir, Marqui, alles gut?« Marc erzählte ihr von seiner Klettertour, von seinem Unfall und von Ben, der ihn gerettet hatte und der sein bester Freund geworden war. Aber er erzählte nichts davon, warum er ohne Sicherung auf diesen Felsen gestiegen war und welche Unachtsamkeit dafür gesorgt hatte, dass er abgestürzt war.
»Diesen Ben, den musst du mir mal unbedingt vorstellen«, meinte Juliette. Er schob diesen Gedanken aber sofort beiseite, nicht auszumalen, was daraus entstehen könnte, denn sein Kumpel hatte ihn immer für verrückt erklärt, wenn er ihm von Juliette erzählte. Offenbar hatte er keine gute Meinung von ihr. Aber er kannte sie ja auch gar nicht, er konnte das nicht nachvollziehen.
»Aber genug von mir«, wechselte er das Thema. »Du hast mir geschrieben, dass es ein Problem bei dir gibt.«
»Ja, meinem Opa geht es nicht gut.« Sie rührte versonnen in ihrem Kaffee. Juliette war väterlicherseits halbe Französin, hatte aber ihren Vater früh durch einen Unfall verloren, sodass sie kaum noch Beziehungen dorthin pflegte. Lediglich von ihrem Großvater hatte sie einige Male erzählt und dass sie ihn ab und zu in der Normandie besuchte.
»Die Ärzte geben ihm nur noch ein paar Wochen. Ich möchte zu ihm fahren und ihm Lebewohl sagen.«
»Das ist wirklich sehr traurig«, Marc bemühte sich um Anteilnahme, aber er kannte ihre Familie nur aus Erzählungen. Vorgestellt hatte sie ihn ihren Leuten nie.
»Und wie kann ich dir helfen?«
»Ich möchte, dass du mich begleitest. Nur für zwei Wochen. Würdest du das für mich tun?« Sie blickte ihn mit dem schrägen Blick an, der ihn jedes Mal aus dem Konzept brachte und dem er eigentlich immer unterlag. Er kämpfte innerlich mit sich, denn eigentlich wusste er bereits, dass daraus höchstwahrscheinlich wieder nichts werden würde. Er schaute ihr eindringlich in die Augen, um darin zu lesen, was wohl in ihrem unergründlichen Kopf passierte. Fast unmerklich wandelte sich ihr Ausdruck in ein verschmitztes Lächeln. Dabei nagte sie ganz leicht an ihrer Unterlippe.
»Du kennst dich doch mit Schafen aus.«
»Mit Schafen? Nein. Wie kommst du jetzt darauf?«
»Ach komm, erzähl mir nichts. Weißt du noch, damals, als du dieses Schäfchen angeschleppt hast … Wie hieß sie gleich?« Er wusste sofort, worauf sie anspielte. Dieses Mädchen war wirklich ziemlich einfältig gewesen. Aber an einen Namen konnte er sich nicht mehr erinnern.
»Isabella!«
»Ja, ich erinnere mich!« Jetzt fiel es ihm auch wieder ein, als wäre es gestern gewesen. »Ich hatte ihr damals weisgemacht, dass du frigide bist und dass es niemanden geben würde, der in dir Lust entfachen könnte.«
»Das hast du gut gemacht. Und du weißt auch sicher noch, wer dir diesen Tipp gegeben hat.«
»Na klar, solche Ideen kamen immer von dir.«
»Sie ist auch sofort darauf eingegangen, als du die Wette vorgeschlagen hast und meintest, nicht einmal die erfahrene Zunge einer Frau könnte mir irgendeine Reaktion entlocken.«
»Und wie sie das dann konnte. Das hat ihren Ehrgeiz geweckt«, er musste grinsen, als er daran zurückdachte, wie er mit seiner leicht beschwipsten Eroberung in Juliettes Zimmer eingedrungen war. Sie trug nur ein Nachthemd und tat zuerst etwas empört, dass die beiden sie im angetrunkenen Zustand belästigten. Marc hatte ihr ganz offen erzählt, dass sie zu ihr gekommen seien, weil Isabella das Geheimnis kennen würde, wie man aus ihr etwas Geilheit herauskitzeln könnte. Dann hatte er einfach Isabellas Hand ergriffen und Juliette auf die Brust gelegt. Und anschließend verselbstständigte sich alles. Auch Isabella hatte offenbar keinerlei Vorbehalte gegenüber lesbischen Spielen gehabt.
»Oh, Marqui, war das geil. Sie hatte wirklich ein flinkes Zünglein und wusste ziemlich genau, was sie tat. Es war ziemlich anstrengend für mich, das Fräulein Rührmichnichtan zu spielen. Hast du mich eigentlich dafür schon einmal gelobt?«
»Ja, bestimmt tausend Mal! Du hast auch ganz gequält zur Seite geschaut. Isabella dachte da bestimmt, dass sie nicht gut genug wäre, aber mir war klar, dass du zu tun hattest, deine Lustschreie zu unterdrücken.«
»Ja, und dann apropos Schafe. Du erinnerst dich doch noch an mein Fell?«
»Ja, natürlich, wir haben es Vögelfell genannt.«
»Genau,