El Gustario de Mallorca und das tödliche Elixier. Brigitte Lamberts
für den Patxaran gehabt haben. Davon zeugt auch ein Regal im Inneren der Bar mit lauter alten Fläschchen. Kommen Sie, ich zeige sie Ihnen.«
Sven nimmt sein Glas und folgt der jungen Frau in die Bar.
»Schauen Sie hier.«
Sven blickt verblüfft auf ein Regal voll mit Patxaran-Fläschchen.
»La cuenta, por favor«, ertönt es aus der hinteren Ecke der Bar. Jemand will die Rechnung und so wie die Stimme klingt, möglichst rasch.
Interessiert betrachtet er die Fläschchen, die alle unterschiedliche Etiketten haben. Trotz der beeindruckenden Auswahl scheinen sie neueren Datums zu sein, bestimmt nicht aus früheren Jahrhunderten. Wäre auch zu schön gewesen, schmunzelt Sven.
Die junge Bedienung kommt zurück. »Sie können gerne das eine oder andere Fläschchen erwerben.«
»Ja, eine gute Idee.«
»Sie reicht ihm eine Getränkekarte, die eine stattliche Auswahl an Patxaransorten zeigt.
»Worin besteht der Unterschied?«, will Sven wissen.
»Jeder Hersteller hat seine eigene Rezeptur. Die einen sind milder, die anderen kräftiger. Manche Hersteller fügen Kaffeebohnen hinzu, andere Zimtstangen. Sie sehen also, Patxaran ist nicht gleich Patxaran. Sie müssen aber auf das Güte- und Herkunftssiegel achten.«
Sven schaut sie irritiert an.
Sie lacht. »Ja, es gibt eine Aufsichtsbehörde zur Patxaran-Herstellung. Man will die Verbreitung von Nachahmerprodukten in minderer Qualität unterbinden.«
Sie greift nach einem Fläschchen aus dem Regal und zeigt Sven das Gütesiegel. »Auf so ein Siegel müssen Sie achten.«
»Das ist ja spannend. Wer kann mir da mehr erzählen? Vielleicht der Vorbesitzer? Den würde ich gern kennenlernen.«
»Das tut mir leid, das geht nicht mehr.«
Sven blickt sie fragend an.
»Er ist leider verstorben.«
»Schade!« Die Enttäuschung ist ihm anzumerken.
Sie streicht sich eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr. »Aber wenn Sie mehr erfahren wollen über die Bar, den Patxaran und über Valdemossa, dann mache ich Sie gerne mit einem Freund bekannt.«
»Und wer ist das?«
»Er ist der Hausmeister des Klosters. Seine Familie lebt schon seit Generationen in Valdemossa. Er kommt immer mittags auf eine Kleinigkeit zu uns.«
»Das wäre toll. Ich würde ihn gern zu einem Patxaran einladen.«
Die junge Frau nickt Sven zu, dann greift sie nach zwei Tellern, die ihr eine etwas pummelige Frau in Kochschürze aus der Küche anreicht.
Er nippt erneut an seinem Glas und setzt sich an einen kleinen Tisch mit Blick zur offenen Küche. Pass auf, der schmeckt köstlich und gleich hast du einen im Kahn, ermahnt er sich. Interessiert schaut er der Mallorquinerin zu, wie sie liebevoll das Essen auf den Tellern anrichtet.
Die junge Deutsche bedient flink die Gäste auf der Terrasse. Immer wieder blickt er auf seine Armbanduhr. Langsam wird es Zeit für ihn, wieder nach Palma zurückzufahren. Er hat sich vorgenommen, heute noch mit seinem Reiseführer zu beginnen und Eindrücke aufzuschreiben. Der Verleger will bestimmt bald erste Resultate sehen. Er steht auf und geht zur Bar, um zu bezahlen.
»Ihr Freund kommt wohl nicht mehr?«
»Es sieht ganz danach aus, tut mir leid.« Die junge Frau balanciert schon wieder zwei Teller auf ihren Unterarmen. »Sonst ist er immer um diese Uhrzeit da.«
»Wie kann ich ihn erreichen?«, fragt Sven, als sie erneut von der Terrasse hereinkommt.
»Er wohnt in der Nähe des Klosters, auf der Carrer pins. Die Hausnummer weiß ich allerdings nicht.«
»Und wie ist sein Name?«
»Paco Ferrer. Wenn Sie ihn nicht antreffen, dann kommen Sie doch einfach morgen wieder zu uns. Ich erzähle ihm von Ihnen, dann wird er bestimmt warten und sich etwas Zeit für Sie nehmen.«
»Ja, das wäre prima. Ich versuche, morgen wiederzukommen.« Er deutet auf zwei kleine Patxaran-Fläschchen im Regal. »Die möchte ich kaufen.«
»Ja klar.« Die junge Frau öffnet die kleine Tür der Anrichte neben dem Regal und holt zwei Fläschchen heraus.
Sven verabschiedet sich und verlässt die Tapas-Bar. Die Hitze schlägt ihm entgegen und der Patxaran zeigt plötzlich seine Wirkung. Ihm rinnt der Schweiß den Nacken hinunter. Unschlüssig steht er da.
Am liebsten würde er sofort nach Cas Català zurückfahren, doch dann müsste er morgen nochmals hierher fahren, um Paco zu treffen. Er entschließt sich, die angegebene Adresse aufzusuchen, und konzentriert sich: Also hier links rauf, dann die nächste rechts, wieder weiter nach oben und dann nochmals nach links.
Und wirklich, nach der letzten Biegung gelangt er auf die Carrer pins. Die schmale Gasse ist rechts und links von kleinen Häusern gesäumt. Nicht alle haben ein Namensschild an der Tür, doch Sven geht die Häuser stoisch ab. »Wie wäre es, wenn du jemanden fragen würdest?«, spricht er mit sich selbst. Er schaut sich um. Vor einem kleinen Haus, an dem sich Kletterrosen die Hauswand hinaufhangeln, sitzt eine alte Frau in einem Schaukelstuhl. Sie ist dunkel gekleidet, trägt ein Tuch über den Haaren, die abgearbeiteten Hände liegen in ihrem Schoß.
»Señora, bitte entschuldigen Sie, wo wohnt Paco Ferrer?« Die Frau reagiert nicht. Also stellt er sich direkt vor sie hin. Mit erstaunlich klaren und hellen Augen blickt sie ihn an und legt eine Hand an ihr Ohr.
Sven erhebt seine Stimme: »Señora, entschuldigen Sie, wo wohnt Paco Ferrer?«
Die alte Frau lächelt, dann zeigt sie auf das übernächste Haus auf der anderen Seite der Gasse. Sven bedankt sich und steuert auf das gepflegte Haus zu, vor dem zwei große Kübel mit Palmen am Eingang stehen. »Der hat kein Namensschild, gut, das ich gefragt habe«, murmelt er vor sich hin. Er drückt den kleinen schwarzen Knopf. Nichts tut sich. Er drückt erneut die Klingel. Aber auch jetzt kommt niemand an die Tür. Mist, dann muss ich morgen doch noch einmal herkommen.
Er wendet sich ab und will zurück zum Parkplatz gehen, da sieht er zwei Männer. Er erkennt sie sofort. Der mit der großen Nase dreht sich nach ihm um. Sven springt hinter eine der Palmen. Was machen die denn hier? Hoffentlich haben die mich nicht gesehen. Vorsichtig lugt er zwischen den Palmwedeln hindurch. Doch die zwei Männer sind nicht mehr zu sehen.
Kapitel 10
Cas Català. Gemeinde Calvià. Sven steigt gerade die Treppe zu seiner Wohnung hinauf, da klingelt sein Handy. Umständlich holt er es aus seiner Hosentasche und blickt auf das Display.
»Tim, schön, dass du anrufst. Bist du auf Mallorca?«
»Ja, ich habe gerade einige Tage frei. Ich bin nicht weit entfernt von dir und wollte fragen, ob wir etwas unternehmen wollen.«
»Was schlägst du vor?«
»Ich hole dich mit dem Taxi ab, dann fahren wir nach Palma rein und ich zeige dir das Celler sa Premsa, ein super Restaurant mit vorzüglichem Kaninchen.«
»Prima Idee, ich bin in zehn Minuten unten.«
Kurze Zeit später hält das Taxi vor dem Haus. Die beiden begrüßen sich herzlich. Kaum sind sie eingestiegen, gibt Tim dem Fahrer die Adresse durch. »Bin gespannt, was du sagst. Das Celler sa Premsa ist eine Institution in Palma, viele Einheimische gehen dorthin.«
Sven schaut interessiert aus dem Fenster und lässt die Stadt an sich vorbeiziehen. Es beginnt zu dämmern und vereinzelt gehen die Straßenlaternen an. Am Plaza Obispo Berenguer de Palou hält der Fahrer an. Tim bezahlt, während Sven aussteigt. Alte Häuser und große Bäume begrenzen den Platz, der in ein eigentümliches Licht getaucht ist. Die Atmosphäre verwundert ihn. Es hat etwas Unheimliches, fast Mystisches, wie das warme Licht der Straßenbeleuchtung