Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek


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Schwejk und dem Droschkenkutscher bedeutungsvoll zuzwinkerte, »wir sind zu Fuß gegangen.«

      Und plötzlich, in einer Anwandlung von Großmut, warf er dem Droschkenkutscher seine Börse zu: »Nimm dir alles, ich kann zahlen. Mir kommts nicht auf einen Kreuzer an.«

      Er hätte sagen sollen, daß es ihm auf sechsunddreißig Kreuzer nicht ankomme, denn mehr gabs in der Börse nicht. Zum Glück unterzog ihn der Droschkenkutscher einer gründlichen Untersuchung, wobei er von Watschen sprach.

      »Also hau mir eine herunter«, sagte der Feldkurat, »glaubst du, daß ichs nicht aushalte? Fünf Watschen von dir halt ich aus.«

      In der Weste des Feldkuraten fand der Droschkenkutscher ein Fünfkronenstück. Er ging, sein Schicksal und den Feldkuraten verfluchend, der ihn aufgehalten und ihm das Geschäft verdorben habe.

      Der Feldkurat schlief nur langsam ein, weil er ununterbrochen Pläne schmiedete. Er wollte alles mögliche unternehmen, Klavier spielen, Tanzstunden besuchen und Fische backen.

      Dann versprach er Schwejk seine Schwester, die er nicht hatte. Auch wünschte er, man solle ihn ins Bett tragen, und zu guter Letzt schlief er ein, indem er erklärte, er fordere, ihn als einen Menschen anzusehen, der den gleichen Wert besitze wie ein Schwein.

      III

      Als Schwejk am Morgen zum Feldkuraten ins Zimmer trat, fand er ihn auf dem Diwan liegend und angestrengt darüber nachdenkend, wieso ihn jemand auf so sonderbare Art begossen hatte, daß er mit der Hose an dem ledernen Kanapee klebe.

      »Melde gehorsamst, Herr Feldkurat«, sagte Schwejk, »daß Sie sich in der Nacht…«

      Einige Worte klärten ihn auf, wie entsetzlich er sich irre, wenn er glaube, begossen worden zu sein. Der Feldkurat, der einen ungewöhnlich schweren Kopf hatte, war in bedrückter Stimmung.

      »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er, »wie ich aus dem Bett aufs Kanapee gekommen bin.«

      »Im Bett waren Sie überhaupt nicht, gleich, wie wir gekommen sind, hab ich Sie aufs Kanapee gelegt, weiter is es nicht mehr gegangen.«

      »Und was hab ich aufgeführt? Hab ich überhaupt was aufgeführt? War ich nicht vielleicht betrunken?«

      »Nicht zum Sagen!« entgegnete Schwejk, »vollkommen, Herr Feldkurat, ein kleines Delirium is auf Sie gekommen. Ich glaube, es wird Ihnen guttun, wenn Sie sich überziehn und abwaschen wern.«

      »Mir ist, wie wenn mich jemand verprügelt hätt«, klagte der Feldkurat, »und dann hab ich Durst. Hab ich mich nicht gestern herumgeschlagen?«

      »Es war nicht so arg, Herr Feldkurat. Der Durst ist die Folge von dem gestrigen Durst. Draus kommt man nicht so bald heraus. Ich hab einen Tischler gekannt, der hat sich zum erstenmal am Silvester im Jahre 1910 besoffen und am ersten Jänner früh hat er solchen Durst gehabt, und es war ihm so schlecht, daß er sich einen Hering gekauft hat und von neuem getrunken hat, und so macht ers täglich schon über vier Jahre, und niemand kann ihm helfen, weil er sich immer schon Samstag Heringe auf die ganze Woche kauft. Das is halt so ein Ringelspiel, wie ein alter Feldwebel beim 91. Regiment gesagt hat.«

      Der Feldkurat war von einem vollendeten Kater und einer vollständigen Depression befallen. Wer ihn in diesem Augenblick gehört hätte, wäre überzeugt gewesen, daß er die Vorträge des Doktors Alexander Batĕk »Erklären wir dem Dämon Alkohol, der uns unsere besten Männer mordet, Krieg auf Tod und Leben« besuche und seine »Hundert ethischen Funken« lese.

      Er legte sichs allerdings auf seine Art aus. »Wenn man noch«, sagte er, »edle Getränke trinken möcht wie Arrak, Maraschino, Kognak, aber ich hab gestern Wacholderbranntwein getrunken. Ich wundre mich, daß ich das saufen kann. Schmecken tuts widerlich. Wenns wenigstens Griotte wär. Die Leute erfinden verschiedene Schweinereien und trinken sie wie Wasser. So ein Wacholderbranntwein ist nicht einmal schmackhaft, er hat nicht mal Farbe, brennt im Hals. Und wenn er wenigstens echt wär, ein Destillat aus Wacholder, wie ichs einmal in Mähren getrunken hab. Aber dieser Wacholderbranntwein war aus Holzspiritus und Öl. Schaun Sie, wie ich krächz.

      Schnaps ist Gift«, sagte er überzeugt, »oder er muß ein ursprüngliches Original sein, echt und nicht in einer Fabrik auf kaltem Weg von Juden hergestellt. Das ist so wie mit dem Rum. Ein guter Rum ist eine Seltenheit.

      Wenn ich einen echten Nußbranntwein hier hätte«, seufzte er, »der tät mir den Magen in Ordnung bringen. So ein Nußbranntwein, wie ihn Hauptmann Schnabl in Bruska hat.«

      Er fing an, seine Taschen zu durchsuchen und schaute in seine Börse.

      »Ich hab alles in allem sechsunddreißig Kreuzer. Was, wenn ich das Kanapee verkaufen würde«, überlegte er, »was meinen Sie, wird jemand das Kanapee kaufen? Dem Hausherrn sag ich, daß ichs weggeborgt hab oder daß es uns jemand gestohlen hat. Nein, das Kanapee laß ich mir. Ich werde Sie zum Herrn Hauptmann Schnabl schicken, er soll mir hundert Kronen borgen. Er hat vorgestern beim Kartenspiel gewonnen. Wenn Sie dort nichts ausrichten, so gehn Sie nach Wrschowitz in die Kaserne zum Oberleutnant Mahler. Gehts dort nicht, gehn Sie auf den Hradschin zu Hauptmann Fischer. Dem sagen Sie, daß ich Furage fürs Pferd zahlen muß, die ich vertrunken hab. Und wenns Ihnen nicht mal dort gelingt, versetzen wir das Klavier, und wenn weiß Gott was geschehn sollt. Ich schreib Ihnen für alle Fälle paar Zeilen auf. Lassen Sie sich nicht abfertigen. Sagen Sie, daß ichs brauch, daß ich ganz ›schwarz‹ bin. Denken Sie sich aus, was Sie wolln, aber kommen Sie mir nicht mit leeren Händen zurück, oder ich schick Sie an die Front. Fragen Sie beim Hauptmann Schnabl, wo er diesen Nußbranntwein kauft, und kaufen Sie zwei Flaschen.«

      Schwejk erfüllte seine Aufgabe glänzend. Seine Einfalt und sein ehrliches Gesicht sicherten ihm vollkommenes Vertrauen: Man glaubte ihm ohne weiteres, daß alles, was er sagte, wahr sei.

      Schwejk hielt es für angezeigt, weder bei Hauptmann Schnabl noch bei Hauptmann Fischer oder Oberleutnant Mahler davon zu sprechen, daß der Feldkurat die Furage für das Pferd zahlen müsse, sondern stützte seine Bitte auf die Erklärung, der Feldkurat müsse Alimente zahlen. Er erhielt überall Geld.

      Als er, ruhmreich von der Expedition zurückgekehrt, dreihundert Kronen vorwies, war der Feldkurat, der sich inzwischen gewaschen und umgekleidet hatte, sehr überrascht.

      »Ich war lieber gleich bei allen«, sagte Schwejk, »damit wir uns nicht morgen oder übermorgen von neuem um Geld kümmern müssen. Es ist glatt genug gegangen, nur vorm Hauptmann Schnabl hab ich auf die Knie falln müssen. Das scheint eine Bestie zu sein. Aber wie ich ihm gesagt hab, daß wir Alimente zahln müssen …«

      »Alimente?« wiederholte der Feldkurat entsetzt.

      »Na freilich, Alimente, Herr Feldkurat, eine Abfindung für die Mädln. Sie ham gesagt, ich soll mir was ausdenken, und mir is nichts anderes eingefallen. Bei uns hat ein Schuster fünf Mädln Alimente gezahlt und war drüber ganz verzweifelt und hat sich auch drauf ausgeborgt, und jeder hat ihm gern geglaubt, daß er in einer schrecklichen Lage is. Sie ham mich gefragt, was das für ein Mädl is, und ich hab gesagt, sie is sehr hübsch und noch nicht fünfzehn Jahre alt. Da ham sie ihre Adresse gewollt.«

      »Da haben Sie was Schönes angestellt, Schwejk«, seufzte der Feldkurat und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.

      »Das ist wieder ein hübscher Skandal«, sagte er, während er sich am Kopfe packte, »ich hab solche Kopfschmerzen.«

      »Ich hab Ihren Bekannten die Adresse von einer alten, tauben Frau bei uns in der Gasse gegeben«, erklärte Schwejk. »Ich habs gründlich durchführen wolln, denn Befehl is Befehl. Ich hab mich nicht abfertigen lassn – und etwas hab ich mir doch ausdenken müssn. Und im Vorzimmer wartet man auf das Klavier. Ich hab die Leute gleich mitgebracht, damit sies uns ins Versatzamt schaffen, Herr Feldkurat. Es wird gar nicht übel sein, wenn das Klavier wegkommt. Es wird mehr Platz sein, und wir wern mehr Geld beisamm ham. Und ham auf paar Tag Ruh. Und wenn der Hausherr fragen wird, was wir mit dem Klavier gemacht ham, sag ich, daß die Drähte drin gerissen sind und daß wirs in die Fabrik zur Řeparatur geschickt ham. Der Hausmeisterin hab ichs schon gesagt, damits ihr


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