Sophienlust Extra 8 – Familienroman. Laura Martens

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      »Nächstes Wochenende fahre ich heim«, erwiderte Mirja mit einer Stimme, aus der echte Freude klang. »Nike und Binka kommen von der Dressur zurück. Sie wären sicher sehr enttäuscht, wenn ich nicht da wäre.«

      »Lasse dich aber ja nicht einwickeln«, mahnte die Tante. »Sie ist eine ganz raffinierte Person. Nur wenn du so ablehnend bleibst, wirst du sie in die Enge treiben können. Ich habe deinem Vater übrigens geschrieben, dass ich dich zu mir nehmen möchte. Wenn es hier auch schön ist, so ist es doch ein Heim. Bei mir sollst du es nicht anders, als bei deiner Mutter haben. Dein Vater hat mir noch nicht geantwortet.«

      Mirja war bei diesen Worten leicht erblasst. Wenn sie es genau überlegte, dann mochte sie Tante Erika gar nicht so besonders. Sie hatte stets etwas an ihr auszusetzen.

      »Das wäre viel zu umständlich für dich«, entgegnete Mirja. »Ich bleibe lieber hier. Du hast ja auch keine Reitpferde, Tante Erika. Außerdem habe ich mich mit Dominik angefreundet. Das ist ein ganz reizender Junge. Ihm wird mal alles später hier gehören. Aber er spricht nie davon. Wenn man nicht wüsste, wie reich er ist, würde man es kaum merken, weil er so natürlich und umgänglich ist.«

      Die Nase der Tante hatte sich bei diesen Worten gekraust. Es sah sehr drollig aus. Mirja spürte einen Lachreiz in sich aufsteigen und wunderte sich, dass sie auf einmal Lust hatte, herauszulachen.

      »Also, das gefällt mir überhaupt nicht!«, zischte die Tante nun erbost. »Mädchen und Jungen zusammen unter einem Dach! Das ist einfach unerhört. Ich verstehe nicht, dass dein Vater dies erlaubt.«

      »Da ist doch aber gar nichts dabei?«

      »Du mit deinem kindlichen Gemüt merkst natürlich nicht, wie schädlich dies für die Erziehung eines halbwüchsigen Mädchens ist. Nein, ich werde jetzt alle Schritte unternehmen, um dich von hier wegzuholen. Ich werde mich an das Jugendamt wenden. Ich werde …«

      Erika Lauheim hörte entsetzt auf zu sprechen, denn Mirja lachte plötzlich so laut, dass ihr die Tränen in die Augen traten. »Es ist schandbar, wie du dich hier zu entwickeln beginnst!«, ereiferte sich Erika Lauheim erbost. »Leider ist Frau von Schoenecker heute nicht anwesend, und diese Frau Rennert macht einen mehr als sturen Eindruck. Sie hat mich überhaupt nicht zu Wort kommen lassen. Mit dir soll ich nur zehn Minuten sprechen dürfen.«

      »Die scheinen bereits um zu sein!« sagte Mirja immer noch mit einem Lachreiz kämpfend. »Dort kommt Dominik. Jetzt lernst du ihn also kennen. Sieht er nicht fabelhaft aus? Mir ist noch nie ein besser aussehender Junge begegnet!«

      Dominik war lässig herangekommen. Er lächelte und stellte sich vor. Dabei bemerkte er mit einem raschen Seitenblick, dass Mirja lachte. Das hatte er bisher noch nie erlebt. Sie sieht entzückend aus, wenn sie lacht, dachte er.

      »Entschuldigen Sie«, sagte er höflich, »ich bin extra von Schoeneich gekommen, um Mirja Unterricht zu geben. Wir müssen die Zeit einhalten. Ich habe nämlich nachher eine Verabredung.«

      »Geh schon vor!«, befahl Erika Lauheim. »Ich habe mit meiner Nichte noch etwas zu besprechen.«

      Dominik ging nur zögernd weg. Auch Mirja setzte sich in Bewegung, sodass die Tante vorwurfsvoll sagte: »Geh nicht so rasch! Dieser Bengel wird ja wohl etwas warten können.«

      Noch nie zuvor hatte Mirja so deutlich gemerkt, dass die Tante über alles missachtend sprach. »Dominik ist nett!«, widersprach sie energisch. »Er benimmt sich bestimmt nicht wie ein Bengel!«

      »Er gefällt dir wohl mehr als gut!«, erwiderte die Tante spitz. »Aber hör' zu, Mirja. Die jetzige Frau deines Vaters ist noch sehr jung und wird wohl möglichst rasch ein Baby haben wollen, um selbst einen Hoferben zu besitzen. Dein Vater war seinerzeit sehr enttäuscht, dass du ein Mädchen und kein Junge geworden bist. Deine Mutter hat darunter zu leiden gehabt, denn sie bekam kein zweites Kind mehr. Na, das wird nun die Neue besorgen. Wenn es ein Junge wird, ist Hoheneichen für dich verloren. Deshalb müssen wir versuchen, diese Frau rechtzeitig hinauszuekeln. Wenn du nächstes Wochenende zu Hause bist, musst du mit deinem Vater sprechen. Du musst dafür sorgen, dass er dir schon jetzt Hoheneichen für den Fall seines Ablebens und für den Fall, dass dieser Missehe Kinder entsprießen sollten, überschreibt. Wenn er das nicht tut, bist und bleibst du das fünfte Rad am Wagen.« An diese letzten Worte der Tante dachte Mirja, als sie mit den anderen an der langen Tafel beim Abendbrot saß. Der Appetit war ihr vergangen. Noch nie hatte sie darüber nachgedacht, dass ihr Vati mit der Neuen Kinder haben könnte. Diese Möglichkeit war für sie aber so entsetzlich, dass sie ganz verstört wirkte.

      Den wachsamen Augen von Frau Rennert entging Mirjas seelische Verfassung nicht. Ihr war klar, dass die Tante das Mädchen wieder negativ beeinflusst hatte. Deshalb sagte sie am nächsten Tag zu Dominik: »Kannst du nicht versuchen herauszubekommen, was Frau Lauheim mit Mirja gesprochen hat? Mirja ist wieder so wie in der ersten Zeit. Ihre Tante muss etwas gesagt haben, was Mirja sehr beschäftigt.«

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