Heimat-Heidi 30 – Heimatroman. Stefanie Valentin
ja gut, wenn ich hinzukomm’. Daß ich mich mit jungen Madeln versteh’, das weißt du.«
»Ja, ist gut«, erwiderte Heidi, »aber wenn ich dir ein Zeichen geb’, dann gehst aber auch wieder.«
»Ja, ja, ist ja schon recht«, brummelte die Seniorchefin des Bergerhofs, »immer wenn’s interessant zu werden scheint, wird man hinauskomplimentiert.«
Heidi lächelte. »Du tust mir wirklich leid. Du bist überhaupt nicht informiert, was um uns herum geschieht.«
»Mach dich nur lustig über mich«, erwiderte Luise, doch dann mußte sie selbst lachen. »Ist schon recht, ich bring’ den Tee und seh’ mal, wie’s bei euch ausschaut. Aber ich verschwind’ dann bald wieder.«
Heidi ging zurück in ihre Wohnung, wo sie Geli in bedauernswertem Zustand vorfand. Das schmale Mädchen wirkte noch zierlicher als sonst, und als sie Heidi anblickte, sah sie zum Erbarmen aus.
»Die Luise bringt uns den Tee«, sagte diese. »Und wenn du magst, dann erzählst mir jetzt, was passiert ist.«
Geli schluchzte noch ein paarmal, dann fragte sie Heidi nach einem Schnupftuch. Als sie sich ein paarmal geräuschvoll die Nase geputzt hatte, sah sie die Bergerhof-Wirtin an, als wolle sie die um Verzeihung bitten.
»Red’ schon«, forderte die ihre Besucherin noch mal auf, »ist es erst mal herausgesagt, dann erscheint alles schon viel leichter.«
Geli putzte sich noch mal die Nase, dann holte sie ein paarmal tief und stoßweise Luft.
»Ich… ich kann den Max net heiraten«, schluchzte sie schließlich, »ich werd’ narrisch, allein wenn ich dran denk’.«
Wie sehr Heidi erschrak, zeigte sie nicht. »Ist was passiert?« fragte sie in ganz ruhigem Tonfall.
»Ja und nein«, antwortete Geli, die sich nun allmählich beruhigte.
»Was heißt das?«
»Ich kann den Max net heiraten«, antwortete Geli, »weil ich ihn net liebe. Ich hab’ ihn noch nie geliebt, insofern ist nix passiert.«
»Und was ist passiert?« Die Bergerhof-Heidi sah das zierliche Mädchen fragend an.
»Das…«, sie begann wieder zu weinen, »das kann ich dir net sagen…!«
*
Hans Aumüller verließ an jenem Morgen sehr früh das Haus, und als er am Nachmittag zurückkam, hatte er einen wunderschönen Gang über zwei Almen hinter sich, und er fühlte sich rundherum wohl.
»Du«, sagte er zu seinem Vater, als sie am Kaffeetisch saßen, »der Bach herunter von der Lohalm führt nur mehr sehr wenig Wasser.«
Da verzog sein Vater sein Gesicht. »Das passiert jetzt schon den dritten Sommer hintereinander.«
»Was heißt, es passiert?« fragte Hans. »Was ist die Ursache, hast schon mal nachgeforscht?«
Franz Aumüller schüttelte den Kopf.
»Oje, Bub, was gibt’s da nachzuforschen? In den Bergen rundherum verschwindet von einem Tag zum anderen Wasser und taucht dann irgendwo wieder auf. Es gibt derart viele Felsspalten und unterirdische Gänge, das keiner sagen kann, wohin das Wasser verschwindet. Das mußt einfach so hinnehmen.«
»Ich werd’ trotzdem noch mal schauen, ob ich die Ursache finden kann«, erwiderte Hans.
»Wenn’s dir Spaß macht«, sagte sein Vater, dann lehnte er sich zurück und sah seinen Sohn zufrieden an. »Schön, daß du wieder zu Haus’ bist. Hast dir jetzt genug Wind um die Nase wehen lassen?«
Hans lachte. Er kannte seines Vaters Einstellung, daß man zumindest auf Dauer zu Hause am besten aufgehoben sei, schon lange und seines Vaters Versuche, ihn schon im vergangenen Jahr zurück ins Allgäu zu holen, hatte er noch in guter Erinnerung.
»Wind um die Nase kannst gar net genug bekommen«, antwortete er, »das lüftet das eigene Denken, denn anderswo arbeiten s’ anders als zu Hause. Man kann nur lernen.«
»Du hast aber jetzt genug gelernt«, erwiderte sein Vater, »es wird Zeit, daß du das Gelernte hier zu Haus’ anwendest und ganz allmählich den Betrieb übernimmst.«
Franz Aumüller betrieb in dritter Generation zwei Wasserkraftwerke, die vor fünf Jahren vollständig erneuert worden waren. Die Verträge mit den kommunalen Stromerzeugern wegen der Stromeinspeisung ins Netz waren neu abgeschlossen worden, doch gar so glücklich war Aumüller nicht, vor allem, weil zu wenig Wasser zur Verfügung stand, denn seine Kraftwerke wurden durch Wasser angetrieben. Dabei hatte es immer genug Wasser gegeben, erst seit einigen Jahren versiegte vor allem der Wasserstrom von der Lohalm, der immer sehr zuverlässig gewesen war.
Hans wiegelte seinen Kopf. »Ganz so rasch muß es net gehen. Ich würd’ schon erst gern noch ein bissel als, sagen wir mal, beteiligter Zuschauer mitmachen.«
»Gibt’s dafür einen Grund?« Franz Aumüller sah seinen Sohn fragend an.
Der wiegelte seinen Kopf. »Ganz genau könnt’ ich ihn dir nicht nennen. Aber ich würd’ gern erst ein bissel im Umfeld schauen, was los ist.«
»Du hast doch was ganz Bestimmtes im Kopf, oder?«
Hans nickte lächelnd. »Ja, irgendwie schon.«
»Und was?« fragte sein Vater. »Darf ich mal raten?«
»Bitte…!«
»Du möchtest wissen, wohin das Wasser von der Lohalm verschwindet, oder?«
Hans nickte noch einmal. »So ist es. Die Alm gehört uns, ebenso wie der Wald, durch den der Bach ins Tal rauscht. Mir will einfach net in den Kopf, daß plötzlich irgendwo Wasser verschwindet, was Jahrhunderte immer den gleichen Weg von der Alm talwärts geflossen ist.«
»Du hast doch auch schon einen Verdacht?« fragte sein Vater. »Ich seh’s dir an, Bub. Dafür kenn’ ich dich zu gut, auch wenn du in den letzten Jahren immer nur sporadisch zu Haus’ gewesen bist.«
Hans war einunddreißig Jahre alt, hatte eine sportliche Figur, mittelblonde Haare und er hatte Energiewirtschaft mit Schwerpunkt Wasserkraft studiert. Vor vier Jahren hatte er sein Examen abgelegt und in verschiedenen
Energieunternehmen gearbeitet, zuletzt in Österreich, wo viel Energie durch Wasserkraft gewonnen wurde.
»Ja«, bestätigte er, »ich hab’ einen Verdacht.«
»Und welchen?«
»Ich vermut’, daß der Sägemüller uns das Wasser stiehlt.«
»Der Sägemüller?« fragte der Senior, »meinst die Grundnerschen?«
Hans nickte. »Genau die.«
»Und wieso kommst grad’ auf die?«
»Weil sie Wasser ebenso nötig haben wie wir, und weil sie keine eigenen Quellen haben. Die müssen, um ihre Säg’ zu betreiben, an fremdes Wasser.«
»Daran hab’ ich noch gar net gedacht«, murmelte Franz Aumüller.
»Es wär’ gut, wenn du es auch gleich wieder vergessen würdest«, erwiderte sein Sohn.
»Wieso?«
»Weil, wenn was herauskommen würd’ im voraus, dann die von der Säg’ was unternehmen könnten.«
»Was könnten die denn unternehmen?«
»Zum Beispiel das Wasser wieder so regulieren, wie es natürlich läuft.«
»Und du willst denen beweisen, daß sie uns das Wasser stehlen, oder?« Franz sah seinen Sohn fragend an.
Der nickte. »So ist es.«
»Dann kann’s auch zu einer Konfrontation kommen«, mahnte Franz Aumüller.
»Davor fürcht’ ich mich net«, erwiderte sein Sohn.
»Täusch dich mal net in den