Der kleine Fürst 250 – Adelsroman. Viola Maybach
»Danke für das schöne Essen. Und für den schönen Abend.« Als er sah, dass sie ihm widersprechen wollte, setzte er mit Nachdruck hinzu: »Es WAR ein schöner Abend, Saskia. Ich freue mich, dass ich deine Tochter kennenlernen durfte, mit ihr habe ich mich gern unterhalten. Und ich bin immer froh, wenn ich mit dir zusammen sein kann. Das machen mir auch ein paar unfreundliche Bemerkungen deines Sohnes nicht kaputt, glaub mir.«
Zum Abschied küssten sie sich noch einmal. Als Bernd gegangen war, kehrte Saskia nachdenklich in die stille Wohnung zurück. Bei einem Blick in Friedas Zimmer sah sie, dass ihre Tochter fast quer im Bett lag, auf dem Bauch, die Decke war halb heruntergefallen. Sie deckte Frieda wieder zu, gab ihr einen Kuss auf die Wange. Frieda murmelte etwas und rollte sich zusammen.
In Marcos Zimmer ging Saskia nicht. Sie fragte sich nur, ob er schlief oder wach im Bett lag und wütend an die Decke starrte. Wie gern hätte sie jetzt noch mit ihm geredet, ihn gefragt, wie er Bernd fand und ob er sich vorstellen konnte …
Sie seufzte. Das würde warten müssen, denn Marco konnte sich im Augenblick offenbar überhaupt nichts vorstellen.
*
»Ich habe etwas gesehen, das vielleicht ein Geschenk für Frau Maurer zum Geburtstag sein könnte«, sagte Stephanie zu Christian. »Es ist eine Brosche, die sehr gut zu ihr passen würde, weil sie so ungewöhnlich aussieht. Sie liegt bei dem Juwelier am Marktplatz im Fenster.«
»Das ist der teuerste Juwelier von ganz Sternberg, so viel Geld kriegen wir nie im Leben zusammen, Steffi!«
»Wir doch nicht! Aber meine Omi sucht schon die ganze Zeit nach etwas, worüber sich Frau Maurer freuen würde, und ich könnte mir vorstellen, dass die Brosche das Richtige wäre. Aber ich möchte sie dir zuerst zeigen, bevor ich ihr diesen Vorschlag mache. Wenn du sagst, das ist keine gute Idee, lasse ich es lieber.«
»So wenig vertraust du deinem Geschmack?« Der kleine Fürst konnte es nicht lassen, seine Freundin ein wenig aufzuziehen.
Sie knuffte ihn in die Seite. »Anna findet die Brosche auch toll, aber wir haben sowieso einen ähnlichen Geschmack. Außerdem bist du ein Junge, du hast einen anderen Blick, darauf kommt es mir an.«
»Gut«, sagte er, »ich bin dabei. Und was schenken wir Frau Maurer? Auf jeden Fall gibt es bei uns ein schönes Essen für sie, das haben Tante Sofia und Onkel Fritz schon beschlossen, aber wir sollten ihr von uns aus vielleicht auch noch etwas schenken, meinst du nicht?«
Stephanie lächelte vergnügt. »Anna und ich haben da so eine Idee«, sagte sie.
»Was denn?«
»Ein Fotobuch mit den schönsten Kleidern, die sie jemals entworfen und genäht hat. Wie findest du das.«
Christian blieb stehen. »Das ist toll!«, rief er. »Da wäre ich niemals drauf gekommen.«
»Aber wir! Wir haben so ein bisschen hin und her überlegt, und dann hat Anna gesagt: ›Das Geschenk müsste etwas mit ihren tollen Kleidern zu tun haben‹ – und ich habe gesagt: ›Wir könnten die schönsten fotografieren‹ – und das war’s eigentlich schon. Aber Konny und du, ihr müsst uns dabei helfen.«
Christian war sofort Feuer und Flamme. »Wir brauchen aber sehr gute Fotos, und ich finde, die Kleider solltet ihr vorführen, Anna, Charly und du. Frau Maurer hat für euch drei doch diese tollen Ballkleider gemacht.«
Charlotte von Graal, genannt Charly, war Konrads Freundin.
Stephanies Augen glänzten. »Darauf sind wir noch gar nicht gekommen, die Idee ist echt gut, Chris. Und deine Tante und meine Omi – die haben ja auch alle schon Kleider von Frau Maurer getragen. Dann wird das Buch noch viel schöner! Wie gut, dass wir darüber gesprochen haben.«
»Ja, ab und zu haben sogar Jungen gute Ideen für Geburtstagsgeschenke.«
Sie blieb stehen und schlang ihm beide Arme um den Hals. Da sie sich im Schlosspark befanden, war die Gefahr, von Fotografen ›erwischt‹ zu werden, gering, und so ließen sie sich Zeit bei ihrem zärtlichen Kuss.
Beobachtet wurde er allerdings durchaus: von Eberhard Hagedorn, der in einem der Salons nach dem Rechten gesehen und dabei einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte. Aber da er die Diskretion in Person war, wandte er sich mit einem Lächeln ab und wieder seinen Aufgaben zu.
*
»Am liebsten würde ich meinen Geburtstag überhaupt nicht feiern, Emilia«, seufzte Hanne Maurer. »Es ist kein Freudentag mehr für mich, wenn ich wieder ein Jahr älter geworden bin. Mir ist nicht zum Feiern zumute.«
Emilia von Hohenbrunn lächelte fein. »Ich habe vorhin mit Baronin von Kant gesprochen. Sie möchten gern ein Essen für dich ausrichten.«
Hanne sah entsetzt aus. »Du weißt, wie gern ich im Schloss bin, und ich liebe das Essen dort, aber eine Festgesellschaft zu meinem Geburtstag ertrage ich nicht.«
»Keine Festgesellschaft«, erklärte Emilia energisch. »Die Schlossbewohner und wir, fertig. Deine Kinder …«
»Die können sowieso nicht«, erklärte Hanne. »Das haben mir beide schon mitgeteilt. Du weißt ja, sie sind immer überlastet, und in diesem speziellen Fall bin ich sogar froh darüber. Sie haben sich schon seit Jahren zu meinen Geburtstagen nicht mehr blicken lassen.«
»Na also, dann ist das doch schon mal geklärt. Nur ein schönes Essen, keine aufgeblasene Feier.«
»Du bringst mich echt in Versuchung«, murmelte Hanne.
»Eigentlich sollte es eine Überraschung sein, deshalb hat Frau von Kant auch mit mir gesprochen und nicht mit dir, aber ich habe ihr gesagt, dass das nicht funktionieren wird, weil ich dich abends gar nicht aus dem Haus kriege, wenn ich dir nicht erkläre, wo es hingehen soll.«
»Aber Steffi und die anderen jungen Leute sollten schon dabei sein, finde ich«, sagte Hanne nachdenklich. »Annas Freund und Konrads Freundin, meine ich. Die sind so reizend, und es wäre doch für die Jugend zu langweilig, wenn nur wir beide kämen.«
Emilia strahlte. »Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. Also kann ich Baronin von Kant sagen, dass du einverstanden bist mit dem Essen.«
Hanne seufzte tief, aber sie tat es lächelnd. »Wer könnte einem Essen auf Schloss Sternberg widerstehen? Also, ich kann es jedenfalls nicht.«
*
»Was hat er denn jetzt schon wieder?«, fragte Alina leise.
Daniel antwortete ebenso leise. »Seine Mutter hat ihren neuen Freund mit nach Hause gebracht, es muss ätzend gewesen sein.«
Alina verdrehte die Augen. »Er findet alles ätzend im Moment. Ihm kann doch niemand mehr etwas recht machen.«
Sie waren ein Stück hinter Lola und Marco zurückgeblieben. Im Park gab es ein Freiluftkonzert, das wollten sie sich anhören. Das Wetter war so schön, dass vor allem die beiden Mädchen gesagt hatten, sie wollten in keine Kneipe gehen, sondern lieber draußen bleiben.
Daniel schwieg auf Alinas Bemerkung hin. Er wusste ja häufig nicht, was er sagen sollte. Er hielt dann lieber den Mund, das war sicherer, man konnte nicht viel falsch machen, wenn man schwieg. In letzter Zeit ging er allerdings öfter aus sich heraus. Das hatte auch damit zu tun, dass Marco angefangen hatte, mit ihm zu reden. Ihm tat das gut, deshalb wollte er nichts gegen Marco sagen. Es störte ihn auch nicht sonderlich, dass Marco jetzt oft so schlechte Laune hatte. Er fand schlechte Laune nicht schlimm. Die war ihm immer noch lieber als die absolute Gleichgültigkeit seines Vaters. Der hatte nicht einmal schlechte Laune, er war im Prinzip eigentlich gar nicht anwesend, selbst wenn er mit seinem Sohn am Tisch saß. Da fand Daniel es schon besser, wenn jemand wütend oder traurig oder eben einfach schlecht gelaunt war, da wusste man wenigstens, woran man war.
Lola und Marco waren stehen geblieben. »Hier ist ein guter Platz, oder?«, fragte Lola.
Alina und Daniel nickten, Marco war natürlich nicht einverstanden. »Wenn das hier richtig voll wird, siehst du jedenfalls nichts mehr, Lola.«
Lola