Dr. Brinkmeier Classic 7 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Classic 7 – Arztroman - Sissi Merz


Скачать книгу
man net, das ist lästerlich«, mahnte der Alte und gab die Tür frei. »Von mir aus kannst reinkommen, aber brauchen tu ich dich net. Und was meine Beschwerden angeht, die hat der liebe Herrgott mir auferlegt als Buße. Und ich weiß sie zu tragen.«

      Max folgte dem Alten in seine Werkstatt, wo ein kleiner Ofen aus Gußeisen wohlige Wärme verbreitete. Der Boden war mit einer dicken Schicht von Holzspänen bedeckt, es roch sehr aromatisch.

      »Mach es mir nicht so schwer, Filsmeier«, bat der junge Landarzt freundlich, während sein Patient sich wieder an seiner Werkbank niedergelassen hatte und fortfuhr, einen Heiligen Florian zu bearbeiten. »Du mußt für eine Weile ins Spital. Nach einem kleinen Eingriff wirst dich besser fühlen und wieder ganz auf dem Posten sein. Mit deiner Konstitution kannst hundert Jahre alt werden. Aber dein Herz ist dafür zu schwach...«

      »Ich mag net hundert werde. Die sechsundachtzig Jahr, die ich auf dem Buckel hab, reichen mir längst aus. Und ins Spital geh ich gleich gar net. Da käme ich gewiß nimmer lebend raus.«

      »Jetzt redest aber einen Schmarrn. Die Kollegen dort können dir helfen. Ich hab’ ja hier nicht die Möglichkeit dazu. Die Tabletten, die ich dir verschreibe, hast gewiß net genommen.«

      »Überflüssig«, murmelte der Alte. »Ganz überflüssig.«

      »Das seh ich anders. Meine Patienten liegen mir nämlich am Herzen, einer wie der andere. Und ich werde net lockerlassen, bis du endlich vernünftig wirst, Schorsch. Schau, ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es hier ausgeschaut hat, als ich ein Bub gewesen bin. Der Garten war gepflegt, die Obstbäume haben reich getragen. Und überall hat es geblüht.«

      »Ja, mei, damals hatte ich auch noch meine Christel, die Seele vom Ganzen. Ohne sie ist mein

      Leben nur noch ein Jammertal.«

      »Wenn es dir wieder besser geht, könntest auch im Garten was tun, die Arbeit an der frischen Luft ist gesund.«

      Der Filsmeier hob den Blick und schaute sein Gegenüber mit seinen hellen Augen durchdringend an. »Sag einmal, Max Brinkmeier, stört dich hier was? Ist dir der Garten nimmer schön, das Haus nimmer ordentlich genug? Wenn das so ist, dann kann ich dir nur einen Rat geben: Komm halt nimmer her. Hernach mußt dich auch nicht über das alles hier ärgern.«

      »So habe ich es nicht gemeint.« Max untersuchte den Alten oberflächlich. »Mein Bruder Lukas und ich, wir haben dich schon bewundert, als wir noch Buben waren. Es tut mir weh zu sehen, daß du offenbar keinen Lebenswillen mehr hast.«

      Der alte Herrgottsschnitzer schwieg eine Weile, schließlich bekannte er leise: »Wenn man so lange auf der Welt ist wie ich, dann tut man Dinge, die net gut und net richtig sind. Hinterher bereut man es, aber dann ist es oft zu spät, noch etwas zu ändern. Mit manchem muß man leben, obwohl es einen bedrückt. Und irgendwann wird man dann müde. Ich wünsche mir, daß ich mich zu meiner Christel legen und ausruhen kann. Das verstehst net, Doktor, dazu bist noch zu jung.«

      »Aber du hast doch noch eine Aufgabe. Das Schnitzmesser liegt dir ebenso gut in der Hand wie vor dreißig Jahren. Warum willst dann nimmer? Hast keine Freude mehr an deiner Arbeit?«

      »Das ist es nicht.« Georg seufzte leise. »Aber es ist auch nicht so wichtig, ich mag net dauernd über mich reden. Lieber tu ich schnitzen. Wennst zuschauen magst, bist mir jederzeit willkommen, Doktor. Aber ins Spital geh ich nicht.«

      Dr. Brinkmeier erhob sich. »Es tut mir leid, Schorsch, aber ich bin kein kleiner Bub mehr, dem es nicht auf eine Stunde ankommt. Ich muß zum nächsten Patienten. Bitte, überlege es dir noch einmal gründlich. Ich schau in den nächsten Tagen wieder bei dir vorbei. Vielleicht siehst ja doch ein, daß ein kurzer Aufenthalt im Spital gar nicht so schlimm wäre...«

      Der Alte lächelte milde. »Ja, geh nur, die Jugend hat nie Zeit und es immer eilig. Die Ruhe kommt mit dem Alter. Aber man muß auch etwas tun, um sie zu bewahren. Und das ist mir wichtig.«

      Unverrichteter Dinge mußte Max Brinkmeier das kleine Häuschen des Herrgottsschnitzers von Wildenberg wieder verlassen. Er hatte sich fest vorgenommen, Georg Filsmeier endlich zur Vernunft zu bringen. Doch leider schien dies unmöglich.

      *

      »Der Filsmeier ist ein alter, sturer Bock. Den müßte man ganz einfach mit Gewalt in den Krankenwagen verfrachten und ins Spital bringen. Manche Menschen wollen halt zu ihrem Glück gezwungen werden«, meinte Afra, als Max und Josef am Abend noch bei einem Glas Wein zusammensaßen. Die alte Hauserin brachte etwas von ihrem selbst gebackenen Früchtebrot, das gerade in der kalten Jahreszeit besonders gut mundete.

      »Man kann niemanden zwingen, vernünftig zu sein«, hielt Max der Hauserin entgegen. »Der Georg sagt, er ist mit seinem Leben zufrieden und braucht keine Hilfe.«

      »Aber wie kann man denn zufrieden sein, wenn es einem schlecht geht?« Afra schüttelte verständnislos den Kopf. »Das sagt er nur, weil er Angst vor dem Spital hat. Und in seinem Alter finde ich das fei recht kindisch.«

      Brinkmeier senior wollte eben etwas erwidern, als das Telefon anschlug. Sein Sohn nahm den Anruf entgegen und erklärte dann knapp: »Ich muß auf der Stelle zum Filsmeier. Gerade haben wir noch von ihm geredet; jetzt hatte er einen Zusammenbruch.«

      »Einen Zusammenbruch? Das Herz?«

      »Vermutlich. Der Strohmüller hat ihn gefunden, als er nach dem Rechten sehen wollte, weil die Tür zur Werkstatt bei der Kälte offen gestanden hat.« Max verließ die Wohnung und lief die Treppe hinunter. Er schnappte sich seinen Notfallkoffer, Josef folgte ihm und fragte: »Soll ich vielleicht mitkommen? Mich kennt der Schorsch schon länger als dich. Und wenn er nun ins Spital muß...«

      Der junge Landarzt war einverstanden. Wenig später fuhren die beiden Brinkmeiers zum Ortsrand, wo das kleine Haus von Georg Filsmeier zu finden war.

      »Heut nachmittag hab’ ich noch nach ihm gesehen. Es ging ihm leidlich. Mit so einer raschen Verschlechterung hätte ich fei nicht gerechnet«, sinnierte Max, während sie zum Haus liefen. Der Strohmüller-Bauer trat den Ärzten an der Haustür entgegen. Man begrüßte sich per Handschlag, dann erklärte der Mann: »Er will keinen Doktor sehen und schon gar net ins Spital. Ich hab’ versucht, ihn zur Vernunft zu bringen. Aber seit er wieder bei Bewußtsein ist, benimmt er sich noch halsstarriger als sonst.«

      »Das überrascht mich gar nicht«, meinte Max. »Aber ich muß ihn jetzt auf jeden Fall untersuchen. Es ist keine Zeit zu verlieren, falls es sich um einen Infarkt handelt.«

      Josef folgte seinem Sohn, der nun die Schlafkammer des alten Herrgottsschnitzers betrat. Georg Filsmeier lag bleich, fast wächsern im Bett und starrte die Besucher abweisend an. Auf seiner Stirn lag kalter Schweiß, sein Atem ging rasselnd.

      »Was willst da, Doktor? Ich hab’ dich net gerufen«, knurrte er unfreundlich. »Kann man denn hier niemals seine Ruhe haben, net mal, wenn’s zu Ende geht?«

      »Wennst mich meine Arbeit machen läßt, dann wird es noch lange nicht mit dir zu Ende gehen«, entgegnete der Landarzt lapidar. Er untersuchte den Kranken gründlich, während sein Vater sich mit dem Filsmeier unterhielt. Der redete beruhigend auf den Alten ein, mahnte ihn, endlich vernünftig zu werden.

      Nachdem Max dem Kranken eine entkrampfende Spritze gegeben hatte, beschloß er: »Du mußt ins Krankenhaus, Filsmeier. Hast einen Infarkt erlitten. Wenn die Kollegen dir gleich einen Akut-Herzkatheter setzen, kann der Schaden begrenzt werden. Aber wir müssen jetzt sofort handeln.«

      »Das will ich nicht!« Mit erstaunlicher Willenskraft setzte Georg sich auf und schimpfte: »Ich hab’ dich nicht gerufen, Brinkmeier, und ich will auch keine Behandlung. Wenn jetzt Schluß ist, bin ich damit einverstanden.«

      »Schorsch, du redest einen Schmarrn. Willst immer so fromm sein, dabei wirfst dein Leben einfach weg. Meinst vielleicht, das wird dem lieben Herrgott gefallen? Schließlich hat er dich mit einem ganz besonderen Talent ausgestattet. Und damit sollst die Menschen so lange wie irgend möglich erfreuen.«

      »Schmarrn«, knurrte der Kranke. »Meine Zeit ist gekommen, das spür ich. Der Herr nimmt mich zu sich, damit ich endlich


Скачать книгу