G.F. Barner 170 – Western. G.F. Barner

G.F. Barner 170 – Western - G.F. Barner


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die Höhe der Schmiede rechter Hand schleift. Dort wendet Evans erneut, um das Spiel von vorn zu beginnen.

      An seinem Lasso bemüht sich Corp vergeblich, auf die Beine zu kommen. Zweimal, als Evans das Tempo absichtlich verlangsamt, schafft Corp es beinahe. Doch jedesmal fällt er in dem Moment, als Evans das Pferd hart antreibt, wieder hin, Corp kämpft umsonst, er verliert nach dem zweiten Aufprall die Besinnung. Jetzt hängt er, vom Staub halb erstickt, wie eine Puppe am Seil.

      Schließlich zügelt Evans sein Pferd. Er zieht den Gaul herum, reitet bis auf Corps Höhe und starrt aus schmalen Augen auf ihn herab.

      »Das nächste Mal«, sagt er laut und heiser, während er absteigt und das Lasso losmacht, »bring einen Revolver mit, du Großmaul! Und dann versuche herauszufinden, wer von uns beiden schneller ist. Danach, Mister, wird man dich in einen Sarg legen, das schwöre ich dir. Schlag mich nie wieder mit einem Trick nieder!«

      Er sagt es, obwohl Corp ihn nicht hören kann. Es ist für die Leute bestimmt, die sich nicht rühren. Niemand wagt es, Evans aufzuhalten oder hinzugehen und Corp zu helfen.

      Danach sitzt Chris Evans wieder auf. Er reitet wie ein Mann, der nichts und niemanden zu fürchten braucht, mitten auf der Straße zurück. Die Leute, die diese rauhe Sache gesehen haben und schweigen, scheint er kaum zu bemerken.Vor Beauty Mike Torbett hält er an, steigt ab und sagt grinsend:

      »Ich denke, jetzt können wir aufladen, was? Der Bursche hat für eine Woche genug.«

      *

      Er hat genug gesehen und seufzt, als er ihn den Sattel holen sieht.

      Ich hab’s gewußt, sagt sich der alte Chad Wells bitter. Man lernt einen Mann kennen, wie sich selbst, wenn man mit ihm vierzehn Jahre zusammenlebt. Er schluckt es nicht, er ist nicht der Typ, der wütend wird und es zeigt. Bei ihm frißt es sich immer tiefer, bis es sein ganzes Denken ausfüllt. Vielleicht könnte ich ihn aufhalten, wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, aber nicht mehr in meinem Alter, jetzt nicht mehr.

      Als er sich umwendet und eine Sekunde sein Bild im Spiegel betrachtet, sieht er ein altes, faltiges Gesicht, einen wild wuchernden Bart und zwinkernde, von Lachfalten umgebene Augen.

      Chad Wells sieht genauso aus wie einer jener Männer, die vor einem halben Jahrhundert in dieses Land kamen und nun zu den Oldtimern gehören. Er ist nicht groß, hat leicht gekrümmte Reiterbeine und eine etwas schiefe Schulter. Manchmal brennt es dort, als träfe ihn erneut der verdammte Indianerpfeil in die Schulter. Obwohl es 40 Jahre her ist – Old Wells behauptet, er würde jedes Unwetter spüren.

      Vielleicht spürt er wieder eins, denn er läßt die Schulter noch mehr hängen, als er aus der Tür und auf den Vorbau seiner Ranch geht.

      Die Mannschaft führt das Brennen ohne den Vormann durch und ist auf der Weide draußen. Außer Old Chad ist nur noch der Koch auf der Ranch. Und auch er hat die Vorbereitungen gesehen, die Dan Corp getroffen hat.

      In dem Augenblick, als der Alte aus der Tür kommt, ist Corp dabei, den Sattel aufzulegen.

      »Eh, Daniel«, sagt Old Chad heiser »Daniel, wenn du eine Minute Zeit hast, einen alten Mann anzuhören, dann warte ein wenig.«

      Dan Corp blickt sich um, nickt kurz und schnallt den Bauchgurt fest. In seinem verschrammten, verschorften Gesicht rührt sich nichts. Man sieht nach diesen neun Tagen die Spuren immer noch.

      »Was ist, Chad?«

      Der Alte stakst los, brummelt irgend etwas, ehe er neben Dans Pferd steht, und fragt dann mürrisch:

      »Ausgerechnet der Sonnabend, he? Daniel, du hast dir den Tag ausgesucht, an dem sie in der Stadt sein müssen. Aber hast du auch daran gedacht, daß sie vielleicht auf dich warten könnten? Denken können sie auch, die Marstons waren nie die schlechtesten Rechner.

      Zum Teufel, laß uns vernünftig reden, Junge. Du wirst allein sein, weil ich mich nicht einmischen kann, ohne einen Weidekrieg zu riskieren. Laß dir Zeit. Verschiebe es, bis sie nicht mehr daran denken und glauben, du wärest zu feige. Junge...«

      »Hat man dich jemals von hinten niedergetreten und geschlagen, Old Chad?«

      »Nein«, sagt der Alte widerwillig. »Aber...«

      »Und hat man dich jemals an ein Lasso gebunden und vor einer ganzen Stadt über die Straße geschleift wie eine Strohpuppe?«

      »Nein, zum Teufel, aber du solltest deinen Verstand gebrauchen.«

      »Den habe ich neun Tage lang gebraucht, darauf kannst du dich verlassen. Und nun laß mich in Ruhe, hörst du, Old Chad?«

      Er schluckt, der alte Mann, fährt sich durch den Bart und blickt weg. Niemand kann Dan aufhalten, er weiß es, aber er muß es wenigstens versuchen, wenn er sich später keine Vorwürfe machen will.

      »Was soll das alles?« fragt er leise.

      »Du hast eine Mannschaft, die dir an jeden Platz der Hölle folgen würde. Du hast dein Auskommen hier und Freunde. Und schließlich hast du auch mich. Es ist Unsinn, glaub’ mir doch. Ich kenne die Marstons und ihren Anhang besser als jeder andere in diesem Land. Nichts geschieht, was ein Marston nicht haben will. Du rennst dir den Kopf ein, Junge.«

      »Und du redest zuviel«, erwidert Dan Corp kühl, dreht sich um, geht an Old Chad vorbei in den Stall und kommt mit einem Packen wieder.

      Es ist dem Alten als begänne der Boden unter ihm zu schwanken. Den Packen muß Dan schon in der Nacht in den Stall geschafft haben.

      Einige Sekunden lang steht er wie betäubt neben dem Pferd. Er läßt die Arme hängen und fühlt sich wie zerschlagen.

      Der Junge will fort, will hier weggehen wie jemand, der nur einige Zeit gearbeitet hat, um sich nun einen anderen Platz zu suchen Es trifft Old Chad wie ein Keulenhieb.

      »Nein«, sagt der alte Mann verstört und sehr leise. »Das meinst du doch nicht so, nicht wahr, Dan? Du kannst mich doch jetzt nicht im Stich lassen, Junge? Die ganzen Jahre – deine Arbeit, dein Leben hier, alles umsonst? Viele Dinge auf dieser Ranch sind nur durch dich entstanden, wir haben das beste Vieh hier. Nicht mal die Marstons haben besseres auf der Weide stehen. Daniel, warum tust du das? Warum denn, Junge?«

      Daniel sieht ihn nur an, während er mit geübten Griffen den Packen festschnallt.

      Dann räuspert er sich einmal, als wolle er einen Kloß aus seiner Kehle bringen.

      »Ich gehe fort«, erwidert er leise. »Es wird immer so bleiben, Old Chad, daß jemand kommt und sagt, ich hätte nicht mal einen Vater und meine Mutter nichts getaugt. Unterbrich mich jetzt nicht, ich weiß, was du sagen willst, aber es ist zwecklos, Old Chad.

      Im Grunde bin ich ein Niemand für die Leute in diesem Land. Ich bin ein uneheliches Kind, das allein entscheidet es.

      Ja, ich gebe zu, ich hatte hier eine Heimat, ich hatte eine Arbeit und eine Aufgabe, aber ich kann nicht mit den Marstons und in ihrem Schatten leben. Verstehst du, was ich meine? Sie hassen mich, Gott weiß, warum, denn ich habe ihnen nie etwas getan. Ich würde mich ducken und auf meinem Bauch vor ihnen kriechen müssen, wenn ich bleibe. Und das kann ich nicht. Das ist alles, Old Chad.«

      Es zerreißt den alten Mann fast, als er ihn so reden hört. Alles von dem, was Dan gesagt hat, stimmt. Niemand kann es ändern, daß man ihn immer ein wenig über die Schulter ansehen wird. Dabei steckt in Daniel Corp vielleicht mehr Stolz als in jemandem, der einen reichen Vater und eine prächtige Familie hat. All das weiß der alte Chad Wells nur zu gut.

      »Daniel, bleib hier, du kannst die Mannschaft haben. Geh hin, trage es aus – mit der Mannschaft, die dir folgen wird, weil sie zu dir steht. Geh, Junge, hol sie her. Du bist zu stolz, ich weiß es. Ich wollte, ich hätte diesen Stolz immer in mir gehabt, aber ich hatte nie den Ehrgeiz, ein großer Mann sein zu wollen. Hör zu, du bekommst die Mannschaft, nimm sie und reite in die Stadt. Gib es ihnen, so rauh du willst, auch wenn daraus ein Weidekrieg wird. Ich kann mir auch ein paar rauhe Burschen kaufen, ich werde...«

      Er redet und weiß doch, daß es sinnlos ist, ehe Dan etwas sagt.


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