G.F. Barner 170 – Western. G.F. Barner

G.F. Barner 170 – Western - G.F. Barner


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keine. Ich habe sechs Hemden, zwei Anzüge, ein paar Dinge von meiner Mutter und mein Pferd. Was immer ich für Ärger habe – es wird nie deiner sein, auch nicht der deiner Mannschaft. Dieses Land braucht Ruhe. Du bist alt, du kannst nicht mehr kämpfen. Und ich will keinen großen Krieg, von dem keiner weiß, wie er ausgehen wird.

      Ich traue mir zu, ihn zu gewinnen, ich würde mit den Marstons fertig werden. Aber nicht um den Preis, Männer sterben zu sehen, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Nein, Chad, ich werde ihnen zeigen, daß ich beißen kann, ehe ich gehe. Mehr brauche ich nicht, um zufrieden zu sein.

      Danke für die Jahre, in denen du aus mir einen Mann gemacht hast. Danke, Chad, ich werde es dir nie vergessen.«

      Da steht er – ein Mann, der über sechs Fuß groß ist und den man nie zerbrechen wird – eher wird er sterben. Jetzt blickt er ihn an. Und der alte Chad hat das Gefühl, als läge nichts als Bitterkeit in diesen dunklen Augen.

      »Ich – ich wollte es dir nie sagen«, murmelt er zittrig und hat Mühe, auf seinen alten, plötzlich so müden Beinen stehenzubleiben, »aber nun muß ich es wohl tun. Du solltest es erfahren, wenn der alte Chad Wells nicht mehr auf dieser Welt war. Diese Ranch wird eines Tages dir gehören, Junge.«

      Er blickt zu Boden, auf den Schatten dieses Mannes, den er wie seinen eigenen Sohn gern hat. Und er bemerkt, daß der Schatten stillsteht, reglos, als hätte ihn ein Schlag getroffen.

      »Du weißt noch etwas nicht«, sagt er, und nun klingt seine alte Stimme brüchig. »Ich habe nie gewußt, wer dein Vater war. Kein Mensch auf der Welt weiß es, nicht mal du. Als deine Mutter damals wiederkam und die Leute alle über sie redeten, da bin

      ich zu ihr geritten, Junge. Ich hab’ sie gefragt, ob sie meine Frau werden wollte.

      Ja, du hörst richtig, Daniel, der alte Chad ist hingeritten und hat sie gefragt, weil er sie gemocht hat. Ich, sagte ich, würde dich als meinen Sohn ausgeben, ich erbot mich, dich anzuerkennen, obwohl ich dann vor allen Leuten gelogen hätte. Und ich hab’ nie was mehr gehaßt als Lügen. Ja, ich wollte sie und dich zu mir nehmen.«

      Vielleicht würde er das nie gesagt haben, nicht zu Dan. Solange er lebte, wollte er die Geschichte seiner ersten und einzigen Liebe für sich behalten, aber jetzt mußte er es sagen. Der Junge will ihn verlassen, sein Junge.

      »Es ist wahr«, murmelt er und blickt auf die Berge im Norden, die blauen Schleier der Täler und die ­braunroten Felsen, auf die die Sonne prallt. »Sie wollte mich nicht, sagte sie, sie liebte nur einen und würde nie einen anderen lieben können.

      Als sie elf Jahre später krank wurde und wußte, daß sie sterben mußte, da schickte sie dich zu mir. Du wirst dich vielleicht daran erinnern, wie? Aber etwas ist dir sicher damals nicht aufgefallen.«

      Er sieht Daniel Corp nicht an, er blickt immer noch zu den Bergen, an deren Rand das alte Haus der Corps steht. Die Erinnerung an jenen Tag ist wieder da, die ihn nie losgelassen hat.

      »Als wir hereinkamen«, fährt er fort, »roch es nach Tabakrauch. Ich entdeckte in der Glut des offenen Herdfeuers den Rest einer Zigarre. Die Asche hatte sich gehalten. Also war ein Mann bei ihr gewesen, ehe wir kamen. Vielleicht hatte sie dich deshalb zu mir geschickt, ich weiß es nicht. Es kann nur ein Mann gewesen sein, der ihr etwas bedeutete. Ich denke, es war dein Vater, Junge. Nun, das ist nicht so wichtig. Ich versprach ihr, dich aufzunehmen. Und ich tat es. Für mich warst du nie der Sohn eines anderen Mannes, Daniel, du warst immer nur ihr Sohn: Daniel Corp. Ich wurde dein Vormund, ich hätte dich auch gesetzlich als Sohn angenommen, nachdem ich dich ein paar Jahre studiert hatte, aber hier ist nie eine Frau gewesen. Das Gesetz schreibt vor, daß niemand einen Jungen adoptieren kann, wenn er unverheiratet ist. Dabei, denke ich, bist du ein guter Mann geworden, auch ohne eine Frau, die dich erzogen hätte, wie?

      Nun ja, Junge, du mußt das tun, was du dir schuldig zu sein glaubst. Tue es, geh auch weg, aber du wirst eines Tages wiederkommen müssen, wenn ich gestorben bin. Dann gehört diese Ranch dir.«

      Er holt tief Luft und spricht nun ganz ruhig weiter. Der erste Schreck ist vorbei. Er weiß, was Daniel jetzt denkt, und sagt langsam:

      »Du weißt, ich habe von meiner Schwester her einen Neffen, der bekommt mal fünftausend Dollar. Alles andere hier wird dir gehören. Du mußt einmal zurückkommen, weil du genau wissen wirst, daß diese Ranch nach meinem Sterben untergehen muß. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich bin sicher, du hängst an dieser Ranch, und ein klein wenig auch an mir. Ehe du mein Lebenswerk verkommen läßt, Junge, wirst du herreiten. Kann sein, daß du dann gegen die Marstons kämpfen mußt, aber dann wird es für dich sein, nur für dich. Alle Hindernisse, die du jetzt siehst, werden verschwunden sein.

      Jetzt weißt du es, du kannst nun reiten, Junge. Nur einen Rat will ich dir noch mitgeben: Du kannst sie alle schlagen, ich weiß es. Aber du wirst Joel Marston umbringen müssen. Tötest du ihn nicht, dann wird er sich einen Revolvermann nach dem anderen holen, bis er dich unter der Erde weiß. Fordere ihn in einem offenen Kampf. Aber ich fürchte, der Bursche wird sich immer hinter jemandem verstecken.

      Das ist alles, Junge!«

      Dann dreht er sich um, ein alter Mann, der ein wenig schief auf das Haus zugeht und nach ein paar Schritten Dan hinter sich sagen hört:

      »Warte, Chad, nur einen Moment noch. Chad?«

      »Ja«, fragt er und bleibt stehen, um knapp den Kopf zu wenden. »Was ist noch, Junge?«

      »Ich habe das alles nicht gewußt, Chad. Vielleicht hätte ich mich dann anders verhalten, als sie anfingen, mich zu beschimpfen. Jetzt ist es zu spät für mich, ich kann nicht mehr zurück.

      Chad, du hast deinen Neffen, er ist ein guter Mann und dein Blutsverwandter. Ich will, daß du ihm die Ranch vermachst, hörst du?«

      »Nie!« antwortet der Alte so starrsinnig, wie nur ein alter Mann sein kann. »Ein Rechtsverdreher ist er, ein guter, zugegeben. Er kann etwas, aber er wird nie ein Rindermann sein wie

      du, niemals. Reite, mach deinen Weg, Junge, ich habe dir nichts mehr zu sagen.«

      Und dann geht er weiter, betritt das Haus und läßt die Tür hinter sich zufallen. Es ist ihm, als bräche damit seine ganze Welt zusammen. Er lehnt sich an die Wand im Flur und hört das Pferd draußen angehen. Und jeder Huftritt läßt ihn zusammenzucken. Es ist unvermeidlich, der Junge geht, weil jemand seinen Stolz und nicht nur seinen Leib mit Füßen getreten hat.

      »Er kommt nicht wieder«, sagt er tonlos. »Der Junge kommt nie wieder, wenn ich jetzt die Mannschaft hole und ihm helfe.

      Es ist sein Kampf, er würde mir nie verzeihen, wenn ich mich einmische. Großer Gott, ich muß es ihn allein ­auskämpfen lassen Und wenn er nun dabei stirbt?«

      *

      Die Uhr am Kirchturm, die Warren Joel Marston der Stadt stiftete, als sein Sohn geboren wurde, schlägt elfmal, als die Haustür aufgeht.

      Dann tritt ein Mann heraus, blickt sich um und sagt entschuldigend zu der Frau in der Tür:

      »Tut mir leid, Elly, ich würde ganz gern noch länger geblieben sein, aber der Boß will, daß wir immer in seiner Nähe sind. Ich konnte nur diese halbe Stunde kommen. Nun, nächste Woche komme ich wieder, wie?«

      »Chris, bestimmt nächste Woche? Vielleicht ist es dann noch immer so wie heute? Ihr wartet doch auf ihn, erzähle mir nichts, ihr wartet auf Corp und niemanden sonst. Darum will Marston dich in der Nähe haben.«

      Chris Evans lacht leise, blickt auf das Tuch, das sie locker um ihre runden Schultern gelegt hat, und berührt mit der Hand ihren bloßen Arm. Seitdem er sie kennt, diese Frau, deren Mann vor zwei Jahren gestorben ist, hat er immer ein paar ruhige Stunden gefunden, wenn er zu ihr kam.

      »Vielleicht«, antwortet er lächelnd und preßt seine Hand einen Moment fest auf ihren Arm. »Nur vielleicht, Elly. Du brauchst darüber nicht nachzudenken, so wichtig ist dieser kleine Narr nicht für die Marstons. Also, gute Nacht!«

      »Gute Nacht, Chris!«

      Einige Sekunden blickt sie ihm nach


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