Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman. Michaela Dornberg
jetzt wie elektrisiert von seinen Küssen, seinen Umarmungen, seiner spürbaren Präsenz.
Liebe konnte verdammt schmerzhaft sein!
Sie zog ihre Schuhe aus, die Beine aufs Sofa, umfasste ihre Knie mit beiden Händen und starrte stumm vor sich hin.
Sie glaubte, den Schmerz körperlich zu spüren.
Sie lauschte, von nebenan war nichts mehr zu hören. Der kleine Philip schlief wieder ganz fest.
Warum war er wach geworden?
Auf diese Frage wusste sie keine Antwort. Fast schien es, als wolle das Schicksal sie herausfordern und prüfen.
Seine Reaktion war panisch gewesen, deutlicher hätte Lars seine Abneigung gegen Kinder nicht ausdrücken können.
Ein Bild tauchte vor ihr auf …
Wie schön wäre es gewesen, sie hätten den Kleinen gemeinsam wieder in sein Bettchen gebracht, hätten gemeinsam gewartet, bis er eingeschlafen war.
Ahnte Lars eigentlich, worum er sich mit seiner strikten Abwehrhaltung eigentlich brachte?
Jetzt kamen ihr doch die Tränen.
Roberta weinte um sich, um Lars, um ihre Liebe, die immer mehr verwehen zu schien. Ihre Liebe, die sie umschloss wie ein warmer, weicher Mantel, wenn sie allein waren, wenn sie sich ihren Gefühlen hingeben konnte.
Sie hatten keinen gemeinsamen Alltag, das wurde Roberta immer mehr bewusst. Wie sollten sie auch, sie lebten ja nicht zusammen, sie waren mal da und mal dort. Und so etwas, das war wie Urlaub.
Sie trug seinen Ring, der leider kein Verlobungsring war, wieder. Sie schaute auf ihren Ringfinger, an dem der Ring verheißungsvoll glänzte.
Einem Impuls folgend, wollte sie ihn erneut abziehen, in die Schublade legen, als sie mitten in ihrer Bewegung innehielt. Ein derartiges Verhalten war töricht, kindisch. Außerdem war alles offen.
Unzufriedenheit allein war kein Grund für eine Trennung, dann müssten die meisten Paare in Bewegung sein.
Musste man nicht um eine Beziehung kämpfen, besonders dann, wenn es die ganz große Liebe war? Und das war es, ohne Zweifel.
Lars Magnusson war ihr Mr Right, und an seiner Liebe zu ihr zweifelte sie ebenfalls nicht. Er liebte sie, und er war bereit, ihr alles zu geben, wozu er bereit war, es geben zu können.
Heirat … Kinder …
Davor hatte er eine geradezu panische Angst, das wies er ganz weit von sich. Und das konnte nicht daran liegen, dass er, ebenso wie sie ja auch, eine gescheiterte Ehe hinter sich hatte.
Es musste etwas in seinem Leben geben!
Ihr Blick fiel auf das Blatt Papier, sie las diese unverbindlichen Worte noch einmal, dann zerknüllte sie den Zettel und warf ihn in den Papierkorb, und sie traf sogar.
Die Worte wollte sie vergessen, sich stattdessen lieber an all die zärtlichen Worte erinnern, die er ihr nicht nur gesagt, sondern die er ihr auch geschrieben hatte.
Schon wollte sie ihr Handy holen und das lesen, was er ihr geschickt hatte und was sie niemals löschen würde, weil alles viel zu schön war.
Lars …
Roberta riss sich zusammen. Sie wollte nicht schon wieder weinen, sondern versank erneut in düstere Grübeleien, in die so verstrickt war, dass sie nicht einmal bemerkte, dass Alma von ihrem Chor gekommen war.
Erst als die beinahe entsetzt ausrief: »Frau Doktor, Sie sind ja noch wach. Wissen Sie eigentlich, wie spät es schon ist?«, zuckte Roberta zusammen, blickte hoch.
Alma bemerkte die beiden Weingläser, die noch immer auf dem Tisch standen, Roberta hatte einfach nicht die Energie aufgebracht, die in die Küche zu bringen, denn ihr Glas leerzutrinken, dazu war ihr die Lust vergangen.
Wenn sie Wein trank, dann, weil es ein Genuss war, nicht aus Frust.
Roberta folgte ihrem Blick, jetzt musste sie Farbe bekennen.
»Lars war kurz hier, er hat morgen einen Termin, und weil Philip angefangen hatte zu jammern und ich mich um ihn kümmern musste, da …, da ist Lars gegangen.«
Alma sagte nichts darauf, doch ihrem Gesichtsausdruck war anzusehen, wie bekümmert sie jetzt war.
Ehe das Schweigen zwischen ihnen unangenehm werden konnte, sagte Alma: »Dann will ich mal die Gläser in die Küche bringen, und Sie, Frau Doktor, sollten jetzt schleunigst ins Bett gehen. Sie haben morgen wieder einen sehr anstrengenden Tag.«
Roberta erhob sich mühsam.
»Und wegen Philip müssen Sie sich keine Gedanken machen, Frau Doktor, ich bin ja jetzt da. Und sollte er wach werden, so werde ich es auch, denn ich habe Ohren wie eine Maus.«
Es war rührend, wie Alma sich bemühte. Und es war sehr, sehr angenehm, dass Alma, solange Philip bei ihnen war, nicht in ihrer eigenen Wohnung schlief, sondern in einem der Gästezimmer.
»Danke, Alma«, sagte Roberta leise, dann verabschiedete sie sich von ihrer treuen Haushälterin, ohne die sie vollkommen aufgeschmissen wäre. Sie bemerkte nicht, wie bekümmert Alma ihr nachblickte.
Es zerriss Alma beinahe, wenn sie sah, wie sehr die Frau Doktor litt, der sie alles zu verdanken hatte, was sie auch niemals vergessen würde. Ohne die Frau Doktor gäbe es sie nicht mehr, dann wäre sie längst schon tot. Sie hatte ihr nicht nur das Leben gerettet, nein, sie hatte ihr, der Obdachlosen, auch wieder ein Zuhause gegeben, und was für eines. Die Frau Doktor war ohnehin ein so herzensguter Mensch, sie opferte sich für ihre Patienten auf. Sie wurde von ihren Patienten richtig verehrt, aber sie konnte auch etwas. So schnell konnte der Frau Doktor niemand das Wasser reichen.
Nur privat …
Warum ließ der liebe Gott sie nicht endlich ein privates Glück genießen?
Sie hatte eine schreckliche Ehe hinter sich, mit einem Mann, der sie ausgenommen hatte wie eine Weihnachtsgans, von dem sie nach Strich und Faden betrogen worden war.
Er hatte ihr den Herrn Magnusson auf den Weg geschickt. Der war ja schon ein toller Mann, aber was hatte die Frau Doktor von dem, wenn er die meiste Zeit unterwegs war. Und was für komische Sachen er machte, Bücher über Eisbären schreiben, praktisch unter ihnen leben, dann die Vulkane von Island. Warum blieb er nicht einfach da und genoss die Zweisamkeit mit dieser großartigen Frau?
Wusste er eigentlich, welches Glück er hatte?
Andere Männer würden sich die Finger danach lecken, und was tat er? Er suchte immer neue Herausforderungen und trat sein Glück mit Füßen und machte, und das war besonders schlimm, die Frau Doktor unglücklich.
Ehe sie ihr Zimmer aufsuchte, ging Alma noch einmal in den Raum, in dem Philip schlief. Er hatte sich wieder aufgedeckt.
Alma richtete seine Decke, strich ihm liebevoll über das Haar.
»Du bist ein so friedliches Kind, hast bislang jede Nacht durchgeschlafen. Du weißt vermutlich selbst nicht, warum du ausgerechnet wach werden musstest, als der Freund der Frau Doktor hier war, der Kinder nicht gerade leiden kann. Philip, Philip, ich glaube, du hast da Schicksal gespielt.«
Philip lächelte im Schlaf, doch das jetzt ganz gewiss nicht, weil er sich über das, was er unwissentlich getan hatte, gefreut hatte. Er hatte geträumt, doch diesmal war es ein schöner Traum gewesen.
Alma strich ihm noch einmal übers Haar, dann ging sie und vergewisserte sich, dass die Notbeleuchtung brannte, für alle Fälle.
Durch die Türritzen bemerkte Alma, dass im Zimmer der Frau Doktor noch Licht brannte, und das bekümmerte sie sehr. Sie war aufgewühlt, konnte keine Ruhe finden, die Ärmste.
Am liebsten wäre Alma jetzt zu ihr gegangen, hätte sie getröstet. Doch das ging gar nicht. Sie verstanden sich zwar ganz ausgezeichnet, hatten ein enges Verhältnis, aber sie waren und blieben Chefin und Angestellte, auch wenn die Frau Doktor sie das nicht spüren ließ.
Doch