Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman - Michaela Dornberg


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es. Mir wurde immer klarer, was ich verloren hatte, und ich konnte immer weniger damit umgehen. Ich konnte ja auch Sven überhaupt nicht gerecht werden, der unbewusst gewiss mitbekam, dass ich mich nicht auf ihn einlassen konnte, nicht so, wie er es verdient hätte … Mama, das Experiment ist gescheitert. Oder ich habe Charlotte noch zu früh kennengelernt. Wäre sie ohne Anhang, dann hätte es vielleicht funktionieren können. Da wäre der Schmerz meiner Vergangenheit allmählich verblasst, so war alles noch zu frisch, und die alten Wunden sind immer wieder aufgebrochen …, weder Charlotte noch Sven haben es verdient, dass da jemand ist, der Probleme mit seinen eigenen Gefühlen hat … Mama, es ist sehr schlimm, und ich leide unter der Trennung von Charlotte, doch es geht nicht anders. Während meines Aufenthaltes hier werde ich mich auch mal mit Frau Dr. Steinfeld unterhalten und mit ihr darüber reden, ob ich therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Und da es da viele Möglichkeiten gibt, bitte ich sie, mir den Weg aufzuzeigen, der für mich der richtige sein könnte. Ich möchte nicht als seelisches Wrack den Rest meines Lebens verbringen.«

      Er redete noch weiter, doch all seine Worte rauschten an ihr vorüber wie ein eiliger Bach, den es hinunter vom Berg zog.

      Jörg und Charlotte waren getrennt!

      Ihr Sohn erinnerte ihn an seine verlorenen Kinder!

      Und wie aufgewühlt musste er sein, dass er sogar therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Jörg! Ihr Sohn, der coole Geschäftsmann, für den es niemals Probleme gegeben hatte, sondern nur Herausforderungen und Lösungen.

      Eine unbändige Wut auf Stella überkam sie, die das alles verursacht hatte. Und die wusste schon, dass sie Dreck am Stecken hatte, denn sonst hätte sie sich ja mal irgendwo gemeldet. Ihre Eltern wussten ja bis heute nicht von ihr, dass sie einen neuen Weg für sich gewählt hatte, und auch der spärliche Kontakt zu ihrem Bruder Fabian war mittlerweile ganz eingeschlafen, dabei waren die beiden früher ein Herz und eine Seele gewesen.

      Ihr armer, armer Junge!

      Auch wenn die Kinder erwachsen waren, längst schon selbst Kinder hatten, zerriss es eine Mutter, wenn bei denen etwas nicht stimmte. Und bei Jörg war alles aus dem Ruder gelaufen, in privater Hinsicht. Seine Familie war zerbrochen, die Kinder waren aus seinem Leben verschwunden. Und als sei das nicht schon genug, zogen sich die Schatten seiner Vergangenheit bis in die Gegenwart. Er hatte sich von Charlotte getrennt, weil er unter der Nähe zu ihrem Sohn gelitten hatte, dem er nicht gerecht werden konnte.

      Was für ein Durcheinander!

      Sie sprachen beide nicht mehr. Es war still in der gemütlichen Wohnküche, nur das Ticken der Uhr an der Wand war zu hören. Und selbst Luna spürte, dass da etwas ganz gehörig aus dem Ruder gelaufen war, dass sie jetzt besser still auf ihrem Kissen liegen blieb, denn niemand würde sich jetzt um sie kümmern, ihr Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten schenken, und an Leckerli war in einer solchen Situation schon überhaupt nicht zu denken.

      Die Auerbachs waren immer eine Bilderbuchfamilie gewesen, die in einer heilen Welt gelebt hatten, in der es nur Sonnenschein zu geben schien.

      Und plötzlich waren die Risse da!

      Zuerst war ihnen ihr Leben ganz gehörig um die Ohren geflogen, als ihre Jüngste, ihr Bambi, wie Pamela damals noch genannt wurde, von Fremden erfahren musste, dass sie keine echte Auerbach war, sondern dass man sie adoptiert hatte. Es hatte viele Scherben gegeben, Verletzungen, und es hatte sehr lange gedauert, bis sie sich wieder versöhnt hatten. Dann die Scheidung von Jörg, jetzt dessen Trennung von Charlotte. Und Hannes war ebenfalls mit einem Knall in der Wirklichkeit gelandet. Er hatte es sich in Australien gemütlich eingerichtet. Die Surf- und Tauchschule, die er zusammen mit seinem Kumpel Steve betrieben hatte, war ein großer Erfolg, Hannes war nicht nur das Werbegesicht für das besondere Surfbrett ›Sundance‹ gewesen, nein, er hatte gehörig daran verdient, und an der zweiten Version hatte er sogar mitgearbeitet. Besser ging es nicht. Er war glücklich mit seiner Freundin Joy gewesen, einer Medizinstudentin.

      Und dann war er zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Auf einem kaum befahrenen Highway hatte ein unachtsamer Autofahrer sein Leben zerstört, es aus allen Fugen platzen lassen, wie all seine Träume.

      Niemand hatte das Glück für alle Ewigkeit gepachtet, auch die Auerbachs nicht. Zu dieser bitteren Erkenntnis war Inge nicht erst heute gekommen. Doch Jörgs Eröffnung gerade, die hatte allem noch die Krone aufgesetzt.

      Wie sollte es denn weitergehen?

      Inge hatte keine Ahnung. Und was für sie als Mutter besonders schlimm war, das war die Tatsache, dass sie nichts tun konnte. Ihr waren die Hände gebunden. Sie konnte für Jörg da sein, alles für ihn tun. Doch sie wusste, dass es nicht ausreichte, einen besonderen Kuchen zu backen oder ein schönes Essen zu servieren. Damit heilte man keinen Seelenschmerz.

      Es war Jörg, der in die Gegenwart zurückfand, indem er sagte: »Hast du noch einen Kaffee für mich, Mama? Danach möchte ich gern eine Runde um den See drehen. Mein Fahrrad steht hoffentlich noch in der Garage?«

      Das bestätigte Inge, dann stand sie auf, um Jörg einen weiteren Kaffee zu bringen. Sie selbst schüttete sich keinen ein. Und daran konnte man erkennen, wie durcheinander Inge war. Normalerweise ging bei ihr ohne Kaffee überhaupt nichts.

      Während er seinen Kaffee trank, warf Inge ihrem Sohn einen liebevollen Blick zu. Auf jemanden wie ihn konnte man sehr stolz sein, und das hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass er großartig aussah. Nein, die Auerbach-Kinder hatten alle ein gutes Herz, einen guten Charakter, sie waren klug, fleißig. Sie hätte noch eine ganze Menge guter Eigenschaften aufzählen können.

      Die bittere Erkenntnis war doch, dass das alles nicht zählte, dass man sich dadurch nicht einen Freifahrtschein für ein glückliches Leben erkaufte. Es konnte die Guten und die Schlechten treffen. Inge kam immer mehr zu der Erkenntnis, dass man sich zwar bemühen konnte, ein ordentliches Leben zu führen, dass jedem Menschen aber sein Schicksal vorbestimmt war. Ein Schicksal, das man annehmen oder an dem man scheitern konnte.

      Ja, ja, stimmte alles. Doch was sich im Kopf abspielte, das war nicht das, was man fühlte.

      Nachdem sie Jörg den Kaffee gebracht hatte, stand sie noch einmal auf, stellte eine Schale mit Keksen vor ihn hin. Früher, als die Kinder klein gewesen waren, hatte sie diese mit so etwas ein wenig ablenken können, sei es nun von einem aufgeschlagenen Knie oder einem anderen Kümmernis.

      Jörg lächelte seine Mutter an, und dass das etwas war, was heute nicht mehr zog, merkte Inge daran, dass er nicht nach den Keksen griff.

      Stattdessen sagte er: »Mama, danke, dass du mir zugehört hast und ein noch größeres Dankeschön dafür, dass von dir keine Vorwürfe kamen. Bitte glaub mir, ich habe mir meine Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht, doch niemand kann über seinen Schatten springen. Außerdem muss eine Beziehung für jeden der beiden Partner stimmig sein. Und wenn dann gar noch Kinder im Spiel sind, muss man besonders vorsichtig sein. Ich wäre Sven nie gerecht geworden, und nachdem der Junge bereits eine trübe Erfahrung mit seinem eigenen Vater machen musste, ist es ihm nicht zumutbar, mit jemandem konfrontiert zu werden, der nicht einmal laue Gefühle für ihn entwickeln kann. Und auch für Charlotte wäre es auf Dauer unzumutbar gewesen. Ich kann sie nicht als eigenständige Person sehen, sie und ihr Sohn sind wie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden. Und wenn es ein neues Glück auf ihrem Weg gibt, dann muss es für alle Beteiligten stimmig sein. Mama, es tut mir so unendlich leid, es schmerzt so sehr, dass ich die Erwartungshaltung der beiden nicht erfüllen konnte. Daran kann man sehen, was für ein seelischer Krüppel ich geworden bin.«

      Er vergaß, seinen Kaffee auszutrinken, sprang auf, ging auf Inge zu, umarmte sie, gab ihr einen Kuss auf die Stirn, dann verließ er mit einem ›bis später‹ den Raum, und Inge blieb wie erschlagen zurück.

      Sie würde Jörg so gern helfen, doch ihr waren die Hände gebunden. Sie konnte es nicht, sie konnte allenfalls für ihn da sein. Doch reichte das, um seinen Seelenschmerz zu lindern? Sie konnte sich nicht einmal damit trösten, dass Jörg nach Hause gekommen war, um seine Wunden zu lecken.

      Sie sprang auf, sie hielt es nicht mehr aus.

      »Komm, Luna, wir gehen nach


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