Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 7 – Familienroman - Michaela Dornberg


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ihr sogar voraus. Sie kannte nicht nur den Weg, nein, sie wusste auch, dass es dort für sie auf jeden Fall diese köstlichen Leckerli gab.

      *

      Natürlich hatten Teresa und Magnus von Roth ihren Enkelsohn schon begrüßt, doch Teresa war sehr erstaunt, ihre Tochter jetzt allein zu sehen. Wenn eines der Kinder bei ihr war, da nutzte sie jeden Augenblick mit ihnen, und da vergaß sie sogar ihre Eltern, die sie sehr liebte und mit denen sie viel Zeit verbrachte.

      »Ist Jörg wieder weg?«, erkundigte Teresa sich.

      Inge schüttelte den Kopf, erzählte ihrer Mutter, dass er für ein paar Tage in seinem Elternhaus bleiben würde und das er gerade eine Radtour um den Sternsee machte.

      Teresa blickte ihre Tochter ganz erstaunt an. So etwas war seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen. Jörg war immer nur zu Stippvisiten im Sonnenwinkel gewesen, auch, als er noch mit Stella verheiratet gewesen war und in Deutschland gelebt hatte.

      Teresa blickte ihre Tochter an, die einen ganz bekümmerten Eindruck machte. Und das passte nicht zu dem Verhalten, das sie sonst an den Tag legte, wenn eines der Kinder da war. Da sprühte sie vor Glück.

      »Inge, was ist los?«, erkundigte sie sich deswegen auch, und Inge konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Jörg hatte ihr zwar nicht ausdrücklich gestattet, dass sie mit jemandem darüber reden durfte, was er ihr anvertraut hatte. Doch die Großeltern waren nicht ›jemand‹. Inge war sich sicher, dass es für ihn schon okay war, dass sie darüber sprach. Und das musste sie, weil sie sonst das Gefühl hatte, zu ersticken.

      »Mama, Jörg und Charlotte haben sich getrennt. Genauer gesagt, hat er die Trennung vollzogen.«

      Dann erzählte Inge ihrer Mutter, was sie von ihrem Sohn gehört hatte.

      »Mama, ich finde es ganz schrecklich. Jörg und Charlotte passten so wunderbar zusammen, sie waren so glücklich miteinander.«

      »Aber ganz offensichtlich war es nicht mehr so, wenn Sven, ihr Sohn, dabei war. Und der gehört nun mal dazu. Und ehrlich mal, Inge, ich kann Jörg verstehen. Da soll er für ein Kind da sein, ihm Liebe und Aufmerksamkeit schenken, was ein Kind ja auch verdient. Da muss er automatisch an seine geliebten Kinder denken, für die er nicht mehr da sein kann. Es ist bitter für ihn und Charlotte. Aber ich finde, Jörg ist es sehr hoch anzurechnen, dass er sein Glück opfert, um Sven nicht unglücklich zu machen. In einer Kinderseele kann man einen großen und vor allem dauerhaften Schaden anrichten. Für ihn war es gut, Charlotte nach dem ganzen Fiasko, dem Zusammenbruch seiner Ehe, kennengelernt zu haben. Es war leider zu früh. Er hätte erst seine Wunden für sich allein heilen müssen.«

      »Mama, das stimmt ja, aber du glaubst nicht, wie sehr Jörg leidet und wie schlimm es in ihm aussehen muss, sonst wäre er doch niemals nach Hause gekommen.«

      »Dass er gekommen ist, zeigt, welches Vertrauen er vor allem zu dir hat. Sei jetzt bitte nicht zu traurig und voller Bedauern. Was geschehen ist, das ist geschehen, und so etwas trifft ja nicht nur einen Auerbach. Das passiert ständig, überall auf der Welt, nur meistens nimmt dann niemand Rücksicht auf die Kinder, sondern denkt nur an die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse. Jörg ist ein großartiger Mensch, alle deine Kinder sind es, und du kannst stolz auf sie und auf dich sein. Das zeigt dir doch, dass du alles richtig gemacht hast.«

      Die Worte ihrer Mutter taten gut, waren Balsam für ihre Seele.

      Luna stupste Teresa an, und die wusste Bescheid, ging zum Schrank, in dem die Leckerli aufbewahrt wurden, und dort langte sie großzügig in das Glas.

      Normalerweise hätte Inge jetzt protestiert, doch sie hatte einfach nicht die Kraft dazu. Außerdem hatte sie ganz andere Sorgen, die weitaus größer waren, als jetzt daran zu denken, ob Luna ein paar Leckerli zu viel bekam.

      Luna war zufrieden, natürlich hatte sie auch bei Teresa und Magnus von Roth ihr eigenes Kissen. Das musste sein. Und auf das zog sie sich zufrieden zurück, leckte vor Begeisterung ihre Pfoten und dann legte sie ihren Kopf darauf und döste vor sich hin.

      Hund müsste man sein, dachte Inge ein wenig neidisch.

      »Jörg ist stark, er wird darüber hinwegkommen. Und wer weiß, es ist doch nicht ausgeschlossen, dass sich sein und Charlottes Weg irgendwann wieder einmal kreuzen. Später, wenn Sven nicht mehr auf seine Mutter angewiesen sein wird. Kinder werden schneller erwachsen als man denkt und gehen dann ihren eigenen Weg.

      Wenn Jörg und Charlotte einander vorbestimmt sind, dann werden sie erneut zueinanderfinden, oder es wird sich eine andere Möglichkeit ergeben. Sie haben sich ja nicht getrennt, weil sie sich hassen, weil sie es nicht mehr miteinander können. Wenn du so willst, war es eine Trennung aus Liebe.«

      Sie seufzte.

      »Was ist das für eine Welt, in der wir leben. Früher war es alles anders. Da blieb man zusammen. Heute rennt man bei der kleinsten Kleinigkeit auseinander, nicht Jörg, bei dem war es ein großes Verantwortungsgefühl. Aber ansonsten, man hört ja andauernd was, und dann gibt es die sogenannten Patchworkfamilien aus mein, dein, unser. Du kannst mir sagen, was du willst, Inge. Jemand bleibt da immer auf der Strecke, und meistens sind es leider doch die Kinder. Auch wenn dieser andere Mann, der zum Glück keine eigenen Kinder hat, ganz nett zu Jörgs Kindern sein soll. Er ist nicht der Vater, er ist nicht ihr Fleisch und Blut. Da kann überhaupt keine so enge Bindung entstehen.«

      Jetzt musste Inge ihrer Mutter aber widersprechen.

      »Mama, es gibt auch ganz schreckliche leibliche Väter, die ihre Kinder prügeln, vernachlässigen, die sie, was am schlimmsten ist, sogar missbrauchen. Solche Kinder sind dann bei einem liebevollen Stiefvater auf jeden Fall besser aufgehoben.« Teresa winkte ab.

      »Es gibt immer Ausnahmen von allem. Die schönste, wundervollste Ausnahme ist unsere Liebe für Pamela und ihre Liebe, Zuneigung zu uns allen. Pamela ist für uns alle ein Geschenk, gerade auch jetzt, nach ihrer Rückkehr aus Australien. Zurück zu Jörg. Wir werden uns alle um ihn kümmern, ohne ihm zu nahe zu treten. Zu viel Mitleid und Zuwendung kann erdrücken, und so wie unser Jörg gestrickt ist, sucht er dann das Weite. Ich habe frischen Tee gekocht, mein Kind. Möchtest du einen trinken, oder muss es für dich unbedingt Kaffee sein?«

      Teresa kannte schließlich die Leidenschaft ihrer Tochter, die sie nicht immer billigte.

      »Tee ist gut, Mama«, sagte Inge.

      Normalerweise hätte sie ihrer Mutter jetzt helfen können. Sie kannte sich im Haus ihrer Eltern aus, doch Inge war irgendwie kraftlos, als habe man bei ihr einen Stecker herausgezogen.

      Sie sah zu, wie ihre Mutter die Teetassen auf den Tisch stellte, dann die Teekanne. Und sie bewunderte wieder einmal deren Energie, die sie leider nicht geerbt hatte. Sie kam nun mal auf die Oma Henriette, ihre Großmutter väterlicherseits.

      Manchmal war es ganz gut, das als Ausrede benutzen zu können.

      Der Darjeeling war köstlich, und vielleicht sollte sie sich auch angewöhnen, mehr Tee zu trinken und ihren Kaffeekonsum wenigstens zu halbieren.

      Das allerdings war kein Problem, das sie derzeit lösen musste.

      Jörg war das Problem, dessen Befindlichkeit. Inge war auf jeden Fall sehr froh, zu ihrer Mutter geflüchtet zu sein. Fast schien es, als flösse etwas von deren Energie zu ihr herüber.

      Ihre Mutter war eine so starke Frau, und der gelang es sogar, ein anderes Thema anzuschneiden, und das war das Fest zur Erhaltung des Hohenborner Tierheims. Das interessierte auch Inge, schließlich hatten sie Luna von dorther geholt.

      Es tat gut, für einen Moment nicht an Jörg denken zu müssen.

      *

      Nun also war es amtlich. Dr. Peter Bredenbrock und seine Kinder Maren und Tim würden ihre Zelte im Sonnenwinkel abbrechen und er seine Tätigkeit als Lehrer am Gymnasium in Hohenborn, wo er total unterfordert gewesen war.

      Er hatte in erster Linie für seine beiden Sprösslinge nur das Beste machen wollen, doch so richtig geklappt hatte es nicht. Sie waren niemals im Sonnenwinkel richtig angekommen, sie hatten sich


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