Butler Parker 181 – Kriminalroman. Günter Dönges
sie zurück, »lassen Sie sie herein, Mr. Parker! Etwas Abwechslung vor dem Tee ist durchaus angebracht.«
Parker bewegte einen der vielen kleinen Kipphebel, die auf einer Art Schalttafel im Wandschrank angebracht waren, worauf der elektrische Türöffner die schwere Haustür aufschwingen ließ.
Die Besucher betraten stürmisch den verglasten Vorflur und erblickten Kathy Porter neben dem Butler. Lady Agatha ließ sich hingegen nicht sehen. Sie befand sich neben dem Wandschrank, konnte ihrerseits aber die Szene gut überblicken.
Die beiden Männer waren mittelgroß, schlank und wirkten durchtrainiert. Sie trugen dunkelgraue, überraschend gut geschnittene Anzüge und bewegten sich mit sportlicher Lässigkeit. Sie gingen zur Glastür, betraten die große Wohnhalle, steuerten sofort auf Kathy Porter zu und übersahen leichtsinnigerweise den Butler.
»So sieht man sich wieder, Süße«, sagte einer von ihnen, dessen linke Gesichtshälfte deutlich geschwollen war, »so geht das aber nicht, klar?«
»Erst unseren Wagen demolieren und dann abhauen«, fügte der zweite Mann ein wenig gequält-heiser hinzu, was wohl mit der Schwellung seiner rechten Halspartie zu tun hatte, »unser Boß braucht ein paar persönliche Daten von Ihnen, von wegen Versicherung und so.«
»Du kommst besser gleich mit, klar?« Der Mann griff nach Kathys Arm. »Die Sache ist gleich überstanden.«
»Ich soll Ihren Wagen gerammt haben?« Kathy Porter tat ängstlich und überrascht zugleich, »aber das stimmt doch gar nicht.«
»Mach keine Zicken, Kleine«, sagte der andere Mann, »und komm uns nicht noch mal mit faulen Tricks. Auf so was fallen wir immer nur einmal rein.«
»Könnte man in Erfahrung bringen, meine Herren, was Sie unter der Bezeichnung faule Tricks zu verstehen belieben?« ließ Josuah Parker sich in seiner höflichen Art vernehmen, »darf man übrigens um Ihre Karten bitten?«
Der Butler streckte das ovale Silbertablett aus, auf dem er den Brandy serviert hatte.
»Karten?« Der erste Besucher runzelte die Stirn und verstand nicht.
»Ihre Visitenkarten, über die Sie doch sicher verfügen«, gab Josuah Parker zurück, »es entspricht dem Stil dieses Hauses, daß Besucher Ihre Karten überreichen.«
»Ich glaub’, ich brech’ zusammen«, belustigte sich der zweite Gast, »Visitenkarten? Mann, haben Sie noch nicht kapiert?«
»Keineswegs und mitnichten«, entgegnete der Butler und ... überreichte nun seinerseits das schwere Silbertablett, und zwar auf eine Art, mit der die beiden Besucher auf keinen Fall gerechnet hatten.
*
Der Besucher, der sich gerade noch so intensiv amüsiert hatte, tat es nicht mehr. Josuah Parker hatte ihm die Rückseite des Silbertabletts in fast diskreter Geste gegen die Brust gedrückt. Eine Schußwaffe, die sich in einer Schulterhalfter befand, wurde so fast zum Rippenbrecher. Der Mann schnappte nach Luft, fand im ersten Moment keine und bekam einen dunkelroten Kopf.
»Meine Wenigkeit wollte nur möglichen Anfängen wehren«, erläuterte Josuah Parker die Situation. Der erste Besucher, der sich hatte ablenken lassen, wandte sich zu seinem Begleiter um und starrte ihn entgeistert an. Als er dann seinerseits aktiv werden wollte, erlebte er eine mehr als peinliche Überraschung.
Lady Agatha hatte die bisherige Zurückhaltung aufgegeben und erschien seitlich hinter dem Ahnungslosen, um ihn mit einer ihrer gefürchteten Ohrfeigen zu beglücken.
Sie legte ihre wirklich nicht kleine Hand auf die linke Wange des Mannes, der daraufhin im wahrsten Sinn des Wortes den Boden unter den Füßen verlor und seitlich wegrutschte. Dabei senkte er den Kopf und brachte ihn in eine Lage, der Josuah Parker nicht zu widerstehen vermochte. Der Butler setzte sein Silbertablett noch mal gezielt ein und legte es auf den Hinterkopf des Besuchers, der sich daraufhin auf dem Boden ausbreitete.«
»Sehr schön«, stellte die passionierte Detektivin fest und nickte dem Butler wohlwollend zu. »Sie lernen es noch, Mr. Parker.«
»Vielleicht handelte meine Wenigkeit doch ein wenig zu spontan und ausgelassen«, entschuldigte sich Parker.
»Unsinn, Mr. Parker«, erwiderte Lady Agatha, »Sie hätten natürlich noch etwas fester zuschlagen können, aber das werden Sie noch lernen.«
Der Mann, dessen Rippen in Gefahr geraten waren, hatte plötzlich wieder Luft in den Lungen und griff blitzschnell nach seiner Schulterhalfter. Er griff allerdings ins Leere, wie sich zeigte. Josuah Parker hatte die Schußwaffe mit der Geschicklichkeit eines professionellen Taschendiebes an sich gebracht und in den Taschen seines schwarzen Zweireihers verschwinden lassen.
»Sie sollten vielleicht eine Erklärung abgeben«, schlug Parker dem Besucher vor und deutete auf seine Herrin, »Mylady geruht zuzuhören.«
»Erklärung?« fragte der Mann zurück und blickte die ältere Dame scheu an, »hören Sie, Lady, oder was immer Sie auch sein mögen, Sie haben einen verdammt großen Fehler gemacht.«
»Sprechen Sie sich ruhig aus, junger Mann«, lautete Agatha Simpsons Antwort. Ihre Augen funkelten.
»Das hier hätten Sie nicht tun sollen, Lady«, redete der Mann weiter, »Sie haben ja keine Ahnung, was da auf Sie zukommt.«
»Genau das will ich von Ihnen hören«, raunzte Lady Agatha, »und ... beeilen Sie sich damit, bevor ich die Geduld verliere! Sie wollten meine Gesellschafterin entführen, wie ich hörte?«
»Unsinn, Lady, Mr. Preston will sie nur sprechen, mehr nicht.«
»Wollen Sie Mylady unterstellen, Unsinn zu reden?« fragte Josuah Parker gemessen und höflich.
»Nein, nein, natürlich nicht«, kam schnell die Antwort, »ich meine nur, daß Preston sie sprechen will, mehr nicht.«
»Und wer, wenn man fragen darf, ist Mr. Preston?« erkundigte sich der Butler
»Vince Preston«, wiederholte der Besucher, »er ist der Boß, verstehen Sie? Mehr weiß ich auch nicht.«
»Und besagter Mr. Preston wartet in einem Jaguar an der nahen Durchgangsstraße?«
»Stimmt«, lautete die Antwort, »er will nur die Kleine da, äh, ich meine, die Lady da sprechen.«
Er deutete auf Kathy Porter, die interessiert zuhörte.
»Sie versuchten, Miß Porter in den Jaguar zu drängen, wenn meine Wenigkeit richtig informiert ist?«
»Das sah doch nur so aus«, verteidigte sich der Mann verzweifelt, »okay, mein Partner und ich waren vielleicht etwas zu ruppig, aber wir wollten doch nichts von ihr.«
»Mylady wünscht zu erfahren, wo man Mr. Vince Preston erreichen kann«, stellte Josuah Parker fest.
»Der Boß ist meist in seinem Lieblings-Club, im ›Granada‹.«
»Sie sollten noch zusätzlich erklären, wo dieser Club beheimatet ist.«
»In Pimlico«, wurde geantwortet, »in ’ner Seitenstraße der Lupus Street.«
»Damit sind Sie entlassen, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich ein, »ich werde jetzt meinen Tee trinken. Und nehmen Sie dieses Subjekt mit.«
»Zumal es sich auf dem Teppich nicht gerade dekorativ ausmacht«, fügte der Butler hinzu, »man wünscht Ihnen noch einen guten Heimweg.«
*
»Allmächtiger, ich will ja nicht gerade den Teufel an die Wand malen«, sagte Chief-Superintendent McWarden, »aber mußten Sie sich unbedingt mit Vince Preston anlegen, Mylady?«
Der Chief-Superintendent, der im Yard ein Sonderdezernat leitete und sich mit organisiertem Verbrechen befaßte, war ein untersetzter, dicklicher Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren, der an eine stets leicht gereizte und aggressive Bulldogge erinnerte. Er war vor wenigen Minuten in Shepherd’s Market im Haus der Lady Simpson angekommen und zu seiner ehrlichen Verblüffung zu einer Tasse Tee eingeladen worden.