Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 3 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 3 – Familienroman - Michaela Dornberg


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deine Hilfe bei Mathe und …, für alles. Bis morgen dann.«

      »Ja, bis morgen, und mach dir wegen der Mathearbeit keinen Kopf. Du schaffst das.«

      Wie nett er doch war!

      Leonie lief zu ihrem Fahrrad, stieg auf, und dann fuhr sie los. Der Berg war wirklich ziemlich steil. Und es machte ihr ein wenig Angst, als es immer schneller wurde. Als sie um die Ecke bog und sicher sein konnte, von Manuel nicht mehr gesehen zu werden, stieg Leonie vorsichtshalber ab. Es war schon ziemlich schwierig gewesen, den Berg hinaufzufahren, das hatte sie nicht geschafft. Aber das jetzt, das war noch viel schwieriger. Das war ihr nicht ganz geheuer, und deswegen fand sie es richtiger, ihr Fahrrad zu schieben. Und genau das tat Leonie jetzt. Besser so, als irgendwo im Gebüsch zu landen, zumal es ja nicht einmal ihr eigenes Fahrrad war.

      *

      Unten im Sonnenwinkel angekommen, stieg Leonie wieder auf ihr Fahrrad und radelte los. Und sie war ganz stolz zu sehen, wie gut es auf ebenen Wegen bereits klappte. Da fühlte sie sich sehr sicher. Und das andere würde auch noch kommen. Da machte sie sich überhaupt keine Sorgen. Wenn sie daran dachte, wie sie herumgeeiert war, als sie sich das erste Mal auf das Fahrrad gesetzt hatte. Aber Manuel war ein geduldiger und sehr guter Lehrer gewesen.

      Ach, der Manuel, sie mochte ihn ja so gern. Es war schön, einen Freund wie ihn zu haben. Und seine Stiefmutter, die war auch eine sehr Nette, und die Zwillinge, die waren ganz schön aufgeweckt. Aber Leonie hätte auch gern Geschwister gehabt. Daran hatte sie niemals zuvor gedacht, sie war immer mit ihrer Mutter allein gewesen und hatte es deswegen als normal empfunden. Seit sie im Sonnenwinkel wohnten, seit sie immer mehr Leute kennenlernte, auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, stellte sie mit Erstaunen fest, dass es andere Konstellationen gab. Und da begann sie schon ein wenig darüber nachzudenken.

      Leonie war daheim angekommen. Sie stellte das Fahrrad in die Garage, und dann stürmte sie ins Haus.

      »Mami, Mami«, schrie sie schon in der Diele ganz aufgeregt.

      Leonie! Wieso war sie schon wieder daheim? Wieso war sie so aufgeregt, da war doch hoffentlich nichts geschehen. Gerda kam aus der Küche gerannt.

      »Ist etwas passiert?«, erkundigte sie sich ganz besorgt.

      »Ja, Mami, es ist etwas passiert«, rief Leonie. Sie hatte ein vor lauter Aufregung hochrotes Gesicht, ihre Augen blitzten. »Du wirst es nicht glauben. Aber stell dir vor, in Manuels Zimmer steht ein Klavier. Ich habe mich drangesetzt, und weißt du was, ich konnte einfach so ein Lied spielen, das mir gerade in den Sinn kam. Mami, ich konnte es, obwohl ich zuvor noch nicht einmal ein Klavier gesehen hatte.«

      Wie verstört hatte Gerda ihrer Tochter zugehört.

      »Mami, ich muss unbedingt lernen, Klavier zu spielen.«

      Der Teller, den Gerda mit nach draußen gebracht hatte, fiel ihr aus der Hand, es gab ein hässliches Klirren, als er auf dem Steinfußboden in viele Scherben zerbrach.

      Scherben bringen Glück, sagte man ja allgemein. Das traf in diesem Fall nicht zu. Das war eine Katastrophe. Das musste sie unterbinden, am besten sofort im Keim ersticken.

      Es kostete Gerda unglaublich viel Mühe, sich jetzt zusammenzureißen.

      »Du wirst nichts tun«, sagte sie barsch, »das werde ich unterbinden. Kümmere dich um die Schule, da hast du genug zu tun. Und lerne zu begreifen, dass man nicht alles im Leben haben kann, das man sich wünscht. Verstanden?«

      Leonie starrte ihre Mutter ganz entgeistert an.

      So hatte ihre Mami noch niemals zuvor mit ihr geredet. Was war geschehen? Sie hatte doch überhaupt nichts getan! Sie hatte sich nur gefreut, und warum tat ihre Mami das nicht?

      Leonie holte tief Luft.

      »Du …, du bist ja so gemein«, rief Leonie, ehe sie an ihrer Mutter vorbei die Treppe hinauflief, in ihr Zimmer, und dort ließ sie die Tür mit lautem Krach ins Schloss fallen.

      Gerda war am Ende.

      Sie war nicht einmal in der Lage, die Scherben des zerbrochenen Tellers zusammenzufegen.

      Sie hatte es geahnt, nein, sie hatte es gewusst, und dennoch hatte sie Leonies Wunsch nachgegeben, hier in dieses Haus zu ziehen.

      Und nun holte es sie ein.

      Gerda hatte das Gefühl, dass eine Krake sich ihr langsam und unaufhaltsam näherte, und dass sich ihre Fangarme um sie schlangen und sie nichts dagegen tun konnte.

      Wie hatte sie ahnen können, dass bei diesem Manuel ein Klavier stand.

      Und noch weniger hatte sie ahnen können, dass Leonie sich an das Klavier setzen und einfach spielen würde. Wie war das möglich? Reichte dazu ein musikalisches Gespür? Oder aber …

      Gerda spürte, wie sich feine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten, wie sie immer panischer wurde.

      Was sollte sie jetzt tun?

      Blacky umstrich sie, doch Gerda nahm es nicht wahr.

      Sie hätte Leonie gegenüber nicht so heftig werden dürfen. Sie hätte diplomatischer vorgehen müssen. Aber wie konnte man das, wenn man auf einmal das Gefühl hatte, einen heftigen Schlag in die Magengrube erhalten zu haben.

      Leonie hatte sich an ein Klavier gesetzt und einfach gespielt …

      Gerda konnte damit nicht fertig werden. Sie, die normalerweise einen klaren Verstand hatte, die immer wusste, was zu tun war, hatte das Empfinden, jemand habe ihr den Boden unter den Füßen weggezogen.

      Was sollte sie tun?

      Draußen hatte sich der Himmel aufgeklart, eine blasse Sonne bahnte sich ihren Weg durch die verhangenen Wolken. Das bekam Gerda nicht mit. Dabei sah es so schön aus, wie das monotone Grau da draußen einen hellen Glanz bekam.

      Warum sah sie nicht hin?

      Sie hätte es so deuten können, dass es nach dem Dunkel immer wieder Licht gab.

      Vielleicht tat sie es nicht, weil es nicht an der Zeit war, zu orakeln, sondern weil sie eine ernsthafte Bedrohung spürte, von der sie nicht wusste, wie sie ihr begegnen musste.

      Aber eines musste sie jetzt tun.

      Das, was geschehen war, durfte so nicht im Raum stehen bleiben. Zwischen ihr und Leonie war immer alles so wunderbar gewesen. Durch dieses Vertrauensverhältnis durfte jetzt kein Riss gehen.

      Sie musste etwas tun!

      Aber was?

      Sie war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, weil in ihr Panik und Angst waren, und sie spürte die Bedrohung körperlich. Sie zitterte, und in ihr breitete sich eisige Kälte aus.

      Gerda riss sich zusammen. Sie kümmerte sich noch immer nicht um die Scherben des zerbrochenen Tellers, sondern sie ging langsam die Treppe hinauf, blieb vor Leonies Zimmer stehen.

      Sie musste mit ihr reden.

      Als Gerda die Türklinke herunterdrückte, merkte sie, dass sie sich vorhin nicht verhört hatte, Leonie hatte tatsächlich abgeschlossen. Und das war noch nie zuvor geschehen. Nirgendwo.

      Gerda atmete tief durch, dann klopfte sie.

      »Leonie, bitte mach auf.«

      Nichts tat sich.

      »Leonie, wir müssen miteinander reden. Bitte öffne jetzt die Tür.«

      Auch ihr erneuter Versuch scheiterte. Wieder erfolgte nichts.

      Ein derartiges Verhalten kannte Gerda nicht von Leonie.

      Das irritierte sie. Was sollte sie jetzt tun? Bitten? Autoritär werden?

      Gerda entschied sich für das Bitten.

      »Leonie, es tut mir leid. Ich habe heftig reagiert. Doch lass es mich bitte erklären, warum es so war.«

      »Ich will nicht!«

      Insgeheim atmete Gerda auf, wenigstens sagte sie etwas.


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