Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
Die Unterwassernixe korrigierte noch einmal die Richtung und feuerte dann ihre Harpune ab.
In Sekundenbruchteilen zischte sie durch die Luft. Direkt auf den Rücken des Butlers zu.
Bevor sie allerdings zu treffen vermochte, hatte der Butler sich entschlossen, den Gruß der Nymphe auf dem Wasserfloß zu beantworten. Dazu hatte er nach seiner Melone gegriffen, sie höflich gelüftet und dabei eine dezente Verbeugung angedeutet.
Und genau diese leichte Verbeugung rettete ihm das Leben, ruinierte dafür aber seinen schwarzen Zweireiher. Die Harpune zischte über sein linkes Schulterblatt hinweg und riß das Jackett auf. Parker, der zwar völlig überrascht wurde, rutschte sofort gekonnt in sich zusammen, ohne dabei allerdings überhastet zu wirken. Seine Bewegungen blieben würdevoll und gemessen.
Die etwas aus der Richtung gekommene Harpune landete im splitternden Holz des niedrigen Kajütenaufbaus und blieb federnd und zitternd stecken.
Die Nymphe im Hintergrund schien noch gar nichts mitbekommen zu haben. Sie winkte allerdings nicht mehr, sondern kniete nieder und verlor jedes weitere Interesse an Parker.
Der Butler war indigniert, als er die Harpune begutachtete. Sie hätte vollkommen ausgereicht, ihn zu durchbohren. Und sie war in voller Absicht auf ihn abgefeuert worden. Daher blieb der Butler erst einmal in Deckung und wartete der Dinge, die da wahrscheinlich noch kommen mußten.
Er brauchte nicht lange zu warten.
Neben dem Bootsrumpf hörte er ein zusätzliches Plätschern, dann ein schnelles, heftiges Atmen. Ein nackter Unterarm langte über den Bordrand, dann stemmte sich ein nackter Oberarm auf und anschließend war das Rüsselgesicht eines Unterwasserschwimmers zu sehen.
Parker genierte sich nicht lange.
Er griff herzhaft und mit Nachdruck zu.
Ein erschreckter Aufschrei war zu hören. Heftiges Wehren erfolgte. Doch der Butler, ließ sich nicht beeindrucken. Er brauchte sich noch nicht einmal sonderlich anzustrengen, um die Nixe zu bergen.
Strampelnd landete sie an Bord, blieb einen Moment lang auf dem Boden des Außenborders liegen, um dann aber wütend aufzuspringen. Dabei griff die erstaunlich gut gewachsene Nixe nach ihrem scharfen Kappmesser.
„Ich muß feststellen, Madam, daß Ihre Haltung die notwendige Würde vermissen läßt“, sagte Parker und griff seinerseits nach seinem Universal-Regenschirm.
„Ich, ich bringe Sie um!“ keuchte die Nixe, die das Mundstück des Atemgeräts ausgespuckt hatte, aber noch die Preßluftflasche trug, die sie behinderte. Die langen Flossen an den Füßen der jungen Schwimmerin waren ebenfalls ungeeignet, auf das Tempo zu drücken.
„Ich möchte unterstellen, daß Sie diesen Versuch bereits unternahmen“, sagte Parker und ließ die Spitze seines Regenschirms nach vorn schnellen.
Die Nixe wich zurück, wollte sich aber erneut auf den Butler stürzen. Parker, dem Auseinandersetzungen dieser Art verhaßt waren, wußte sich zu helfen. Erneut schnellte die Spitze des Regenschirms vor.
Die Nixe merkte zuerst überhaupt nicht, was sich getan hatte. Dann allerdings stieß sie einen erstickt-überraschten Aufschrei aus und fingerte hastig nach ihrem kleinen, fest sitzenden Büstenhalter, der nun nicht mehr fest saß. Die Regenschirmspitze hatte einen Träger gelöst, worauf die Gesamtkonstruktion nachgab.
„Ich bedaure außerordentlich, daß ich zu diesen Maßnahmen greifen mußte“, murmelte der Butler leicht verschämt. „Bitte, zwingen Sie mich nicht, auch weiterhin auf diesen! Spezialgebiet tätig zu werden!“
Ob die Nixe überhaupt zuhörte, war mehr als fraglich. Sie kämpfte mit dem Büstenhalter, vergaß darüber ihr Kappmesser und war nur noch eine junge Frau, die ein gewisses Schamgefühl zeigte.
„Falls es Ihnen hilft, Madam, könnte ich Ihnen eine Sicherheitsnadel verschaffen“, sagte der Butler, seine Dienste anbietend.
„Scheren Sie sich zum Teufel“, fauchte sie gereizt und entschloß sich, die Arme vor der Brust zu kreuzen, da der Träger nicht mehr zu reparieren war.
„Ich kann verstehen, Madam, daß Sie einem alten, müden und verbrauchten Mann gram sind“, gab der Butler gemessen zurück, „aber ich kann nicht verstehen, warum Sie mich umbringen wollten.“
Sie erinnerte sich wohl ihres Auftrages.
Sie wollte wieder aufspringen und nach dem Kappmesser greifen. Aber dann besann sie sich im letzten Moment auf ihr fehlendes Kleidungsstück und blieb sitzen.
„Dafür werden Sie noch büßen“, verhieß sie und sah sich dabei unentschlossen in der Runde um. Wartete sie auf Hilfe? Trieb sich eine weitere Nixe im Wasser herum?
Parker gestand sich ein, daß er von der jungen Dame abgelenkt worden war. Es wurde höchste Zeit, Zusätzliches für seine Sicherheit zu tun.
„Dort!“ sagte er, als habe er gerade etwas entdeckt. Gleichzeitig wies er mit dem Regenschirm auf den weiten Pazifik hinaus. Die halb entblößte Nixe fiel auf diesen Trick herein und nahm den Kopf herum.
Nun hatte der Butler Zeit und Gelegenheit, seinen Feldstecher noch einmal einzusetzen. In knapp einer Sekunde hatte er nun auch die junge Unterwassernixe fotografiert.
Sie merkte wohl, daß etwas nicht stimmte. Sie hatte wohl eingesehen, daß ihr nur noch die Flucht blieb. Sie schnellte plötzlich hoch und warf sich rücklings ins Wasser. Rauschend schlug das Wasser über ihr und dem Preßluftgerät zusammen. Sie ging sofort auf Tiefe und verschwand aus Parkers Sicht.
Der Butler barg die Harpune, schüttelte indigniert den Kopf und betrachtete sich auch das zurückgelassene Kappmesser. Mit solch einem Angriff hatte er keineswegs gerechnet. Gewisse Kreise schienen also sehr daran interessiert zu sein, ihn so schnell wie möglich ins Jenseits zu befördern. Die bisher entdeckten und aufgenommenen Spuren mußten demnach gut sein.
Er hielt Ausschau nach der Nymphe auf dem Floß.
Das Badefloß war leer.
In Richtung Strand entdeckte er die Nymphe, die schnell und kraftvoll auf den weißen Strand zuhielt. Fühlte sie sich wie die Nixe hier draußen nicht mehr sicher?
Parker nahm sich vor, ihr seine Hilfe anzubieten. Vielleicht ließ sie sich dazu überreden, zu ihm ins Boot zu steigen.
Doch ein anderes Boot war wesentlich schneller. Es tauchte aus dem Sonnenglast, der über dem Wasser lag, wie eine Erscheinung auf, preschte an die Schwimmerin heran und verhielt kurz. Dann, mit rauschender Bugwelle, jagte es direkt auf den Außenborder des Butlers zu.
Josuah Parker machte sich keine Illusionen. Situationen dieser Art waren ihm nicht unbekannt. Nun sollte wohl der nächste Versuch erfolgen, ihn ins Jenseits zu befördern. Er war froh, daß er seinen kleinen, schwarzen Spezialkoffer vor diesem Ausflug befragt hatte!
*
Die Absicht wurde immer unverkennbarer.
Das Schnellboot, wesentlich kleiner als der Außenborder, in dem der Butler saß, korrigierte noch einmal seinen Kurs und nahm die Jagd auf. Es kam ungemein rasch näher. Und vorn in der Bootsspitze richtete sich ein Mann auf, der eine Tauchermaske trug, damit man sein Gesicht nicht erkennen konnte. Er hielt eine Maschinenpistole in der Hand und wartete auf seine Gelegenheit. Noch war die Distanz zu groß, um das Feuer zu eröffnen.
Parker hatte nun wirklich keine Lust, sich als Zielscheibe anzubieten, obwohl er sonst ein durchaus gefälliger und höflicher Mensch war.
Er hatte sich ja erfreulicherweise vor der Fahrt aus seinem Spezialkoffer versorgt und wieder einmal die richtigen Utensilien ausgewählt. In solchen Fällen verfügte er erwiesenermaßen über einen ausgeprägten siebten Sinn.
Parker nahm seine schwarze Melone ab und griff in die Wölbung hinein, die mit Stahlblech ausgefüttert war, was von außen natürlich nicht zu sehen war. Er löste einen kugelschreiberlangen Blechzylinder aus einer Spezialhalterung. Dieser Zylinder hatte den