Butler Parker Box 1 – Kriminalroman. Günter Dönges
sich etwas vorgenommen. Sehr viel sogar. Sie wollten Parker durch die Mangel drehen, wie es in ihrer Fachsprache hieß.
Was konnte der flüchtende Mann schon mit seinem komischen Regenschirm gegen drei Schußwaffen ausrichten? Er hatte keine Chance …!
Sie rannten also in den Keiler, wollten wie Sprinter losstarten, doch genau in diesem Moment explodierten die ersten Knallerbsen, die Josuah Parker vorsorglich ausgestreut hatte. Es handelte sich um eine Eigenentwicklung, die äußerst lautstark und schlecht riechend war.
Die Gangster mißverstanden diesen Krach, glaubten an Schüsse. Sie gingen sicherheitshalber in Deckung und ließen ihre Waffen sprechen.
Der Lärm im Keller wurde dadurch verstärkt. Querschläger sirrten durch die Luft, der beißende Qualm der Knallerbsen intensivierte sich.
Hustend, spuckend und fluchend mußten die drei Gangster sich schließlich zurückziehen und die Verfolgung auf geben.
Josuah Parker hatte inzwischen den Fabrikhof erreicht und stieg in den Wagen der Gangster.
Die freundliche Erlaubnis seiner Gegner vorausschickend, ließ er den Motor anspringen und fuhr los.
Nein, natürlich nicht nach Hause.
Wenn Butler Parker in Stimmung gebracht worden war, konnte er einfach kein Ende finden …!
*
Willenlos hatte Joel Harrison alles über sich ergehen lassen, die hastige Flucht aus dem Zimmer des »Pewell-Hotels«, die Fahrt im Wagen und schließlich das Hineinschaffen in dieses billige Holzhaus in der Nähe der riesigen Schlachthäuser.
Jetzt lag er auf einem einfachen Bett, nur noch ein körperliches Wrack, ausgemergelt, unrasiert und hohlwangig. Die braunen Augen glänzten fiebrig. Das verschmutzte Hemd über der behaarten Brust war weit geöffnet.
Joel Harrison, knapp fünfzig Jahre alt, mittelgroß und schlank, starrte hinauf zur Zimmerdecke. Nichts an, ihm erinnerte an den Joel Harrison, der noch vor knapp einem halben Jahr der unumschränkte Herrscher und Gebieter einer sehr reichen Familie war. Dem Alkohol restlos verfallen, gierte er nur noch nach einem Schluck Whisky, um seine elende körperliche Verfassung einigermaßen und höchstens für eine Stunde zu überspielen.
Er befand sich in einer Art Dämmerschlaf, dennoch lauschte er auf die Geräusche in diesem einfachen Haus, das am Rand einer neu erbauten Siedlung stand.
Seit dem letzten Schluck im »Pewell-Hotel« war für ihn bereits eine halbe Ewigkeit verstrichen. Nun wartete er auf die Rückkehr seines Freundes Chris Downers. Richtiger ausgedrückt, er wartete auf die Whiskyflasche, die Downers ihm holen wollte.
Harrison fühlte sich scheußlich.
Trocken war sein Mund. Die rissigen Lippen schmerzten. In seinem Schädel aber tobte die Hölle. Irrsinnige Kopfschmerzen quälten ihn. Er wußte, daß schon ein Wasserglas voll Whisky ausreichte, um diese Schmerzen verschwinden zu lassen.
Als irgendwo unten im Haus eine Tür ging, richtete er sich sofort auf. Er hielt sich den schmerzenden Kopf, schwenkte die Beine über die Bettkante und wartete. Qualvoll lange dauerte es, bis sich endlich die Tür öffnete.
Chris Downers trat ein.
Er war klein und schmal, glich gerade wegen seiner dunklen, unsteten Augen einem Wiesel. Downers trug einen dunkelgrauen, korrekten Anzug. Unter dem Arm hielt er eine Whiskyflasche.
»Mann, endlich …!« stöhnte Harrison.
Er ließ die Augen nicht von der Flasche. Er übersah das Grinsen seines Freundes, wartete, bis das Wasserglas gefüllt war. Ihm fiel auch nicht auf, daß die Flasche bereits vorher geöffnet worden war.
Mit zitternden Händen griff er nach dem Glas. Er brauchte auch beide Hände, um das Glas zum Mund führen zu können. Den scharfen, billigen Whisky trank er in sich hinein wie gewöhnliches Leitungswasser.
Er schüttelte sich wie im Fieber, als das Glas geleert war. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Zittern in seinen Händen verschwand. Seine Augen verloren jede Nervosität. Tief holte er Luft und stand auf.
»Helen wird gleich kommen«, sagte Downers.
»Sehr gut …! Ich langweile mich scheußlich, Chris. Werden wir nun endlich mal bleiben?«
»Jetzt brauchen wir nicht mehr abzuhauen. Hier findet dich kein Mensch.«
»Ich hab’s nämlich satt, immer wieder verschwinden zu müssen.«
»Wir haben alle Schnüffler abgeschüttelt«, meinte Downers. »Jetzt sind wir sicher.«
»Laß die Flasche da auf dem Nachttisch stehen«, bat Harrison mit heiserer Stimme.
»Bevor du wieder trinkst, solltest du dich etwas herrichten«, schlug Downers vor. »Helen ist zwar nicht sehr empfindlich, aber ’ne Frau sollte man trotzdem einigermaßen fit begrüßen.«
»Über solche Kleinigkeiten ist Helen längst weg«, antwortete Harrison. Er griff nach der Flasche und füllte sich noch mal das Wasserglas. Erstaunt sah er hoch, als Downers ihm die Flasche blitzschnell wegzog.
»Joel«, meinte er hastig, »du mußt dich etwas einschränken. Der Zaster wird knapp. Ich brauche mal wieder ’ne kräftige Geldspritze.«
»Schon wieder Geld?« wunderte sich Harrison, ohne sich aber zu entrüsten, »vor ein paar Tagen hab’ ich dir doch erst ’nen Scheck über 1000 Dollar gegeben.«
»Na und? Was ist das schon …! Das Leben ist teuer. Denk’ doch mal daran, was es kostet, gewisse Leutchen zu schmieren. Aber von mir aus …! Behalt’ das Geld und laß dich lieber einsperren. Ich hab’s ohnehin satt, mich herumhetzen zu lassen. Ein Fischzug nach dem anderen geht mir an der Nase vorbei. Was hätte ich inzwischen alles verdienen können …!«
»Schon gut, Chris, schon gut …!« beschwichtigte Harrison seinen Begleiter. »Ich werde dir einen neuen Scheck ausstellen. Ich fühl’ mich nur hundeelend. Ich brauche noch einen ordentlichen Schluck.«
Als er sich das Glas füllte, klingelte es an der Tür.
Harrison unterbrach die Füllung des Glases. Schnell hob er den Kopf, sah Downers an.
»Keine Sorge, das muß Helen sein«, meinte Downers, »ich geh’ mal nach unten. Warte einen Moment.«
Harrison beruhigte sich sehr schnell. Er trank das Glas in großen Schlucken leer. Downers verließ das Zimmer und ging nach unten.
Als er die Tür öffnete, schlüpfte eine Frau schnell und geschmeidig ins Haus.
Sie war mittelgroß, vollschlank und hatte blondes Haar. Sie mochte höchstens 30 Jahre alt sein, was ihre recht gute Figur anbetraf. Ihr Gesicht jedoch wirkte älter. Selbst das sorgfältige Make-up schaffte es nicht, die bereits tief eingegrabenen Fältchen zu verdecken.
Helen Napers sah trotz allem aufreizend aus. Sie besaß eine gefährliche Ausstrahlung von Sex, Verkommenheit und Berechnung. Sie trug unter dem geöffneten Sommermantel ein tief ausgeschnittenes Kleid. Ihr Parfüm roch billig.
»Alles in Ordnung?« fragte Downers sie.
»Klar, alles in bester Ordnung. Wie sieht’s denn oben aus? Was ist mit diesem Saufaus los?«
»Er läßt sich gerade vollaufen.«
»Wunderbar. Dann werde ich wenig Arbeit mit ihm haben.«
»Er ist schon in der richtigen Stimmung, Helen«, erklärte Downers und lächelte. »Ich glaube, du brauchst nicht lange um den heißen Brei herumzuschleichen. Komm’ sofort zur Sache. Für mich wird er auch ’nen Scheck ausstellen.«
»Also schön, werde ich diesem widerlichen Kerl mal wieder um den Bart gehen. Sag’, Chris, wird das lange gutgehen?«
»Wie kommst du darauf? Hast du Angst?«
»Na ja, immerhin spürten sie uns auf.«
»Aber sie erwischten uns nicht.