Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek. Christopher Ross

Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek - Christopher Ross


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in Ordnung, Ranger«, versprach Chris.

      »Und jetzt kommen Sie! Noch so eine Unterbrechung, und wir müssen unsere Zelte auf einem Hügel aufbauen, kein Vergnügen, das kann ich Ihnen versichern.« Sie wandte sich an die anderen. »Alles okay, es geht weiter!«

      Der Unfall schien die Clarke-Brüder zur Vernunft gebracht zu haben. Sie stapften wesentlich zurückhaltender als bisher durch den Schnee, redeten nur, wenn sie wirklich etwas zu sagen hatten, und verkniffen sich eine spöttische Bemerkung, als Scott Jacobsen stolperte und zu Boden fiel. Mike Linaker zog ihn vom Boden hoch und munterte ihn mit einem freundschaftlichen Klaps auf. »Das passiert sogar erfahrenen Profis«, sagte er. »Was meinen Sie, wie oft meine Frau und ich schon im Schnee lagen? Schneeschuhe sind tückisch.«

      Julie stellte sich geschickt an. Sie war öfter auf Schneeschuhen unterwegs, hatte sogar schon meilenlange Trails damit geebnet und wusste genau, wie man sich anstellen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Selbst erfahrene Wintersportler wie die beiden Snowboarder unterschätzten oft, wie anstrengend das Wandern auf Schneeschuhen war und wie schnell man dabei ins Schwitzen kam. Julie hatte es mal auf historischen Schneeschuhen versucht und war schon nach einer halben Meile außer Puste gewesen, die modernen Schneeschuhe waren aus wesentlich leichterem Material und kleiner.

      Der Horizont verdunkelte sich bereits, als die Wanderer das Ende der Hügelkette erreichten und auf den jetzt wieder sichtbaren Pfad stiegen, der in zahlreichen Serpentinen ins Tal hinabführte. Der böige Wind, der von den Bergen herabwehte, hatte den lockeren Neuschnee vom Trail geweht, machte das Vorwärtskommen aber nicht leichter, weil jetzt an manchen Stellen das blanke Eis hervorschaute und die Gefahr eines Sturzes noch größer war.

      »Einer hinter dem anderen«, erinnerte Carol die Wanderer, »und passen Sie auf, dass Sie nicht auf die Schneeschuhe Ihres Vordermannes treten. Lassen Sie sich Zeit, wir kommen früh genug im Tal an. Da unten gibt’s eine gemütliche Hütte, die wir Ranger auf Patrouillenfahrten als Außencamp benutzen. Dort werden wir übernachten … auf Matratzen neben einem warmen Ofen!«

      Auch auf dem gewundenen Pfad ging Carol voraus. Als dienstälteste Rangerin hatte sie die Verantwortung für die Wandergruppe, und jede andere Entscheidung hätte sie in Schwierigkeiten bringen können. Julie bewunderte, wie sicher sie sich auf ihren Schneeschuhen bewegte, als wäre sie auf einem asphaltierten Weg und hätte Turnschuhe an, und wie sie ihr Tempo dem unsichersten Mitglied der Gruppe anpasste. Doch selbst Scott Jacobsen war während der letzten Stunden sicherer geworden und hielt sie kaum noch auf.

      Inzwischen war es dunkel, und die einzige Helligkeit kam vom Mond und den Sternen, die sich zwischen den aufziehenden Wolken zeigten. Das Nordlicht meldete sich nur schüchtern, flackerte in grünen und weißen Mustern über den Himmel und spiegelte sich auf dem Schnee. Um besser sehen zu können, hatten Julie und Carol ihre Stirnlampen aufgesetzt und eingeschaltet, eine reine Sicherheitsmaßnahme bei dem reflektierenden Schnee, der selbst weit unten in der dunklen Schlucht den Weg wies. Julie stellte ihre Lampe so ein, dass der Lichtkegel zwischen die Beine der anderen fiel und jedem half.

      Während des Abstiegs verschlechterte sich das Wetter zusehends. Oben fielen nur vereinzelte Schneeflocken vom Himmel herab, auf halber Höhe hatte sich bereits ein leichtes Schneetreiben gebildet, und Julie war kurz davor, ihre Schutzbrille aus der Anoraktasche zu ziehen. Gerade als sie danach greifen wollte, rutschte Chris vor ihr aus und stürzte zu Boden. Sein Schwung war so groß, dass er vielleicht sogar über die Böschung geschlittert wäre und sich der Unfall von vorhin wiederholt hätte, aber Julie reagierte blitzschnell und bekam ihn mit einer Hand am rechten Arm zu fassen. Sie hielt ihn rechtzeitig fest und verhinderte Schlimmeres. Er stemmte sich vom Boden hoch, atmete erleichtert auf, als er feststellte, dass er sich nicht ernsthaft verletzt hatte, und grinste unsicher. »Verflucht glatt hier«, sagte er verlegen. Es klang wie eine Entschuldigung. »Ich wär beinahe wieder auf Tauchstation gegangen.«

      Sie liefen jetzt noch vorsichtiger, konnten von Glück sagen, dass neuer Schnee fiel und den Trail etwas griffiger machte. Einmal rutschte Jacobsen aus und hielt sich im letzten Augenblick an Ruth fest, ein anderes Mal verlor Ruth das Gleichgewicht, und Jacobsen fing sie auf. Jetzt erkannte Julie auch, warum »Nur für geübte Wanderer!« auf der Einladung zum Ausflug gestanden hatte. Streng genommen, hätten Kati und Jacobsen gar nicht mitkommen dürfen. Für Anfänger gab es eine leichtere Tageswanderung am Savage River.

      Dennoch war auch Julie froh, als sie den Grund des Tales erreicht hatten und endlich keine Steigung mehr vor ihnen lag. Dafür häuften sich Schneeverwehungen, die sie stellenweise zu weiten Umwegen zwangen. Im Tiefschnee war es auch auf Schneeschuhen anstrengend, größere Entfernungen zurückzulegen, und bis zu der Blockhütte waren es noch zwei Stunden. »Dafür geht es immer geradeaus«, tröstete Carol die Wanderer. »Und wenn wir dicht an der Felswand bleiben, kommen wir auch einigermaßen vorwärts.«

      Wie die Teilnehmer, die sich zum ersten Mal in dem lang gestreckten Tal aufhielten, war auch Julie begeistert von der urwüchsigen Natur dieser abgelegenen Schlucht. Wie eine Landschaft aus »Star Wars« oder »Star Trek« öffnete sich die Schlucht vor ihnen, verlassen und wild, bis auf ein paar verkrüppelte Fichten unbewachsen, in ihrer Einsamkeit aber verlockend und irgendwie romantisch. Ein abgelegener Ort, an dem man alle Sorgen und Probleme vergessen konnte und der Schöpfung so nahe wie nirgendwo sonst war. Jeder Schritt, jedes noch so leise Murmeln, zog ein sanftes Echo nach, und es war manchmal so still, dass man das Fallen des Schnees zu hören glaubte.

      Im Schatten der Felswand legten sie eine kurze Rast ein, vor allem wegen Jacobsen, der von dem anstrengenden Marsch sichtlich erschöpft war und dankbar nickte, als Carol die Pause vorschlug. Niemand protestierte dagegen, nicht mal die Clarke-Brüder, und auch Ruth war wohl schon zu lange aus dem Training, um einen solchen Marsch locker wegstecken zu können. »Wir wollen schließlich keine Rekorde brechen, sondern uns an der Schönheit der Natur freuen«, sagte Carol. Wie aus Angst, die Natur könnte jeden Laut in dieser Abgeschiedenheit als Störung auffassen, sprach sie sehr leise. »Essen Sie ein wenig Schokolade oder einen Kraftriegel. Nachher in der Hütte gönnen wir uns was Warmes.«

      Julie knipste ihre Stirnlampe aus, auch um die Batterie zu schonen, und stellte ihren Backpack in den Schnee. Sie streckte und reckte sich und rieb mit der flachen Hand über ihre schmerzenden Schultern. Mit einem Kraftriegel in der Hand ging sie zu Carol. Ihr war die verkniffene Miene der Rangerin aufgefallen, als würde ihr etwas nicht in den Kram passen. »Was ist?«, fragte Julie so leise, dass es die anderen nicht hörten. »Wird das Wetter schlechter?«

      »Das auch«, antwortete Carol. »Hier sind wir in einem Funkloch, aber sobald wir in der Hütte sind, rufe ich in der Zentrale an und lasse mir den neuesten Bericht geben. Zur Not müssen wir ein paar Stunden in der Hütte aushalten. Aber das ist es nicht …« Sie druckste ein wenig herum und überlegte wohl, ob sie Julie einweihen sollte, dann fuhr sie noch leiser fort: »Ich hab Magenschmerzen. Ziemlich heftige sogar. Wahrscheinlich hab ich gestern Abend was Falsches gegessen. Ich hab mir ein Thunfisch-Sandwich mit reichlich Mayonnaise und Zwiebeln gegönnt, das hätte ich wohl sein lassen sollen. Manchmal brauche ich so was. Je mehr Mayonnaise, desto lieber.«

      »Hast du keine Tabletten dabei?«

      »Schon genommen. Ich hoffe, sie helfen.«

      »Und wenn nicht?«

      »Keine Angst, so schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Ich kann ja schlecht den Helikopter kommen lassen. Dann könnte ich auch gleich kündigen. Eine Rangerin, die ständig predigt, während einer Wanderung keine schwere Kost zu sich zu nehmen, macht sich doch lächerlich, wenn sie am Abend vor der Wanderung ein fettes Sandwich in sich hineinstopft. Nein, ich halte durch! So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Aber du könntest mir einiges abnehmen … auf den letzten Meilen bis zur Hütte vorausgehen, das Essen kochen …«

      »Kein Problem«, versprach Julie. »Endlich kriege ich was zu tun.«

      Zehn Minuten später rief sie zum Weitermarsch. Sie wartete geduldig, bis alle ihre Backpacks auf den Rücken geschnallt hatten, und übernahm die Führung. »Sieh an«, verfiel Gary schon wieder in alte Verhaltensmuster, »jetzt darf Julie auch mal vorausgehen. Hoffentlich leistet sie sich keinen Fehltritt.«


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