Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 5 – Familienroman. Michaela Dornberg
Inhalt
Der Stalker!
Das war der einzige Gedanke, der Roberta beherrschte. Sie dachte nicht darüber nach, dass es gefährlich werden könnte, dass er aus Angst vor Entlarvung übergriffig werden könnte.
Es musste ein Ende haben!
Nur daran dachte sie, und deswegen stürzte sie sich auf ihn, krallte sich an seiner Jacke fest und stieß hervor: »Endlich habe ich dich.«
Es war ein Mann, der schüttelte sie ab und drehte sich um. Und jetzt musste Roberta sich erst einmal von ihrer Überraschung erholen. Sie hätte mit allem gerechnet, damit wirklich nicht. An ihn hätte sie in ihren kühnsten Träumen nicht gedacht. Dieses Kapitel war doch längst schon abgeschlossen.
Der Stalker war … Dr. Max Steinfeld, ihr Ex-Ehemann!
Sie starrten sich an.
Max war anzusehen, dass es ihm überhaupt nicht recht war, erwischt worden zu sein. Für ihn hätte das Spiel weitergehen können.
Roberta brauchte eine Weile, ehe sie etwas sagen konnte.
»Max, was soll das? Warum tust du das? Du hast doch alles bekommen, was du wolltest, sogar noch mehr als dir zustand, weil ich dieses unwürdige Spiel, diesen Rosenkrieg einfach beenden wollte.«
Er sah schlimm aus, ein wenig heruntergekommen, längst nicht mehr so selbstherrlich, so arrogant, wie er immer als Halbgott in Weiß aufgetreten war.
»Es ist alles deine Schuld«, stieß er hervor. »Du hast alles kaputt gemacht.«
Nun verstand Roberta überhaupt nichts mehr.
»Max, hast du eine Amnesie? Du warst es, der mich permanent betrogen hat. Du warst hinter den Sprechstundenhilfen her, hinter allen Frauen, die bei drei nicht auf den Bäumen waren, du hast selbst vor Patientinnen nicht Halt gemacht. Soll ich noch mehr aufzählen, oder reicht das? Wenn jemand alles kaputt gemacht hat, dann du. Aber darüber müssen wir jetzt nicht mehr reden, das ist Vergangenheit. Max, warum hast du mich gestalkt? Was hast du damit bezweckt? Und vor allem, warum rote Rosen?«
Er war sauer, weil sie ihn erwischt hatte, das konnte er nicht verbergen.
»Können wir ins Haus gehen?«, schlug er vor.
Roberta schüttelte den Kopf.
»Nein, Max Steinfeld, mein Haus betrittst du nicht mehr.«
»Dein Haus?«
Das klang so hasserfüllt, dass Roberta sich ärgerte, es gesagt zu haben. Es ging ihn schließlich nichts an. Jetzt machte sie sich sogar schon deswegen Gedanken. »Ja, mein Haus«, sagte sie beinahe trotzig. »Ehe du auf komische Gedanken kommst, Max, das habe ich gekauft, als wir längst schon geschieden waren. Du kannst keine Forderungen geltend machen.«
Sein Gesicht war wutverzerrt. Er sagte nicht direkt etwas, aber man sah ihm an, wie es in ihm arbeitete. »Dein Haus, deine Praxis, dein Liebhaber, alles dein, dein, dein.«
Am liebsten hätte sie ihn jetzt stehen lassen, aber es musste zu einem Abschluss gebracht werden. Sie musste ihm erklären, dass er es nicht wagen sollte, sich ihr noch einmal zu nähern. Er war neidisch, er wusste von Lars. Er hatte sie also schon länger beobachtet.
»Max, gönnst du mir mein Leben nicht? Wir haben gemeinsam studiert, wir haben gemeinsam in der Praxis gearbeitet, die ich in erster Linie aufgebaut habe, in die ich Geld gesteckt habe. Und diese florierende Praxis habe ich dir überlassen, nur um einen Schlussstrich ziehen zu können. Und was hast du getan? Du hast alles gegen die Wand gefahren. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn du endlich angefangen hättest, wie alle anderen Menschen es auch tun, zu arbeiten. Wenn man eine so große Praxis führt, mit vielen Angestellten, mit einem großen Patientenkreis, da reicht es nicht, im weißen Kittel herumzustolzieren, ein wenig Small Talk zu machen. Da muss man in erster Linie arbeiten. Danach kommt das Privatleben.«
»Hör auf, mich belehren zu wollen«, begehrte er auf. »Dir ist halt immer alles in den Schoß gefallen, und wenn du …« Es reichte!
Roberta unterbrach ihn.
»Max, ich habe mir alles hart erarbeitet. Aber jetzt möchte ich nicht mehr darüber diskutieren, das wird eine endlose Geschichte, und du wirst dann immer noch uneinsichtig sein. Max, ich hätte allen Grund dazu, doch ich werde dich nicht anzeigen. Sollte mir noch einmal so etwas widerfahren, werde ich der Polizei sagen, dass ich dich in Verdacht habe, und dann rolle ich die ganze Geschichte auf. Eines möchte ich nur noch wissen, ehe ich gehe und dann niemals mehr etwas mit dir zu tun haben will. Warum die roten Rosen? Warum mein Lieblingsparfüm?«
»Weil das Stalker tun, die exzessiv in ihren Handlungen sind, die unberechenbar sind. Ich wollte dich in Angst versetzen. So einfach ist das. Du hast alles, ich habe nichts.«
Sie blickte ihren Exmann entsetzt an, fassungslos, weil sie nicht begreifen konnte, dass sie ihn einmal geheiratet hatte.
Und eines wurde ihr jetzt klar.
»Max, du bist neidisch!«
Das war ein schwerer Vorwurf, doch er stritt es nicht etwa ab, er gab es zu.
»Ja, ich bin neidisch, und ich bin wütend, weil ich der Scheidung zugestimmt habe. Ich habe alles verloren, und für dich wäre es auch besser, Chefin einer großen Großstadtpraxis zu sein, als hier in der Pampa weit unter deinen Fähigkeiten herumzuhampeln.«
»Max, ich bin glücklich, und um mich musst du dir keine Sorgen machen. Mach für dein verkorkstes Leben keine anderen verantwortlich.«
»Roberta, wir waren ein großartiges Team.«
Es war nicht zu fassen, wie er sich sein Weltbild zurechtdrehte.
»Max, wir waren kein Team, ich habe gearbeitet und dich mit durchgezogen, und dann habe ich dir bei der Scheidung mehr überlassen, als dir zustand. Ich mag nicht mehr reden. Du hast dein Leben, ich habe meines. Und ich möchte jetzt zu dem Mann gehen, den ich liebe, und den ich heiraten und mit dem ich Kinder bekommen werde.«
So, das hatte gesessen, und auch wenn es leider nicht stimmte, bereute Roberta keines ihrer Worte.
Er schnappte nach Luft, und sie ergriff die Gelegenheit, ihm zu sagen: »Max, was du getan hast, das war nicht nur unter deiner Würde, es war dreist. Denke dir nicht noch etwas anderes aus, dann kommst du so glimpflich nicht mehr davon.
Dann zeige ich dich an, das schwöre ich dir. Und, ach, ehe du gehst, nimm die rote Rose von meiner Windschutzscheibe weg. Vielleicht kannst du sie ja noch anderweitig verwenden.«
»Roberta, ich …«
Sie drehte sich noch einmal um.
»Max, Schluss jetzt, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Zerstöre jetzt nicht noch das letzte bisschen schöner Erinnerung, die ich an die Zeit mit dir habe. Es ist nicht mehr viel, und ich möchte mich nicht dafür hassen, dich geheiratet zu haben. Adieu, Max …, und vergiss die Rose nicht.«
Dann ging sie endgültig und spürte unangenehm seine Blicke in ihrem Rücken. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre sie jetzt vermutlich eine Leiche.
In seiner Gegenwart hatte