Dr. Daniel Classic 44 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Classic 44 – Arztroman - Marie Francoise


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glaube ich schon lange nicht mehr. Außerdem… denken Sie, es wäre für das Kind ein Glück wenn es von der Mutter abgeschoben und zu einem für sie völlig fremden Mann kommen würde?«

      »Ich weiß nicht, Frau Schuster – ist für ein Kind nicht alles besser als diese Lieblosigkeit, in der Anna-Lena bis jetzt aufwachsen mußte?«

      *

      »Eine Ruhe ist das«, seufzte Beate Zander genüßlich. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, daß die Haushälterin vom Pfarrer Anna-Lena noch eine Nacht bei sich behalten hat. Wenn wir die Göre nur öfter abschieben könnten.«

      Ihr Mann nickte zustimmend. »Anna-Lena ist wirklich lästig.« Er nahm Beate in die Arme und küßte sie. »Ich wollte eigentlich nur heiraten und nicht gleich Vater einer Sechsjährigen werden.«

      Beate lachte gurrend über diesen Scherz. »Wer sagt denn, daß du ihr Vater bist? Soweit ich es überblicken kann, bist du nur mein Mann, und Anna-Lena wird nicht ewig bei uns sein.«

      Günther seufzte tief auf. »Das versprichst du mir schon seit einem Jahr. Wann wird dein Ex-Freund nun endlich seine Vaterpflichten übernehmen?«

      »Ich weiß es nicht«, gab Beate zu. »In letzter Zeit hat er sich überhaupt nicht mehr gemeldet.« Sie zögerte. »Wenn ich ehrlich bin, muß ich zugeben, daß ich momentan keine Ahnung habe, wo er sich überhaupt aufhält.«

      »Das heißt, daß wir die kleine Nervensäge noch für unbestimmte Zeit auf dem Hals haben«, stöhnte Günther. »Wahrscheinlich sogar für immer.« Er schwieg kurz. »Sie lügt übrigens wie gedruckt.«

      »Ich weiß«, entgegnete Beate lakonisch, dann lächelte sie boshaft. »Allerdings nicht zu unserem Nachteil. Überall erzählt sie herum, wie lieb wir sie hätten und was wir ihr alles kaufen würden.« Sie winkte ab. »Laß ihr den Spaß.« Dann schmiegte sie sich an Günther. »Wir sollten jetzt nicht über Anna-Lena sprechen. Laß uns lieber froh sein, daß wir sie für heute los sind.«

      »Du hast recht«, meinte Günther, dann küßte er seine junge Frau, doch allzu lange hatten die beiden nicht mehr Gelegenheit, sich miteinander zu beschäftigen, denn in diesem Moment klingelte das Telefon.

      »Laß doch«, murmelte Günther, als Beate sich melden wollte.

      »Vielleicht ist es wichtig«, wandte sie ein, dann hob sie den Hörer ab. »Zander!« Unüberhörbarer Stolz schwang in ihrer Stimme mit, als sie den neuen Namen nannte.

      »Hier ist Gerdi Schuster«, gab sich die Haushälterin des Pfarrers zu erkennen. »Es tut mir leid, wenn ich Sie stören muß, aber Anna-Lena hat ganz plötzlich hohes Fieber bekommen.«

      »Na und?« entgegnete Beate ungehalten. »Ist das etwa ein Grund, mich um diese Zeit noch anzurufen? Hören Sie, Gerdi, Kinder haben schnell mal irgend etwas. Vielleicht hat sie sich eben erkältet.«

      »Ich weiß nicht«, meinte Gerdi gedehnt. »Anna-Lena klagt über Kopf- und Halsschmerzen.« Sie zögerte. »Und sie möchte nach Hause.«

      »Kommt überhaupt nicht in Frage!« wehrte Beate entschieden ab. »Mein Mann und ich haben Karten für die Oper, und ich denke gar nicht daran…«

      »Beate, Ihr Kind ist krank«, fiel Gerdi ihr ins Wort. »Glauben Sie nicht, daß Anna-Lena wichtiger ist als die Oper? Abgesehen davon, daß es jetzt schon nach acht Uhr abends ist.«

      »Das geht Sie ja wohl kaum etwas an!« brauste Beate auf, weil sie gerade bei einer offensichtlichen Lüge ertappt worden war. »Außerdem – was soll ich tun? Wenn Anna-Lena Fieber hat, dann braucht sie einen Arzt.«

      Gerdi begriff einfach nicht, wie Beate so eiskalt sein konnte, wenn es um ihr Kind ging.

      »An einem Sonntag und noch dazu um diese Zeit werde ich Dr. Leitner sicher nicht mehr erreichen«, wandte sie ein. »Beate…«

      »Meine Güte, Sie machen wirklich aus einer Mücke einen Elefanten!« hielt Beate ihr vor. »Ich bin sicher, daß Anna-Lena morgen wieder kerngesund sein wird. Aber wenn Sie sich Sorgen machen, dann steht es Ihnen ja frei, in der Waldsee-Klinik anzurufen. Da ist nämlich auch am Sonntag um diese Zeit mit Sicherheit jemand anwesend. Mich lassen Sie damit aber gefälligst in Ruhe. Und richten Sie Anna-Lena aus, daß sie sich nicht so anstellen soll. Wegen ein bißchen Fieber muß sie nicht gleich nach Hause kommen. Sie wird hier bestimmt auch nicht schneller gesund als bei Ihnen.«

      Damit legte Beate einfach auf.

      »Unerhört!« schimpfte sie vor sich hin, dann wandte sie sich Günther zu. »Die wollte mir um diese Zeit doch tatsächlich Anna-Lena aufhalsen, nur weil sie ein bißchen erkältet ist und Fieber hat.«

      Günther seufzte tief auf. »Dieses Kind geht mir allmählich auf die Nerven. Kannst du es nicht zur Adoption freigeben? Je eher wir den Fratz los sind, um so besser.«

      Beate ließ sich auf das Sofa fallen. »Das hätte ich gleich nach der Geburt tun sollen, aber da hat meine Mutter noch gelebt, und sie hätte es mir niemals verziehen, wenn ich das Kind weggegeben hätte. Außerdem ging das damals alles so schön. Anna-Lena war praktisch ständig bei der Oma, und ich konnte mein eigenes Leben genießen.«

      »Jetzt ist deine Mutter aber tot«, wandte Günther ein. »Und du mühst dich seit über zwei Jahren mit einem Kind ab, daß du

      vermutlich gar nicht haben wolltest.«

      »Du hast recht«, stimmte Beate zu. »Aber ich fürchte, es wird nicht ganz einfach sein, Anna-Lena loszuwerden. Wer adoptiert schon eine Sechsjährige? Die wollen ja alle nur Babys haben. Außerdem müssen wir an unseren Ruf denken – vor allem deinetwegen. Immerhin wirst du irgendwann Chef einer großen Firma sein, und dann könnte dir unnötiges Getratsche nur schaden.«

      »Irgendeine Lösung werden wir schon finden.« Er nahm Beate heftig in die Arme. »Und dann, mein Schatz, beginnt unser Leben erst wirklich.«

      *

      »Sie hat einfach aufgelegt«, erklärte Gerdi Schuster an Pfarrer Wenninger gewandt, dann erzählte sie ihm, was Beate gesagt hatte.

      »Was soll ich denn jetzt tun, Hochwürden?« fügte sie ratlos hinzu. »Dr. Leitner ist noch neu hier, da möchte ich ihn ungern an einem Sonntagabend privat stören.« Sie warf dem Kind, das mit hochroten Wangen und feuchtgeschwitzten Haaren auf dem Sofa lag, einen besorgten Blick zu. »Vielleicht ist es ja wirklich nur eine harmlose Erkältung.«

      »Nein, Gerdi, so einfach können wir es uns nicht machen«, entgegnete Pfarrer Wenninger entschieden. »Ich werde Dr. Daniel anrufen. Er ist zwar kein Kinderarzt, aber er kennt Anna-Lena seit ihrer Geburt und wird sicher rasch herüberkommen, um sie sich anzusehen.«

      Das tat er dann auch. Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis Dr. Daniel im Pfarrhaus eintraf.

      »Haben Sie die Temperatur gemessen?« wollte er von Gerdi Schuster wissen.

      Die Haushälterin nickte. »Vor einer Stunde etwa. Da lag sie bei neununddreißig Grad, aber inzwischen scheint das Fieber noch gestiegen zu sein.«

      Dr. Daniel fuhr sich mit einer Hand durch das dichte blonde Haar.

      »Im Augenblick grassiert in Steinhausen ja wirklich eine schwere Erkältungswelle mit hohem Fieber«, meinte er. »Aber ich bin Gynäkologe und kann nicht mit letzter Sicherheit beurteilen, ob sich Anna-Lena nicht vielleicht doch etwas anderes eingefangen hat. Gerade mit Kinderkrankheiten bin ich nicht mehr ganz auf dem Laufenden.«

      »Sollen wir sie vielleicht doch in die Waldsee-Klinik bringen?« fragte Pfarrer Wenninger.

      Dr. Daniel kam zu keiner Antwort mehr, denn jetzt öffnete Anna-Lena die Augen.

      »Ich will zu meiner Mutti«, flüsterte sie.

      Liebevoll streichelte Dr. Daniel durch ihr feuchtes Haar. Von Gerdi wußte er bereits, daß Beate nicht bereit war, ihr krankes Kind nach Hause zu holen.

      »Deine Mutti ist nicht daheim, Kleines«, erklärte er, um dem Kind unnötigen Schmerz zu ersparen. »Tut dir etwas weh,


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