Der neue Sonnenwinkel 78 – Familienroman. Michaela Dornberg
das hörte sich jetzt gefährlich an.
Sie hatten sich mittlerweile gesetzt.
»Heinz, es ist bestimmt schön, nichts aufarbeiten zu müssen.«
Er winkte ab.
»Rosmarie, das ist es nicht allein. In gewisser Weise gebe ich dir ja sogar recht. Vor meinem Urlaub war Herr Hegenbach bei mir, du weißt schon, der Bildhauer, der den ›Seeblick‹ gekauft hat. Lennart Hegenbach hat ständig etwas zu beurkunden, und weil das mit dem ›Seeblick‹ so gut gelaufen ist, will er das nur noch in meinem Notariat machen.«
»Das ist doch großartig, Heinz«, rief Rosmarie.
Er nickte.
»Ja, das ist es, es springen einige Gebühren heraus. Aber Hegenbach wollte mit mir verhandeln, als ich ihn anrief, um ihn über meine Rückkehr zu informieren, darüber, dass wir jetzt die ersten Dinge in Anspruch nehmen können«, er machte eine kurze Pause, schnappte nach Luft, »weißt du, was er mir da gesagt hat?«
Rosmarie schüttelte den Kopf.
»Während meiner Abwesenheit habe er hervorragend mit Dr. Nils Tannhoff zusammengearbeitet, und dabei wolle er es jetzt und in Zukunft auch belassen. Gewiss sei das ja auch in meinem eigenen Interesse, einen so hervorragenden Mitarbeiter zu haben, auf den man sich verlassen könne und der einem einen Großteil an Arbeit abnimmt.«
Uff!
Rosmarie wusste nicht, was sie jetzt dazu sagen sollte. Heinz selbst war es gewesen, der Dr. Tannhoff als seinen Nachfolger aufgebaut hatte. Und das war auch ein nicht nur sympathischer, sondern ein sehr fähiger Mann, der voll und ganz hinter der Kanzlei stand. Eigentlich müsste Heinz sich jetzt freuen, zumal er ihr gesagt hatte, wie anspruchsvoll dieser Bildhauer war. Wenn er es nicht war, wenn für ihn stattdessen eine Welt zusamengebrochen war, gab es eigentlich nur eine einzige Erklärung für sein Verhalten. Heinz war in seinem Ego gekränkt! Bislang hatte er die erste Geige gespielt, war der Zampano gewesen, der alles in der Hand hatte. Und weil es so war, hatte er selbst Dr. Tannhoff in seinem Wirkungskreis beschränkt. Und der war jetzt aus seinem Schatten getreten und konnte endlich einmal beweisen, was in ihm steckte.
Rosmarie konnte ihm das jetzt nicht so sagen, doch sie konnte ihren Mann ganz dezent auf etwas hinweisen, »Heinz, hast du schon vergessen, was unsere Frau Doktor dir sehr ans Herz gelegt hat?Weniger zu arbeiten, mehr auf dich zu achten, mehr …«
Er unterbrach sie.
»Hör bitte auf, Rosmarie, du musst es nicht wiederholen, Frau Dr. Steinfeld war deutlich genug. Und ja, eigentlich ist es gut, dass Nils Tannhoff mir diesen schwierigen Mandanten nicht nur abgenommen hat, sondern sich auch noch richtig gut mit ihm versteht. Es ist nur verdammt schwer, plötzlich im eigenen Laden nicht mehr die Nummer Eins zu sein.«
Rosmarie konnte nicht anders, sie stand auf, ging zu ihm, umarmte ihn von hinten, presste ihren Kopf an seinen.
»Heinz, mein Schatz, für dein Notariat kannst du dir Leute nehmen, die du bezahlst. Da kannst du doch abtreten, schließlich hast du genug gearbeitet, und das Büro gehört dir noch immer, du wirst also immer das letzte Wort behalten …, privat ist es anders, Liebe, Gefühle, die kann man sich nicht kaufen. Ich liebe dich, und für mich wirst du immer die große Liebe sein.«
Er nickte.
»Danke, Rosmarie, zuerst einmal für deine lieben Worte und dann dafür, dass du mich wieder auf die Spur gebracht hast.« Jetzt erinnerte er sich, weswegen er eigentlich nach Hause gekommen war.
»Und was willst du mir erzählen, was du nicht am Telefon sagen wolltest?«
Eigentlich war das nicht der richtige Augenblick, in dem Heinz noch ziemlich frustriert war, aber wann war schon der richtige Augenblick? Sie hielt sich auch nicht lange mit der Vorrede auf, sondern sie sagte ihrem Mann rundheraus, dass Fabian da gewesen war, und dann platzte es einfach aus ihr heraus.
»Stella will mit den Kindern nach Deutschland zurückkommen«, sie fügte nicht das ›vielleicht‹ hinzu. Rosmarie war sich auf einmal sehr sicher, dass Stella ihr Vorhaben auch in die Tat umsetzen würde.
Heinz zeigte keine Reaktion.
War er noch so sehr mit seiner Kränkung beschäftigt, dass er überhaupt nicht mitbekommen hatte, welch wunderbare Neuigkeit sie ihm da verraten hatte?
»Heinz, Stella und die Kinder wollen wieder in Deutschland leben, sie kommen aus Australien zurück.«
Er zuckte die Achseln.
»Und für wie lange?«, erkundigte er sich.
Das war alles, was Heinz dazu einfiel? Manchmal konnte Rosmarie ihren Mann nicht begreifen.
»Mehr hast du dazu nicht zu sagen, Heinz? Freust du dich denn gar nicht?«
Tief in seinem Herzen war Dr. Heinz Rückert, der bekannte Notar, schon ein Gefühlsmensch, doch er zeigte es nur selten. Rosmarie hatte viele Jahre gebraucht, ehe sie dahintergekommen war.
»Ehrlich mal, Rosmarie, meine Freude hält sich in Grenzen. Taucht einfach ab, nachdem sie ihre Ehe wegen eines anderen Mannes zerstört hat, mit dem sie es auch nicht aushielt. Und nun will sie auftauchen, als sei nichts geschehen. Vermutlich hat sie die Erbschaft von Tante Finchen verbraten, und nun weiß sie nicht mehr, wie es weitergeht. Sie hat ja nichts gelernt, und sie kann zwar ganz gut Kuchen backen, was arbeiten heißt, weiß sie jedoch nicht. Jörg hat sie zu sehr verwöhnt.« Er blickte seine Frau erneut an. »Und deswegen hast du mich herbestellt? Das hättest du mir auch am Telefon sagen können. Andererseits war ich froh, das Büro unter einem Vorwand verlassen zu können.«
Das Büro war ihm wichtiger als seine Tochter, das konnte und wollte Rosmarie einfach nicht glauben. Sie wollte jetzt aber auch keinen Streit mit Heinz beginnen.
Sie schwiegen sich an, sie musste erst einmal mit ihrer Enttäuschung fertig werden. Ja, es war nicht gut gelaufen mit Stella, obwohl die früher mal die Einzige gewesen war, die sie besucht hatte, regelmäßig, sogar mit selbst gebackenem Kuchen. Wenn sie ehrlich war, dann musste sie allerdings zugeben, dass das keine Besuche gewesen waren, weil sie ihre Eltern sehen wollte, sondern Stella hatte sich nur irgendwie verpflichtet gefühlt. Das war schon ein erheblicher Unterschied. Mittlerweile war viel Zeit vergangen, mit Fabian lief es jetzt richtig gut. Er sprach nicht mehr über die Vergangenheit, in der sie und Heinz wirklich keine guten und liebevollen Eltern gewesen waren. Das war vorbei, und wenn sie sich bemühten, dann würden sie sich auch mit Stella aussöhnen können. Fabian war damals viel unerbittlicher gewesen, mit Stella war der Umgang einfacher. Zumindest war es früher so gewesen. Und sie hatte ein gutes Herz gehabt. Sie war die Person gewesen, die sich liebevoll um Tante Finchen gekümmert hatte, ohne zu ahnen, dass die nicht das arme Hascherl war, als das sie sich immer ausgab, sondern dass sie sehr viel Geld gebunkert hatte. Sie alle hatten es nicht geahnt, sondern waren sehr erstaunt gewesen, und Heinz und Rosmarie waren zunächst auch ziemlich sauer gewesen, dass Finchen Stella alles vermacht hatte. Auch diese Zeit war längst vorbei, an die Person, die hinter dem Geld her war wie der Teufel hinter der armen Seele, wollte sie nicht mehr erinnert werden. Sie hatte längst eingesehen, dass Stella es verdient hatte, das war auch die Meinung von Fabian, der bei Finchen leer ausgegangen war.
Es war Heinz, der wieder das Wort ergriff.
»Warten wir erst einmal ab. Wenn sie hier auftaucht und Geld braucht, das werden wir ihr natürlich geben. Wir können sie und die Kinder schließlich nicht im Regen stehen lassen. Und es ist gut, dass sie zunächst zu Fabian und Ricky geht, die verstehen sich beide gut mit Stella. Ist ja schon erstaunlich, dass Ricky das mitmacht, schließlich hat Stella ihren Bruder jämmerlich im Stich gelassen.«
»Heinz, von Ricky ist es sogar ausgegangen. Sie ist ein so wundervoller Mensch, nicht nachtragend, jederzeit hilfsbereit.«
Heinz Rückert war mit Komplimenten wirklich sehr wählerisch, doch jetzt machte er eines: »Das ist sie in der Tat, Fabian hatte ein großes Glück mit ihr an seiner Seite. Und wie sie den Haushalt schmeißt, mit den Kindern umgeht, das macht ihr so schnell niemand nach. Wir hatten wirklich ganz großes Glück mit ihr«, wiederholte er sich, und Rosmarie