Familie Dr. Norden Classic 42 – Arztroman. Patricia Vandenberg
»Du wirst es nicht glauben, aber sie war auch mal das Gspusi von meinem alten Herrn. Das sollte uns eigentlich verbinden. Mein Daddy war allerdings nicht so blöd, sie zu heiraten. Ich hätte das auch verhindert.«
»Ich habe das auch versucht, aber nun muß mein Vater es allein ausbaden. Meinetwegen kannst du es wissen, daß ich ihretwegen ausgezogen bin, aber das bedeutet nicht, daß ich alle Brücken zu meinem Vater abgebrochen habe.«
»Wir sind ja verständnisvolle Kinder«, meinte er verschmitzt, und in diesem Augenblick war er ihr richtig sympathisch. Aber sie dachte auch wieder an den Traum, und der brauchte sich ihrer Meinung nach nicht zu erfüllen.
»Feiern wir morgen nach der Premiere endlich mal gemeinsam?« fragte er.
»Wenn es was zum Feiern gibt. Und wenn es ein Flop wird?«
»Unsinn, wir spielen doch mit«, lachte er.
»Sei kein Frosch, Laura, komm mit zu Sammy.«
Er kann ja richtig nett sein, dachte sie. Sie wollte auch gern erfahren, wann sein Vater etwas mit Maren gehabt hatte, die sich ihre Liebhaber anscheinend immer unter den Unternehmern ausgesucht hatte.
Bobby sagte ihr auch bereitwillig, daß diese Affäre schon Jahre zurückläge.
»Da war sie noch knackiger«, meinte er. »Jetzt müßte sie doch schon auf die Vierzig zugehen.«
»Das laß sie ja nicht hören. Fünfunddreißig ist sie.«
»Wenn’s gewiß ist.« Er schob seine Hand unter ihren Arm. »Irgendwie hast du mir schon leid getan, als ich hörte, wen dein Vater da geheiratet hat.«
»Vergessen wir’s«, sagte Laura, »auf einen Drink also.«
Dabei blieb sie auch, da nützte alles Zureden von Bobby nichts.
»Aber morgen wird gefeiert«, sagte er noch einmal.
*
Laura hatte in dieser Nacht wieder wilde Träume und brauchte am Morgen viel Zeit, um die richtige Einstellung zu finden. Aber sie ließ sich niemals hängen. Positiv denken, war ihre Devise. Sie wollte auch möglichst früh ihrem Vater die Karte ins Büro bringen.
Den Nordens hatte sie schon zwei Karten geschickt, und Fee erinnerte ihren Mann an diesem Morgen an die Premiere.
Er dachte sofort an Lauras Traum und fragte Fee, ob sie auch daran gedacht hätte.
»Wir wollen hoffen, daß das nicht eintrifft«, meinte sie. »Du kommst doch mit?«
Eigentlich hatte er keine Neigung, ins Kino zu gehen. Das Sitzen fiel ihm schwer, die vielen Leute störten ihn, aber Laura wollte er doch einmal im Film sehen.
Es war etwas anderes, wenn man so ein Mädchen von Kindheit an kannte und sogar an ihren Träumen Anteil genommen hatte.
Fee hätte es sich auf keinen Fall nehmen lassen, aber mit ihrem Mann machte es ihr natürlich mehr Spaß. Die Kinder fanden es toll, daß ihre Eltern zu einer Premiere gingen.
Laura wurde in der Firma mit so viel Respekt begrüßt, daß sie lachen mußte.
Ihre Heiterkeit schwand, als sie ihren Vater sah, der blaß und übernächtigt an seinem Schreibtisch saß. Sein Blick belebte sich, als sie eintrat.
»Du hast mich nicht vergessen«, sagte er heiser.
»Fehlt dir etwas, Papa?« erkundigte sie sich besorgt.
»Ich möchte einmal wieder ruhig schlafen«, erwiderte er.
»Morgen spreche ich mit meinem Anwalt. Du hast ja so recht, Laura, ich muß vorsichtig sein. Ich glaube auch, daß sie etwas ausheckt.«
»Besinn dich auf deine alte Stärke, Papa. Wir sehen uns heute abend. Du kommst mit zur Premierenfeier, da kommst du auf andere Gedanken.«
»Ich will dir nicht die Stimmung verderben, Kleines.«
»Mach dir keine Gedanken um mich.«
Sie machte sich allerdings Gedanken um ihn und nahm sich vor, mit Dr. Norden über ihn zu sprechen. Vielleicht drückten ihn nicht nur Sorgen, er sah richtig krank aus.
Sie überlegte nicht lange und fuhr nach Holzkirchen zu Rosemarie Wilhelm, die dort ein Antiquitätengeschäft besaß.
Rosemarie war gerade dabei, einige Sachen aus dem Schaufenster zu nehmen. Überrascht und ungläubig sah sie Laura an.
»Was machst du denn hier?« fragte sie atemlos.
»Ich will dich besuchen, oder ist es dir nicht recht?«
»Natürlich ist es mir recht, aber ist nicht heute die Premiere von deinem Film?«
»Es ist nicht mein Film, Romi, ich spiele eine ganz kleine Rolle.«
»Aber in jeder Fernsehzeitung ist dein Foto.«
»Daß du dafür Zeit hast!«
»Für dich habe ich immer Zeit, Laura.«
»Warum hattest du für Papa keine? Was ist damals zwischen euch vorgefallen, daß er sich mit dieser Person eingelassen hat?«
Ein Schatten fiel über Rosemaries ausdrucksvolles Gesicht. »Ich entnehme dieser Bemerkung, daß du nicht mit ihr versöhnt bist.«
»Wie konntest du nur annehmen, daß ich je mit ihr einverstanden sein würde? Jetzt ist Papa psychisch am Ende, und ich habe mich aufgerafft, auch mal mit dir zu reden. Ich nehme es dir verdammt übel, daß du dich nie um mich gekümmert hast, du bist schließlich meine Patin.«
Rosemarie war blaß geworden. »Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, daß ich die Idylle störe«, erwiderte sie bebend. »Was ist mit Paul, worüber machst du dir Sorgen?«
»Ich bin ziemlich rigoros mit ihm umgesprungen und bin ausgezogen. Dadurch ist er aus sich herausgegangen und hat zugegeben, daß diese Ehe, die nur eine Farce war, am Ende ist. Aber warum hast du ihn nicht geheiratet, Romi? Ich weiß, daß er dich heiraten wollte.«
»Das verstehst du nicht, und eigentlich verstehe ich mich selber nicht mehr. Damals lebte meine Mutter noch. Du weißt nicht, wie schwierig sie war. Sie war immer gleich krank oder hysterisch, wenn ein Mann im Spiel war und sie sich abgeschoben fühlte. Ich konnte Paul das nicht zumuten, und außerdem tauge ich nicht zur Unternehmersgattin.«
»So ein Unsinn, du bist eine Lady und Maren das Gegenteil. Du hättest ihn vor diesem Fehltritt bewahren können. Er war bestimmt nur deprimiert über deine Abweisung und hat sich in eine Affäre eingelassen, die sie dann ausgenutzt hat.«
»Es war alles ein bißchen komplizierter, Laura. Leonie, deine Mutter, war meine beste Freundin. Als sie leider so früh starb, wollte ich doch niemals den Gedanken erwecken, daß ich mich an ihren Mann herangemacht hätte. Ich habe mich immer gut mit Paul verstanden, aber von Liebe war nicht die Rede. Ich hatte eine gewaltige Enttäuschung hinter mir. Nicht nur, daß mich Manfred Grosser praktisch vor dem Altar stehen ließ, es stellte sich auch noch heraus, daß er seine Bank als Filialleiter betrogen hatte. Es war eine Blamage ohnegleichen für mich, und das hätte man doch wieder ans Licht gezerrt, wenn es zwischen Paul und mir zu einer festen Beziehung gekommen wäre.«
»Meine Güte, was du alles denkst! So wichtig sind doch solche Sachen gar nicht. Schau, nicht mal Marens Lotterleben vor der Heirat wurde publiziert. Ich möchte nicht wissen, wie viele Affären sie hatte. Erst gestern habe ich erfahren, daß sie auch eine mit dem Vater eines Kollegen hatte. Du hast doch ein ganz anderes Format.«
Rosemarie blickte auf ihre verschlungenen Hände. »Wenn ich geahnt hätte, daß meine Mutter so bald sterben würde, vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Aber so habe ich mich lieber ganz zurückgezogen.«
»Hoffentlich hast du über deine Unterlassungssünden nachgedacht, damit wir wieder vernünftig miteinander verkehren können.«
»Kind, wie stellst du dir das denn vor? Meinst du etwa, daß Paul diese Frau