Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher

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(Artikel 29 in fine). Gemäss Artikel 20 LVA ist

      «[f]ür alle Fragen betreffend die Gültigkeit von Beschlüssen der Organe der Gemeinschaft, die diese auf Grund ihrer Zuständigkeiten nach diesem Abkommens treffen, [… ausschliesslich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften»

      zuständig. Das Luftverkehrsabkommen hat denn auch in der Schweizer Rechtsprechung Bundesgerichts nur eine marginale Rolle gespielt.

      5.Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EuGH

      (1)Freihandelsabkommen

      Das FHA sieht, wie gesagt, kein übergeordnetes Gericht vor. Private können aber an die Gerichte der Vertragsparteien, das Bundesgericht einerseits und den EuGH andererseits, gelangen. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EWG war es vielleicht kein Zufall, dass das Bundesgericht das erste Höchstgericht in der gesamten zwischen der EWG und den EFTA-Ländern geschaffenen Freihandelszone war, das sich mit der Frage des Status dieser Zone im innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien zu befassen hatte. Die Präambel des FHA verweist auf den Wunsch der Vertragsparteien, «unter Wahrung gerechter Wettbewerbsbedingungen eine harmonische Entwicklung ihres Handels zu gewährleisten, um zum Aufbau Europas beizutragen».

      Zwei Grundsatzurteile von 1978 und 1979 verneinten jede unmittelbare Wirkung der Vorschriften zum Wettbewerbsrecht und zum freien Warenverkehr. Die Präambel wurde nicht einmal erwähnt.

      Der erste Fall, Stanley Adams, betraf Artikel 23 (1) (ii) FHA, welcher

      «die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem gesamten Gebiet der Vertragsparteien oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen»

      für mit dem guten Funktionieren des Abkommens unvereinbar erklärt, soweit sie geeignet ist, den Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz zu beeinträchtigen. 1973 sandte Stanley Adams, ein britischer Manager bei Hoffmann-La Roche in Basel, ein Schreiben an die EG-Kommission mit Informationen, die es der Kommission ermöglichten, das Unternehmen wegen Verstosses gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu sanktionieren. Das Verbot war in Artikel 82 EWGV niedergelegt (jetzt Artikel 102 AEUV). Die Kommission schützte ihren Whistleblower freilich nicht; sein Name wurde dem Unternehmen bekanntgegeben. 1974 wurde Adams an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien von den Schweizer Behörden verhaftet und 1975 von den Basler Gerichten wegen Wirtschaftsspionage zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und fünf Jahren Landesverweisung verurteilt. Seine Ehefrau, die man ebenfalls in Haft genommen und offenbar streng verhört hatte, beging in ihrer Zelle Suizid.

      Die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts, der sog. Kassationshof, wies mit Urteil vom 3. Mai 1978 Adams‘ Argument zurück, dass die Wettbewerbsbestimmungen des FHA EWG-Schweiz die Anwendung des schweizerischen Strafrechts hinderten und stellte fest, diese Vorschriften könnten von einem Einzelnen nicht angerufen werden. Das Bundesgericht führte aus:

      «Das Freihandelsabkommen ist ein reines Handelsabkommen, das sich im wesentlichen auf die Regelung des industriellen Freihandels beschränkt […. Bei seiner Aushandlung wurde nicht nur eine Pflicht zur gegenseitigen Angleichung der gemeinschaftlichen und der schweizerischen Rechtsnormen bewusst ausgeschlossen […, sondern es wurden vielmehr die bestehenden Rechtsordnungen gegenseitig anerkannt und deren uneingeschränkte autonome Durchsetzung gutgeheissen […. Art. 23 FHA schafft sodann kein Verhaltensrecht für Private […; er stellt lediglich fest, welche Praktiken mit dem guten Funktionieren des Freihandelsabkommens unvereinbar seien, verbietet diese aber nicht, bezeichnet sie auch nicht als rechtswidrig und erklärt sie im Gegensatz zu [… [den Wettbewerbsvorschriften] des EG-Vertrages weder als nichtig noch sieht er Sanktionen vor; er ermächtigt die Vertragsparteien lediglich, gemäss den in Art. 27 FHA festgelegten Voraussetzungen und Verfahren geeignete Massnahmen zu treffen. Die Anwendung innerstaatlicher Rechtsnormen hat demnach nicht zurückzustehen, wenn die Wettbewerbsgrundsätze des Freihandelsabkommens beeinträchtigt werden. Ist Art. 23 FHA keine Verbotsnorm, so kann er auch nicht verletzt werden [….» (BGE 104 IV 175, Erw. 2. c.)

      Adams war damit der Zugang zur Justiz verwehrt. Mit diesem illiberalen Ansatz folgte das Bundesgericht der Meinung des Bundesrates, der kurz zuvor die unmittelbare Anwendbarkeit von Artikel 23 FHA abgelehnt hatte. Die Auffassung der EWG wurden nicht berücksichtigt. Stanley Adams ist einer der Fälle, in denen sich die Nähe des Bundesgerichts zur Politik fatal ausgewirkt hat.

      Im zweiten Fall, Omo, ging es um die Anwendung der Bestimmungen des FHA über den freien Warenverkehr (Artikel 13 und 20) im Zusammenhang mit Parallelimporten. Diesmal war die Erste Zivilabteilung des Bundesgerichts am Zug. Sunlight, eine Tochtergesellschaft der niederländischen Unilever-Gruppe, produzierte ein Waschmittel, das sie in der Schweiz unter der im Schweizer Markenregister eingetragen Marke «Omo» verkaufte. Im Juli 1976 stellte Sunlight fest, dass die Firma Bosshard Waschmittel mit der Marke «Omo» anbot, die sie von der deutschen Tochtergesellschaft von Unilever zu einem sehr niedrigen Preis erworben hatte. Sunlight klagte gegen Bosshard vor dem Handelsgericht Zürich mit dem Begehren, den Verkauf von Waschmittel aus Deutschland unter der Marke «Omo» zu verbieten. Das Handelsgericht entschied zugunsten der Klägerin. Bosshard rief das Bundesgericht an.

      Nach Artikel 24 litera c des (alten) Markenschutzgesetzes konnte zivilrechtlich belangt werden, wer Erzeugnisse oder Waren, von denen er wusste, dass sie mit einer nachgemachten, nachgeahmten oder rechtswidrig angebrachten Marke versehen waren, verkaufte, feilhielt oder in Verkehr brachte. Gemäss der geltenden Rechtsprechung konnte ein Schweizer Markeninhaber die Einfuhr von Waren, die in ein und demselben Unternehmen hergestellt wurden, allerdings nicht verbieten. Unter diesen Umständen konnte es keine Verwechslung geben, wenn Schweizer Konsumenten die Marke nicht nur mit der Schweizer Tochtergesellschaft, sondern auch mit einem Unternehmen desselben Konzerns identifizierten. Wenn wesentliche Unterschiede zu einer Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Herkunft der Waren führten, war der Markeninhaber jedoch berechtigt, die Einfuhr zu untersagen. Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht in seinem Urteil vom 25. Januar 1979 solche Unterschiede fest. Die entsprechende Passage verdient es, wörtlich wiedergegeben zu werden.

      «Das OMO-Waschmittel der Klägerin unterscheidet sich zudem durch die beigemischten blauen Nadeln, das Parfum und seine textilschonende Wirkung namentlich von demjenigen der deutschen Firma. Bei solchen Unterschieden ist es den schweizerischen Abnehmern, wie die Vorinstanz insbesondere gestützt auf ein EMPA-Gutachten feststellt, nicht gleichgültig, ob sie OMO-Ware irgendeines Betriebes kaufen. Hausfrauen laufen beim Kauf von OMO-Packungen deutscher Herkunft vielmehr Gefahr, über die schonende Behandlung der Wäsche oder andere Eigenschaften des schweizerischen Erzeugnisses getäuscht


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