In die Transitzone. Elena Messner
ELENA MESSNER
IN DIE TRANSITZONE
ROMAN
INHALT
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NEUIGKEITEN
Die Straße vor dem Lokal war überfüllt. Eine große Lust am Reden war zu spüren, Aufforderungen und Fragen wurden in den Beginn und das Ende anderer Sätze gerufen, Teile daraus aufgegriffen, abgewandelt, neu kombiniert – nichts blieb ohne Einschub oder Gegenargument. Wie viele Gespräche fanden da zugleich statt, schnitten sich gegenseitig ab, griffen ineinander? Das gedämpfte Rauschen der Klospülung im Inneren des Lokals war zu hören, dann das Knallen einer Tür, das Zurren, als eine Frau den Reißverschluss ihres Anoraks öffnete, Möwengeschrei und immer wieder das kurze Zischen beim Öffnen der Bierdosen oder das Knackgeräusch, wenn jemand eine Dose zerknüllte und in die Straßenecke warf. Ein paar Straßen weiter waren Felsenbuchten zu sehen, Häuser direkt auf Stein gebaut, eins ans andere gedrängt, dazwischen die Haustore oder Durchgänge zu kleinen Innenhöfen, verbunden durch nur halb asphaltierte, buckelige Wege, Hunde schliefen vor der Bar, die Mauern daneben waren von Sprayern eingefärbt worden, da hingen auch Werbeblätter für einige Bücher.
Eine Frau, offenbar die Besitzerin, kam auf die Straße hinaus, rauchte vor der Bar, nahm zwischendurch kleine Schlucke aus ihrem Glas, sie hatte ein dunkles Gesicht, ursprünglich weiße Haut, die von der Sonne verbrannt war. Aus ihrer kurzen Hose ragten die nackten Beine hervor. Danach kehrte sie mit einer kleinen Kreisbewegung zurück hinter die Theke, wo eine Karaffe Wasser und mehrere Tassen Espresso standen, jemand hatte sie wohl zubereitet, aber dann vergessen. Mehrere kleine Löffel lagen am Serviertablett daneben. Kurz stand sie im Duft des kalten Kaffees, ging wieder hinaus, um jemandem etwas zuzuschreien, stellte sich dann mit dem Telefon in der Hand in den Lokaleingang. Andauernd zerrte sie an ihren Locken, schob sie hinters Ohr, zog an einem ihr angebotenen Joint, blieb mitten in einem Witz stecken, den sie hustend ausstieß, gemeinsam mit dem weißen Rauch aus ihrem Mund. Sie wurde bloß mit »Nat!« angesprochen, ohne Beiwerk, ohne lange Anrede, ohne Grußwort, als wäre mit ihrem Namen alles gesagt, niemand schien sich an sie wenden zu können, ohne gleich lauter werden zu müssen, und auch sie richtete sich fast ausschließlich mit kurzen Ausrufen an die Leute, die alles um sie herum am Laufen zu halten schienen: »Ha!«, schrie sie, »Du!«, »Weg da!«, »Komm her!«, »Lass das!«, »Stopp!«, »Komm schon!«, »Sicher nicht!«, »Los!«
Die Frauen gingen von der Straße ins Lokal, setzten sich kurz auf die aufgestellten Hocker, stellten sich an das verstimmte Pianino in der Ecke, spielten darauf, tanzten ein paar Schritte, wollten wieder hinaus und drängten sich an der Besitzerin vorbei. Wein, kalte Pizzastücke und eine Plastikschale mit Chips und Erdnüssen wurden herumgereicht. Auf der Straße spuckte eine Frau, nachdem sie sich eine der Erdnüsse in den Mund gesteckt hatte, auf den Boden und warf ihr Haar zurück. Tiefe Falten führten von ihren Augen bis zu den Mundwinkeln.
Ein junger Mann sah ihr zu, stand eine Zeit lang unentschlossen vor der Bar herum, dann noch unentschlossener im Bareingang, den die Besitzerin gerade wieder freigemacht hatte.
»Heiß? Angst, reinzukommen?«
Man schubste ihn in das schwüle Innere des Lokals.
Sein Akzent und die höflich gewählten Worte, auch die Unsicherheit in der Stimme erregten sofort leises Kichern, als er fragte: »Bekommt man hier etwas zu trinken, ich bitte Sie sehr?« Kommentarlos drückte man ihm ein Bier in die Hand, und er setzte sich, legte seinen Rucksack zu seinen Füßen ab, danach bekam er Wein von einigen Frauen, die bald zu dritt um seinen Tisch herumstanden, auf ihn hinuntersahen: »Zigarette? Noch ein Bier?« Eine beugte sich nah zu ihm: »Massage?« Die Besitzerin wollte sie wegscheuchen: »Lasst ihn in Ruhe.«
Zu spät, zwei der Frauen hatten sich schon neben ihn gesetzt, auf Hocker, die sie unter seinem Tisch hervorgezogen hatten. Eine packte eine Stange Slim-Zigaretten aus und sagte: