Fürstenkinder 8 – Adelsroman. Regine König

Fürstenkinder 8 – Adelsroman - Regine König


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in die Schläfen.

      Und dann sehe ich dumm aus! dachte das Mädchen, während es jetzt ein wenig Gas wegnahm. Sie hatte die Einfahrt der Kreisstadt erreicht. Rotwerden ist albern. Rainer hat es auch einmal geäußert.

      Aber er nannte sie trotzdem Angela und hatte ihr beim Karneval einen Kuß auf die Stirn gegeben, in die die rotblonden verwehten Locken tanzten, die sich nicht in den Ring für den Schopf zwängen ließen.

      Manchmal war er sehr steif, dieser Dr. Rainer Bernardi, der beruflich einen steilen Aufstieg vor sich hatte.

      Und ich?

      »Ich habe ihn nicht geküßt! Auch nicht beim Karneval!«

      Das Mädchen am Steuer sprach es in einem ihr selbst unbewußten Trotz plötzlich laut aus.

      Und es ist gar nicht ausgemacht, ob ich ihn heirate, diesen Rainer, der natürlich mehr war als ein einfacher Landarzt wie Paps.

      Weshalb nur dachte sie in diesem Augenblick an ein anderes Gesicht, ein Piratengesicht, das bronzebraun war, das sich überheblich gab und doch vor ein paar Kindern die Waffen zu strecken schien?

      *

      Schon zwanzig Minuten später hörte Graf Justus zum erstenmal in seinem Leben eine Standpauke, über die er zuerst überlegen lächelte, die ihn dann aber doch ein wenig betreten machte.

      »Ein Egoist sind Sie. Es ist Ihnen einfach zu lästig, sich um die Kinder zu kümmern!« Angela behandelte während ihrer Vorwürfe das zerkratzte Gesicht Jussuffs. Sie hatte ihm kurzentschlossen Watte in die Ohren gesteckt. Es ging nicht an, daß er das mit anhörte, was sie zu sagen hatte. Er radebrechte zwar seine Sätze in vielerlei Sprachfetzen, aber Angela schien es, als sei er durchaus kein demütiger Untergebener. Sie wurde eine gewisse Beunruhigung nicht los, wenn sie sein Gesicht beobachtete.

      Graf Justus stand der kleinen Gruppe – die Kinder waren bei den Tieren – schweigend gegenüber.

      Er wehrte sich nicht einmal, als Angela ihn einen krassen Egoisten nannte.

      Nur als sie fortfahren wollte, sagte er sehr nüchtern: »Fräulein Angela oder Fräulein Schöpfle –, ich bin ja schließlich nicht als Kindermädchen auf die Welt gekommen. Und – ich habe ausreichend mit dem Gut zu tun.«

      Ein gewisser Schmerz klang jetzt durch des Mannes Stimme.

      Angela war mit dem Verband fertig.

      »Allons, allons!« Sie scheuchte Jussuff aus der Halle.

      »Paps hat auch tausend Dinge zu tun. Er kommt kaum noch zum Schlafen!« erwiderte Angela. »Und Sie – na, schließlich sind Sie doch noch ein einigermaßen junger Mann!«

      Da lachte der Graf plötzlich laut heraus und fuhr sich durch das dunkle Haar, das sich dicht um sein von Wind und Wetter gegerbtes Antlitz schmiegte.

      »Wann beginnt bei Ihnen denn das Alter, Fräulein Angela?«

      »Bitte, Fräulein Kilian!« verwies ihn Schöpfle. »Sie können mich doch nicht einfach bei meinem Vornamen oder gar bei meinem Kosenamen nennen!«

      »Weshalb eigentlich nicht, Schöpfle?«

      Graf Justus’ Selbstsicherheit war zurückgekehrt, nachdem die Tiere ebenso verschwunden waren wie sämtliche Kinder und der fremdartige Jussuff, dessen Stimme man jetzt nur noch von der Auffahrt zum Schloß hörte.

      Weiß der Kuckuck, was er kauderwelschte. Auf jeden Fall wurde jedes seiner Worte mit einem beinahe ekstatischen Jubel sämtlicher Kinder begrüßt.

      »Also, Schöpfle, weshalb sollte ich nicht…«

      Weiter kam der Mann allerdings nicht. Denn plötzlich richtete sich die zierliche, schmale Gestalt hoch vor ihm auf.

      Zornesröte stieg bis in die Schläfen, hinter denen man die feinen blauen Adern sah.

      »Weil wir nicht so… so…« Angela suchte nach Worten. »Ja, weil wir nicht so intim sind, daß Sie ganz einfach Kosenamen verwenden.«

      »Was nicht ist, kann ja noch werden!«

      Das Mädchen bebte jetzt am ganzen Körper.

      Nein, niemals mehr würde sie an dieses Gesicht denken. Verhaßt war ihr dieser Mann, der so maßlos von sich überzeugt schien.

      Weshalb überhaupt hatte sie an ihn gedacht seit jenem ersten Augenblick der Begegnung? Er ließ sie einfach nicht frei. Ja, und schon deshalb

      hasse ich ihn. Und ich sage es ihm auch.

      »Demnächst können Sie Ihre afrikanischen Diener selbst behandeln, Herr Graf. Dann fahre ich nicht mehr, um Salbe zu holen. Schließlich hätten Sie ja auch fahren können!«

      »Reiten!« spottete Justus von Hallermünde. »Ich reite lieber.«

      Er hätte etwas darum gegeben, wenn er sie jetzt hätte an sich ziehen können, wie er es bei jeder anderen Frau getan hätte. Zu keiner anderen Frau aber würde er ganz leise und sehr innig flüstern können: »Lieb hab’ ich dich, kleines Mädchen! Ganz einfach lieb. Und wenn ich an dich denke, nenne ich dich Schöpfle. Denn Angela, Engel, paßt eigentlich gar nicht zu dir. Höchstens bist du ein sehr energischer Engel mit einem Flammenschwert.

      Doch der Mann fühlte, daß er zum ersten Male in seinem Leben die Hand nicht besitzergreifend nach einem Mädchen ausstrecken konnte.

      Er mußte auf einen günstigen Augenblick warten.

      Ja, vielleicht mußte er sich zunächst überhaupt in ein besseres Licht vor diesem lichtblonden Engel setzen.

      Nur wie?

      Bisher hatte jede Frau ihn genommen, wie er war. Er hatte sich niemals zu verändern brauchen. Er konnte Egoist sein, beherrscht von einer beinahe eisigen Leidenschaft, die ebenso schnell verging, wie sie ihn in Besitz genommen hatte.

      Jetzt aber war alles anders geworden.

      »Wenn Sie noch Zeit hätten, Fräulein Kilian«, sagte der Mann, »könnten Sie vielleicht einmal die Kinderzimmer ansehen. Die Betten sind aber noch nicht überzogen.«

      »Sie hätten Chris und Micky bei uns lassen sollen, bis alles hier eingerichtet war. Aber Sie… Sie…«

      »Ich weiß, ich bin ein Egoist!« wiederholte Graf Justus das ihm vorgeworfene Wort. Aber seine Stimme klang ein wenig spöttisch. »Sehr kluges und tüchtiges Fräulein Kilian, wenn ich Egoist wäre, würde ich mir nicht zwei mehr als unerzogene Kinder samt einem nicht überschaubaren Zoo auf den Hals geladen haben. Es ist meine Pflicht…«

      »Sie lieben Chris und Micky gar nicht?«

      Wie weich, ja, beinahe zärtlich klang jetzt ihre Stimme.

      Angelas große blaue Augen schienen sich vor Mitleid mit Tränen zu füllen.

      »Mit Pflicht, Herr Graf, kann man keine Kinder großziehen. Man muß sie liebhaben.«

      Da stand der Mann plötzlich ganz dicht vor dem Mädchen.

      Er legte seine beiden Hände auf ihre Schultern, und er gebrauchte das Wort, das er von seinen Dienstleuten kannte.

      »Kleine Doktorin, hast du denn die Kinder lieb?«

      Angela überhörte das Du. Sie nickte nur.

      »Sehr!« sagte sie ganz einfach. »Sie sind wirklich sehr lieb, wenn man sie richtig zu nehmen versteht.«

      »Also los, sehen wir zu, wo mein Diener steckt!« Graf Justus wandte sich schnell um, weil er sonst doch nicht der Versuchung hätte widerstehen können, das Schöpfle, die süße kleine mütterliche Doktorin, in die Arme zu ziehen, ihr die Tränen aus den Augen zu küssen.

      *

      »Hallo… he…!«

      Angela strengte ihre Stimme an.

      Einen Lautsprecher müßte man haben! dachte sie an diesem Nachmittag, an dem sie die beiden Brüder suchte. Irgendwo mußten sie sich wieder


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