Tage mit Turmalin. Ronja Potstawa

Tage mit Turmalin - Ronja Potstawa


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es aus mir herausbrach, in atemlosem Flüstern.

      „Ich freue mich so sehr, dass du hier bist. Ich brauche dich hier, so sehr ... einfach nur, dass du hier bist ... ich habe es mir so sehr gewünscht ... dass du einfach hier bei mir bist ... nur du ...“

      Meine Brust bebte mit diesen verzweifelten Worten und mir wurde klar, dass sie es niemals vermögen würden, die Intensität meines Bedürfnisses nach ihm und all die Freude auszudrücken, das Verlangen, ihn einfach hier bei mir zu sehen und die unglaubliche Erleichterung, die seine Gegenwart in mir auslöste. Als meine Worte aufgehört hatten, Sinn zu ergeben, schluckte ich und kontrollierte meinen Atem, während meine Augen nie die seinen verließen.

      Die Angst, dass er wie eine Vision einfach verschwimmen und verschwinden könnte, in dem Moment, in dem ich seinen Blick verlor, war so intensiv, dass ich mir den Schmerz noch nicht einmal vorzustellen wagte.

      „Ich weiß“, antwortete er, beruhigte mich mit seiner leisen, ruhigen, geduldigen Stimme, ein so reiner, purer Ton, der mich leicht erschaudern ließ.

      „Du weißt ... alles, was ich ... alles?“ Meine flüsternde Stimme brach weg.

      „Ich weiß es alles, Marie, ich weiß.“

      Ich fühlte, wie eine einzelne Träne meine erhitzte Wange hinabrann und bevor ich sie wegwischen konnte, hatte er schnell, in einer einzigen stillen Bewegung, den Abstand zwischen uns genommen und sich neben mir niedergekniet und strich, nach einem Moment des Zögerns, als warte er auf meine Erlaubnis, mit einer Fingerspitze über meine Haut, eine Berührung so sanft wie die einer Feder, fast nicht zu spüren.

      „Du solltest mich nicht so sehr brauchen“, sagte er dann und sein Blick war so zärtlich, dass ich wegsehen musste, als ein Ansturm von Schuld neue Tränen in meine Augen zu bringen drohte.

      „Nein, nein“, er schüttelte langsam den Kopf, „fühle dich nicht schuldig, Marie. Bitte. Ich bin hier. Du weißt das. Ich habe dir gesagt, dass ich hier sein würde. Und es ist wahr. Glaubst du es? Glaubst du mir?“

      Ich biss mir auf die Lippen und nickte und streckte vorsichtig die Hand aus, um die seinige mit meiner zu umschließen, fühlte mich so klein in meiner Suche nach Beruhigung, nach ihm.

      Und er zog sie nicht weg. Ihn zu berühren, ließ eine intensive Welle der Wärme durch meine Seele strömen und brachte ein Lächeln auf meine angespannten Lippen und ich zeigte es ihm, gänzlich unbedeckt. Und als er es erwiderte, konnte ich den Mann in ihm sehen und seine Liebe.

      *

      Die Werkstatt

      Wir fuhren an diesem Sonntagnachmittag durch die verregnete kleine Stadt unter grauem, wolkenschwerem Himmel bis zur Werkstatt, stiegen aus und gingen hinein.

      Um all die alten Wagen und Motorräder war es still; der Geruch von Benzin und Diesel so vertraut, der Boden leicht staubig, vereinzelte Neonröhren, vielmehr alte Glühlampen, kleine Leuchtfeuer in der regnerischen Dämmerung, die von draußen sanft hineinsickerte.

      Sie wandte mir den Rücken zu und schwieg, ebenso wie ich. Das einzige Geräusch, das die Stille zwischen uns füllte, war unser Atmen.

      Ich holte tief Luft, konnte fast hören, wie ihre vollen Lippen sich zu einem Lächeln formten und ihre weißen Zähne entblößten, die sich wählerisch nicht jedem zeigten. Und endlich zog sie die Klammer aus ihrem Haar. Es war keine Klammer, es war ein Stift. Augenblicklich brachen sich ihre hellen Haare ungezähmt Bahn. Jede einzelne feine Strähne befreit vom Zwang des Stiftes, der sie gehalten hatte.

      Ich wusste, dass sie noch immer lächelte, auch wenn ich ihr Gesicht nicht sah.

      Die vielen hellen Strähnen bäumten sich auch gegen ihren groben Schal auf, revoltierten gegen die miteinander verwobenen Baumwollfasern in diesem dunklen Tannengrün, das sich auch in ihren klaren Augen wiederfand.

      Ich schob meine Fingerspitzen vorsichtig unter das grobe Textil, ohne ihre Haut darunter zu berühren. Dann ließ ich meine Hände wieder sinken, bis sie sich wieder zu beiden Seiten meines Körpers befanden.

      Noch immer war nur unser Atem zu hören, ihrer und meiner.

      Ich hätte ewig so hinter ihr stehen können, so nah zu ihr und doch so fern, ihren ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen lauschend, dem Lebenspuls, gegen die meine eigenen so laut und grob klangen.

      Doch in dem Moment, als ich mich in meiner stillen Haltung fast festgefroren fühlte, drehte sie sich zu mir um, so schnell, dass ich nur ein Meer aus hellem Haar und Grün sah, nahm meine kühlen Hände und führte sie zu ihren schmalen Schultern, bis sie leicht auf ihnen lagen, ohne sie zu beschweren.

      Ich fühlte das Blut stärker und schneller durch meine Adern fließen, als meine so einfachen Fingerkuppen ihre Haut berührten. Sie wartete einen Moment lang, ihr Blick traf meine Augen, wie um meine Reaktion zu erkennen, in ihnen zu lesen, was sie schon wusste.

      Dann legte sie ihre zarten Hände auf die meinen, die noch immer auf ihren Schultern lagen, und ihre zierlichen Fingerspitzen drückten die Oberflächen meiner Hände, meine grobe Haut mit den hervorstehenden Sehnen. Sie sah mir unentwegt mit demselben Gesichtsausdruck in die Augen.

      Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel hoben. Und endlich einmal lächelte ich.

      Mit ihr als Grund.

      Und wir verließen die Werkstatt und wussten, dass wir immer wiederkommen würden.

      *

      Lukrezia

      Ihr Vater vernahm ihre Worte, geschrien, doch kristallklar:

      „Du hast Monster aus uns allen gemacht! Was bin ich also, vor dir auf dem Boden kniend, geräuschlos über den eisigen Grund kriechend, vor all deiner Güte und Perfektion?“

      Als der Vater gegangen und sie mit ihm allein im Zimmer war, sprach sie den Versprochenen an, war so nah bei ihm, dass es nur eines zarten Flüsterns bedurfte, eines Flüsterns, das ein Zeuge vielleicht für Liebeszungen hätte halten können: „Nimm mich dorthin mit, wo auch immer du mich haben willst, du sollst mich haben. Ich bin dazu verdammt, so dauerhaft wie der Sand und so flüssig zu sein wie das Wasser, getrübt und bewegt und verführt von jeder noch so leichten Brise, der schwächsten Berührung durch streichenden Wind. Es gelingt mir nicht, mich standfest zu halten – wie gut für dich. Und dennoch ist es schlimm für dich, denn es kann auch kein anderer tun. Fühle die Kälte dieses Messers auf deiner Haut, wie es sie so schwach zum Zittern zu bringen vermag, und behalte es immer in deinen Gedanken, so klar wie in Stein gemeißelt, wach oder schlafend: Wenn es wirklich so ist, dass ich mich selbst verloren habe, dann wird mich auch niemand je finden. Und mich einsperren. Nimm meine Worte als Siegel meiner Schande.“

      Und der Versprochene floh noch in der Nacht und wurde dafür bestraft, dass er diese Lukrezia in Freiheit leben lassen wollte und ihr Siegel brannte noch immer auf seiner Haut, als er zum letzten Mal tief einatmete.

      *

      Drei Männer vor der Goldenen Gondel

      Es waren drei Männer vor dem Restaurant „Die goldene Gondel“ postiert.

      Der erste fingerte in diesem Moment eine Zigarette aus der Tasche seiner Lederjacke hervor, der zweite zündete sich mit einem Streichholz eine an und der dritte verzog angewidert das Gesicht aufgrund des nun aufsteigenden Rauches.

      Sie wussten allesamt, weshalb sie hier waren. Doch sie kannten einander nicht.

      Ab und an warfen sie sich gegenseitig skeptische Blicke zu, sahen zögerlich unter dichten Augenbrauen hervor, um die jeweils anderen möglichst im Verborgenen betrachten zu können.

      Am Seiteneingang des Restaurants öffnete sich eine kleine Tür und jemand trat heraus, auf die postierten Herren zu.

      „Warum seid ihr gekommen?“, fragte die fremde Person sie


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