Von Stubenfliegen und Osterhasen. Sabrina Nickel
fragte einer der Männer plötzlich, senkte seine Waffe und zog seine Sturmmaske vom Kopf. Es war ihr Bruder.
„Adrian“, keuchte sie und fasste sich erleichtert ans Herz, bevor sie losstürzte, um ihn zu umarmen. Nun senkten auch die anderen Männer die Waffen und zogen die Masken ab.
Zuerst erkannte ich einen alten Freund. „Daryl?“ Ohne es zu wollen, traten mir Tränen in die Augen. „Ich dachte, man hätte dich ...“
Lachend trat er auf mich zu und umarmte mich. „Beseitigt? Sie waren kurz davor. Meine Jungs haben mich aus der Zelle geholt.“
„Ich habe niemandem etwas erzählt!“, wisperte ich und klammerte mich an meinen tot geglaubten Freund.
„Ich weiß“, antwortete er und strich mir behutsam über das Haar. Dann hielt er mir seine rechte Hand vor. „Dieses teuflische Ding war es.“
Ich sah sein Handgelenk. Es sah aus, als hätte man das Tattoo mit einer Säure weggeätzt. „Um ihm zu entkommen, reicht es nicht aus, es zu lasern. Allerdings lohnt es sich“, lächelte er und deutete auf die anderen Männer. „Das sind Gregor, Sammy, Fuchs und Beckys Bruder Adrian.“ Nacheinander grüßten mich die Jungs artig, ich nickte ihnen zu.
Gregor erklärte uns, dass ständig jemand in der Halle wachen würde, sollte man im Aufsichtsamt von diesem Ort erfahren und ihn zerstören wollen, um die Kontrolle über seine Schäfchen zu behalten. Es war der einzige Zugangspunkt dieses Ortes.
Ich konnte das kaum glauben.
„Bestimmt wollt ihr unser Projekt sehen, oder?“, fragte Adrian und führte uns zu einem großen Tor, das er mittels eines Schalters und einer Tastenkombination bediente. Der scheinbar tonnenschwere Rollladen des Tors verschwand Stück für Stück nach oben und ließ ein grelles Licht hinein. Geblendet blinzelte ich hinaus, der Sonne entgegen.
„Das kann nicht sein!“ Langsam, als wollte ich nicht fallen, trat ich, einen Fuß vor den anderen setzend, hinaus. Da waren Bäume, mit grünen Blättern. Sie waren noch klein, doch sie lebten. Genau wie das saftig grüne Gras unter meinen Füßen. Ich konnte durch die Bäume hindurch über Felder bis auf eine kleine Siedlung sehen.
„Wie ist das möglich?“
„Durch harte Arbeit kombiniert mit unserem heutigen Wissen und der aktuellen Technik“, antwortete Daryl, der nun neben mir stand. Ein Geräusch über mir ließ mich erschrocken zusammenzucken. „Was war das?“
Daryl lachte auf. „Das war ein Vogel. Die fühlen sich hier sehr wohl. In der Stadt hat man ja seit Jahren keinen mehr gesichtet.“ Er hielt mir eine große, rote Blüte vor das Gesicht. Vorsichtig roch ich an ihr, bevor er sie mir ins Haar steckte. „Wir müssen ganz von vorne anfangen, um die Erde von uns kurieren zu können“, meinte Daryl. „Jeden Tag gewinnen wir mit viel Geduld und Liebe ein paar Meter zurück und was sich einmal erholt hat, kann uns der Aufsichtsrat nicht mehr wegnehmen. Bald werden wir genug Leute sein, um uns zur Wehr setzen zu können. Dann befreien wir die Stadt von dieser Zwangsjacke und können neu anfangen. Zusammen.“ Er lächelte mich an. Dann verschwamm sein Gesicht.
Ein lautes Geräusch riss mich aus dem Schlaf und ließ mich im Bett hochfahren. Noch immer lagen Schatten der hellen Sonnenstrahlen auf meinen Augen. So real hatte ich noch nie geträumt. Erneut ertönte das Klackern und nun realisierte ich, dass es Steinchen waren, die jemand gegen mein Fenster warf. Hastig sprang ich aus dem Bett, lief zur Scheibe und blickte hinaus in das trostlose Grau. Unten stand Becky. „Ich komme runter“, rief ich und schaute auf meinen Lichtwecker. Es war früh am Morgen, Zeit, zur Arbeit zu gehen. Rasch griff ich mir in die Haare, um das Gewirr zu richten. Rote Blütenblätter rieselten zu Boden.
Heute war ein guter Tag. Es würde der Tag werden, an dem ich meine Mutter und meine beste Freundin mitnehmen würde. Dann würde ich Vater finden und auch mitnehmen. Alles, was ich hatte. Durch jenen dunklen Tunnel, in ein neues Leben.
*
Die vererbte Schuld
Das Leben ist kein Ponyhof.
So begrüßte mich Jelena, meine zukünftige Kollegin, am ersten Tag in meinem neuen Job. Sie war eine junge, hübsche Frau mit russischen Wurzeln und einem ehrlichen Lächeln, die fortan an einem Schreibtisch genau gegenüber dem meinen saß. Es war immer mein größter Traum, als Journalistin zu arbeiten. Alles fing mit einem Volontariat an, das ich in diesem Haus innerhalb meines Studiums machte. Damals erhielt ich die Zusicherung, nach meinem Studium hier anfangen zu können. Frisch von der Uni konnte ich direkt einen Schreibtisch im dritten Stock beziehen und mein Glück kaum fassen – zuerst. Sechs Monate waren seitdem vergangen.
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