2. Hideo Yokoyama
eo Yokoyama
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Thriller
Aus dem Englischen von Sabine Roth
Personen
Mitsuko Adachi, Polizeimeisterin im Kommissariat Jugendkriminalität, Präsidium Präfektur D
Akama, Direktor der Verwaltungsabteilung
Aoki, Chauffeur von Osakabe
Funaki, Pressedirektor
Futawatari, Inspektor in der Verwaltungsabteilung
Toshie Hatsuda, Hausmutter der Unterkunft für Polizeibeamtinnen
Junko Hayashi, Beamtin in der Verkehrsabteilung, Zimmergenossin von Mizuho Hirano
Mizuho Hirano, Kommissarin bei der Spurensicherung, wohnhaft in der Unterkunft für Polizistinnen
Kudo, Direktor der Kommunalen Sicherheit
Maejima, Dezernatsleiter in der Kriminalabteilung, Direktion W
Kikyo Maejima, seine Frau
Miyagi, Geschäftsführer der Stiftung zur Überwachung der Entsorgung von Industriemüll
Morishima, Abschnittsleiter in der Kriminaltechnik
Tomoko Nanao, Gruppenleiterin in der Verwaltungsabteilung
Yachio Nanao, ihr Sohn
Ogino, Dezernatsleiter in der Versorgungsstelle
Oguro, zunächst Direktor der Verwaltungsabteilung, später Leiter der Regionalbehörde
Osakabe, Vorstandsvorsitzender der Stiftung zur Überwachung der Entsorgung von Industriemüll, ehemaliger Direktor des Kriminaluntersuchungsamts im Präfekturpräsidium
Megu Osakabe, seine jüngste Tochter
Saito, zunächst Mitarbeiterin von Futawatari, dann versetzt in die Kriminalabteilung von Direktion W
Sasaki, Beamter in der Kriminalabteilung
Shirota, Dezernatsleiter in der Verwaltungsabteilung
Takegami, Dezernatsleiter in der Innenrevision
Uehara, Abschnittsleiter in der Verwaltungsabteilung
Yuasa, Leiter der Spurensicherung
Zeit der Schatten
1
Hier im Zimmer bekam man nichts mit vom Wind oder vom Frühling mit seiner unendlichen Vielfalt an Stimmen. Die Fenster waren immer geschlossen, die schweren Vorhänge dicht zugezogen. Die Klimaanlage lief, aber man musste nur kurz an einem der Schreibtische sitzen, um zu merken, dass sie im Wesentlichen Krach machte und sonst nichts.
Die gut sechzehn Quadratmeter große Dependance der Verwaltungsabteilung lag im Nordflügel des Polizeipräsidiums Präfektur D im ersten Stock. Da sie nicht durchgängig genutzt wurde, hieß sie auch »das Sommerhaus« oder »die Klause« – natürlich nur bei den Verwaltungsmitarbeitern selbst. Die übrigen Beamten des Präsidiums heuchelten Gleichgültigkeit und sprachen einfach vom »Personalbüro«, manche mit wissendem Grinsen, andere mit einer merklichen Beklommenheit im Blick.
Jetzt hocken sie wieder beisammen, da oben im Personalbüro.
Alle sagten sie das.
In fünf Tagen würden die internen Bescheide herausgehen; die jährliche Liste der Versetzungen war so gut wie fertig. Gerade einmal dreitausend Stellen im höheren und gehobenen Dienst waren auf dem Prüfstand, und bei längst nicht allen stand tatsächlich eine Versetzung an: In jedem normalen Jahr wären sämtliche Teile des Puzzles zu diesem Zeitpunkt bereits an ihrem Platz gewesen.
Doch ein ominöser Anruf aus der Innenrevision hatte den Prozess am Nachmittag ins Stocken gebracht. Grund war der Leiter von Direktion S im Norden der Präfektur, der seinen Schwiegereltern durch den Landschaftsgärtner einer Feriensiedlung in seinem Bezirk einen Garten hatte anlegen lassen, und das, wie es schien, für ein bestenfalls symbolisches Entgelt.
Dieser Idiot!
Shinji Futawatari verwünschte den Mann, dessen Gesicht jetzt aus seinem Bildschirm zu ihm heraussah.
Der Direktionsleiter, ein Mensch mit länglichem Gesicht und sanften Zügen, hatte seine Stelle erst letztes Frühjahr angetreten. Insofern war er eigentlich kein Versetzungskandidat gewesen. Nun aber, da sein Fehltritt bekannt war, konnte man ihn unmöglich in einer Position belassen, in der er das Aushängeschild seiner Direktion war. Futawataris Vorgesetzter in der Verwaltung hatte ihm unmissverständlich aufgetragen, die Pläne bis zum nächsten Morgen so umzuarbeiten, dass für den Mann ein weniger sichtbarer Posten gefunden wurde.
Futawatari konnte auf eine lange Zeit im Personalwesen zurückblicken. In seinen insgesamt sechs Jahren als Polizeiratsanwärter und dann Polizeirat, gefolgt von der Beförderung zum Polizeioberrat und anschließender Ernennung zum Verwaltungsinspektor mit allgemeineren leitenden Aufgaben, hatte er durchgehend bei der Ausarbeitung der Versetzungspläne mitgewirkt. Es schien wenig wahrscheinlich, dass die Oberen jemanden mit seiner Erfahrung ziehen lassen würden. Zumindest nicht, ehe sein Bereich – der denkbar unterbesetzt war – zum Dezernat hochgestuft wurde.
Krisen wie diese waren nichts Neues für ihn.
Er hatte unter einem Präsidenten gearbeitet, der besonders anfällig für Speichelleckerei war und wie ein verblendeter Potentat Beförderungen vornahm, eine aberwitziger als die andere. Er hatte mehrere Direktoren über sich gehabt, die sich alle angemaßt hatten, beim Versetzungspuzzle mitzumischen, ohne jede Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten oder Gebräuche. Er wusste, es war zwecklos, sich aufzuregen, wenn so etwas passierte. Dank der oft willkürlichen Anordnungen dieser ichbezogenen Bürokraten ging es nur selten ohne eine Reihe von Nachtschichten ab.
Dennoch war dies das erste Mal, dass er sich gezwungen sah, eine Änderung zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, da er im Begriff stand, die vom Präsidenten bereits abgezeichnete Liste zum Ausdrucken zu Versorgung und Personalentwicklung hinüberzuschicken. Und schuld war nicht die Laune eines Karrierebeamten, sondern das Fehlverhalten eines Direktionsleiters, eines Menschen also, der auf derselben Seite hätte stehen sollen wie er.
Nicht einmal Futawatari konnte da gleichmütig bleiben.
Soll er doch irgendwo versauern, vielleicht bei Fortbildung oder Polizeilichem Markenrecht.
Futawatari fuhr mit seiner Maus die Kästchen des Organigramms ab auf der Suche nach dem passenden Exil.
Wenn sich ein Beamter in exponierter Stellung etwas zuschulden kommen ließ, das zu einem Gesichtsverlust führen konnte, war es üblich, ihn für vier, fünf Jahre den Blicken entzogen irgendwo im Präsidium zu parken, bis Gras über die Sache gewachsen war. Eine zu offensichtliche Herabstufung musste vermieden werden – damit riskierte man es, die Aufmerksamkeit der Presse zu erregen, und wie Futawatari nur zu gut wusste, durchschauten einige alte Hasen unter den Reportern das innerpolizeiliche Prozedere besser als viele Beamte selbst. Dann wuchs die Gefahr, dass die Verstöße publik wurden. Zum Glück war das Personalbüro sehr versiert darin, Posten in der Hinterhand zu haben, die so ungreifbar und nebulös waren, dass eine Versetzung dorthin intern zwar als Strafe erkennbar war, sich nach außen aber dadurch rechtfertigen ließ, dass Dienststelle X oder Y »verstärkt« werden musste.
Wohin mit dem Mann?
Angenommen, der Direktionsleiter wurde zu Markenrecht oder Fortbildung verbannt, musste der nächste Schritt sein, einen geeigneten Führungsbeamten für die frei gewordene Stelle in Direktion S zu finden. Ein direkter