Der Verlorene von Hans-Ulrich Treichel: Reclam Lektüreschlüssel XL. Jan Standke

Der Verlorene von Hans-Ulrich Treichel: Reclam Lektüreschlüssel XL - Jan Standke


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      Hans-Ulrich Treichel

      Der Verlorene

      Lektüreschlüssel XL

      für Schülerinnen und Schüler

      Von Jan Standke

      Reclam

      Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:

      Hans-Ulrich Treichel: Der Verlorene. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 13 2016.

      Lektüreschlüssel XL | Nr. 15518

      2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Made in Germany 2020

      RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

      ISBN 978-3-15-961694-0

      ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015518-9

       www.reclam.de

      Inhalt

        1. Schnelleinstieg

        2. Inhaltsangabe Das Familienalbum Die Wahrheit über den »toten« Bruder Der wirtschaftliche Aufstieg des Vaters Das Findelkind 2307 Reise nach Heidelberg Der Tod des Vaters Heinrich/Adoptionspläne

        3. Figuren Hauptfiguren Nebenfiguren

       4. Form und literarische TechnikGattungTextstruktur und ErzähltechnikWiederkehrende Themenkomplexe und LeitmotiveSprache

        5. Quellen und Kontexte Flucht und Vertreibung aus den Ostgebieten Wirtschaftswunder Familiengeschichte des Autors Literarische Kontexte

        6. Interpretationsansätze Die Ouvertüre der Erzählung – der erste Abschnitt Schuld und Scham Mythos, biblisches Gleichnis, literarische Traditionen

        7. Autor und Zeit

        8. Rezeption

        9. Wort- und Sacherläuterungen

       10. Prüfungsaufgaben mit LösungshinweisenAufgabe 1: Eine Figurenbeziehung beschreibenAufgabe 2: Eine Textpassage interpretierenAufgabe 3: Einen thematischen Schwerpunkt erörternAufgabe 4: Medienübergreifend arbeiten – einen literarischen Text und einen Film vergleichen

       11. Literaturhinweise/MedienempfehlungenTextausgabenInterviews mit Hans-Ulrich TreichelRezensionen Der VerloreneSekundärliteraturZur BiografieMedien

        12. Zentrale Begriffe und Definitionen

      1. Schnelleinstieg

      Als der auf Hans-Ulrich Treichels Erzählung Der Verlorene basierende Fernsehfilm Der verlorene Bruder im Dezember 2015 erstmals in der ARD ausgestrahlt wird, ist die Überraschung groß: 5,77 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sehen den Film über ein Familienschicksal im Deutschland der Nachkriegszeit, darunter auch über eine Million in der jüngeren Altersgruppe von 14 bis 49 Jahren. Die Einschaltquote liegt damit nur knapp hinter der des Champions-League-Spiels des FC Barcelona gegen Bayer Leverkusen.1 Treichels Thema trifft ganz offensichtlich einen Einen Nerv getroffen Nerv des Publikums. Schon seine 1998 erschienene Erzählung war ein großer literarischer Erfolg und zugleich der Durchbruch des Autors.

      Was Treichel in Der Verlorene erzählt, ist auf den ersten Blick gar nicht so außergewöhnlich. Ein namenloser Ich-Erzähler erinnert sich an seine Kindheit und Jugend in den 1950/60er Jahren, irgendwo in der ostwestfälischen Provinz. Dort ließen sich seine Eltern nieder, nachdem sie in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs aus Ostpreußen fliehen mussten. In der neuen Heimat hat der Vater es zum Großhändler für Fleisch- und Wurstwaren gebracht. Die Mutter unterstützt als Hausfrau den wirtschaftlichen Aufstieg ihres Mannes und erster Wohlstand stellt sich ein. Das Familienleben hingegen ist von Schweigen bestimmt. Schuld- und Schamgefühle begleiten die Kindheit des Erzählers. Sie rühren, wie sich herausstellen soll, unter anderem vom Verlust seines älteren Bruders Arnold her, der auf der Flucht in den Westen verlorenging.

      Jahre später macht der Suchdienst des Roten Kreuzes ein Findelkind ausfindig, das der Familiengeheimnis verlorene Bruder sein könnte. Bevor die Familie zueinanderfinden kann, muss aber die Verwandtschaft mit dem Findelkind nachgewiesen werden. Eine Odyssee der erbbiologischen Untersuchungen, Vermessungen und Berechnungen beginnt.

      Die Ergebnisse sind betrüblich. Denn am Schluss gilt eine Unwahrscheinliche Verwandtschaft Verwandtschaft als nahezu ausgeschlossen und auch ein Adoptionsantrag der Mutter scheitert. Kurz bevor die Mutter das beinahe erwachsene Findelkind in einer nahegelegenen Stadt sehen könnte, schreckt sie zurück. Der Ich-Erzähler hingegen meint, seinen Doppelgänger zu erblicken. Ob das Findelkind tatsächlich der gesuchte Bruder ist, bleibt offen.

      Treichels Ich-Erzähler wächst während des bundesdeutschen Wirtschaftswunders auf. Den Zweiten Weltkrieg hat er nicht miterlebt. Mit seinen Nachwirken des Krieges Konsequenzen ist er dennoch konfrontiert. Denn unter der Oberfläche von wirtschaftlichem Aufschwung und Konsum wirken die Traumata weiter, die Flucht und Vertreibung bei den Eltern hinterlassen haben: der Verlust des Bruders, der Verlust von Haus und Hof in Ostpreußen, eine mutmaßliche Vergewaltigung der Mutter während der Flucht. Es stellt sich aber auch die Frage nach historischer Schuld: Der Vater war Soldat, und rassistisch gefärbte Ressentiments gegen Polen und Russen sind ihm


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